Selten musste ein Kanzlerkandidat so wenig für steigende Umfragewerte tun wie Armin Laschet in diesen Tagen. Es ist vor allem die Schwäche der Grünen, die ihn stark macht. Man kann sich förmlich vorstellen, wie der CDU-Chef die Debatten um Annalena Baerbock seelenruhig mit einer Tüte Popcorn vom Sofa aus verfolgt. Doch da wäre ja auch noch Hans-Georg Maaßen. Gleiche Partei wie Laschet, anderes Weltbild.
Hans-Georg Maaßen will Biografien von "Tagesschau"-Mitarbeitern prüfen lassen
Der frühere Chef des Bundesverfassungsschutzes ist in der CDU nur ein kleines Licht, entwickelt aber mit immer neuen Provokationen in AfD-Manier enorme Strahlkraft am rechten Rand. Der Kanzlerkandidat hatte lange versucht, Maaßen irgendwie auszublenden, der in Südthüringen für den Bundestag kandidiert. Doch nun ist ihm – zumindest hinter verschlossenen Türen – der Kragen geplatzt.
Maaßen hatte in einem Interview eine Art Gesinnungsprüfung für Journalisten beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk vorgeschlagen und Verbindungen von Mitarbeitern der „Tagesschau“ zur „linken und linksextremen Szene“ unterstellt. Belege dafür lieferte er nicht. Maaßen sprach sich für einen Untersuchungsausschuss aus, um die Biografie und die „charakterliche Eignung von einigen Redakteuren auf den Prüfstand“ zu stellen. Mit diesem Angriff auf die Pressefreiheit lieferte er nicht nur Munition für Grüne und SPD im Wahlkampf – sondern brachte auch viele Parteifreunde gegen sich auf.
Armin Laschet über Hans-Georg Maaßen: "Solche Debatten schaden uns"
Maaßen ist so etwas wie die „lose Kanone“ auf dem Unions-Wahlkampfschiff. Man muss jeden Moment damit rechnen, dass sie losgeht, weiß aber nicht so genau, wen sie trifft. Das scheint nun auch Steuermann Laschet erkannt zu haben, der durch sein Schweigen selbst in die Schusslinie zu geraten drohte. „Solche Debatten schaden uns“, sagt er laut Teilnehmern am Montag in einer Sitzung des CDU-Vorstands. Aussagen von Direktkandidaten in Südthüringen seien nicht hilfreich.
Dass er Maaßen nicht einmal beim Namen nennt, kann man als persönliche Geringschätzung interpretieren. Vor allem will Laschet damit aber die nachrangige Bedeutung des Parteifreundes demonstrieren, der sich immer mehr zum Risiko auf seinem Weg ins Kanzleramt entwickelt. Zwar beteuerte Maaßen später via Twitter, eine Gesinnungskontrolle journalistischer Arbeit durch die Politik dürfe es nicht geben. Doch da war die Debatte längst aus dem Ruder gelaufen. Zu oft schon hatte Maaßen diese populistische Methode angewandt – erst provozieren, dann relativieren.
Laschet tut sich schwer, die eigenen Leute einzufangen, die ganz bewusst am rechten Rand um Applaus werben. Das zeigt sich auch im Umgang mit dem Ökonomen Max Otte. Der ist seit Kurzem Vorsitzender der sogenannten Werte-Union, die sich als konservativer Flügel der Union versteht. Wer ihm auf Twitter folgt, wird allerdings vor allem auf AfD-Positionen stoßen. Eine Koalition mit der vom Verfassungsschutz beobachteten Partei ist für Otte kein Tabu. Mehrere Landesverbände der Werte-Union gehen deshalb auf die Barrikaden. Und auch Laschet sieht sich durch Otte und Maaßen genötigt, zu betonen, dass es nach der Bundestagswahl keine Zusammenarbeit mit der AfD geben werde: „Wir sind da ganz klar. Ich erwarte von jedem Direktkandidaten, dass er sich daran hält.“
Attacken der Grünen erinnern Armin Laschet an Trumpismus
Doch wieder liefern die Grünen dem Kanzlerkandidaten die perfekte Vorlage, um aus der Defensive zu kommen. Deren Frust über den eigenen Umfrage-Absturz entlädt sich zum Teil in brachialer Kritik an Laschet – bis hin zur Unterstellung, seine Politik sei verantwortlich für Tote auf der ganzen Welt oder die Union wolle die Schulen bewusst offenhalten, damit potenzielle Grünen-Wähler sich mit dem Coronavirus infizieren und nicht zur Wahl gehen können. Der CDU-Chef fühlt sich an „Trumpismus“ erinnert und betont, die Union werde dennoch fair bleiben und sich nicht auf dieses Level herablassen.
Selten war es so einfach, die eigenen Probleme zu verdrängen.