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Bundestag: Wie Friedrich Merz den Kanzler im Bundestag zum Glühen bringt

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Wie Friedrich Merz den Kanzler im Bundestag zum Glühen bringt

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    CDU-Chef Friedrich Merz hat sich im Bundestag angriffslustig an Bundeskanzler Olaf  Scholz abgearbeitet.
    CDU-Chef Friedrich Merz hat sich im Bundestag angriffslustig an Bundeskanzler Olaf Scholz abgearbeitet. Foto: Kay Nietfeld, dpa

    Friedrich Merz hat eine Gabe, über die nicht viele Menschen verfügen. Der CDU-Chef lockt den Bundeskanzler aus der Reserve, entzündet ihn, dass die Funken sprühen. Olaf Scholz ist nicht gerade dafür bekannt, mit Gefühlen verschwenderisch umzugehen. Doch an diesem Mittwoch redet er sich unter der Kuppel des Reichstages in Rage. "Herr Merz, unterschätzen Sie unser Land nicht", sagt der Kanzler am Anfang seiner Widerrede auf den Oppositionsführer.

    Da war er noch ruhig, doch das hielt nicht lange an. Der SPD-Mann lässt die Zettel mit dem Redetext vor sich liegen, an denen er sonst klebt wie Uhu an Kinderhänden. Er kommt schnell in Fahrt, richtet seine Worte direkt an Merz.

    Scholz zu Merz: "Sie sind schief gewickelt"

    Die Ampel-Koalition lege ein Tempo vor, zu dem eine CDU-geführte Regierung unfähig wäre. Sie löse Probleme wie das Befüllen der Gasspeicher, "bevor Sie mitbekommen haben, dass es eines war". Merz ruft mit dem ausgestreckten Arm gestikulierend von seinem Platz dazwischen. "Es ist schon erledigt, bevor Sie es ausgesprochen haben", gibt Scholz zurück. "Sie reden am Thema vorbei. (…) Insofern sind Sie also schief gewickelt", knallt der Regierungschef dem CDU-Vorsitzenden an den Kopf. Rumms.

    Er überrascht damit nicht nur CDU und CSU, sondern auch die eigenen Leute. Die SPD-Abgeordneten feiern ihren sonst so betont norddeutschen Kanzler mit begeistertem Beifall. Als sich Scholz wieder auf seinen Stuhl in der Regierungsbank setzt, wird er anerkennend von Vize-Kanzler Robert Habeck getätschelt. Der Grüne musste sich von Merz wegen seines missglückten Auftritts bei "Maischberger" am Vorabend bösen Spott anhören.

    Kanzler Olaf Scholz ließ die Attacke des CDU-Chefs nicht auf sich sitzen und keilte entschlossen zurück.
    Kanzler Olaf Scholz ließ die Attacke des CDU-Chefs nicht auf sich sitzen und keilte entschlossen zurück. Foto: Michael Kappeler, dpa

    Auch Merz hatte der Union die große Show geboten, die sie von ihrem Frontmann erwartet. Als Oppositionschef steht ihm traditionell die erste Rede der Generaldebatte zu. Formal geht es um den Haushalt für das kommende Jahr, aber für Zahlen interessiert sich niemand. Es geht um das große Ganze. Der 66-Jährige startet gedämpft, weil der Bundestag zuvor des verstorbenen Weltpolitikers Michail Gorbatschow gedachte. Ein großes Portrait in schwarz-weiß ziert den Plenarsaal. „Präsident Gorbatschow war ein Mann des Friedens. Gorbatschow veränderte die Welt zum Besseren“, hatte Bundestagspräsidentin Bärbel Bas (SPD) den Staatsmann gewürdigt.

    Merz im Bundestag: "Stoppen Sie diesen Irrsinn"

    Merz hält sich nicht lange bei der Vergangenheit auf und leitet zügig über vom letzten Präsidenten der Sowjetunion auf den Krieg Russlands gegen die Ukraine. "Herr Bundeskanzler, wir können den von Ihnen gegebenen Zusagen nicht vertrauen", sagt Merz und bezieht sich darauf, dass die Bundeswehr nächstes Jahr weniger statt mehr Geld aus dem Etat bekommt. Immer wieder nutzt Merz die zwei Worte "Herr Bundeskanzler", um Scholz Versagen und Versäumnisse vorzuwerfen. Er fängt an bei der Armee, den Waffenlieferungen an die Ukraine, um sich dann zur Energiekrise vorzuarbeiten. "Stoppen Sie diesen Irrsinn, Herr Bundeskanzler", ruft Merz und meint die Entscheidung, zwei von drei Atomkraftwerken vielleicht ein bisschen länger laufen zu lassen.

    Der Herr Bundeskanzler hört sich die Vorhaltungen verkniffenen Blicks an. Hinter ihm liegt der mühsam gezimmerte Kompromiss mit FDP und Grünen über das dritte Entlastungspaket, von dessen Kernelement – der Strompreisbremse – keiner genau weiß, wie sie funktionieren soll. In einer frischen Umfrage der Meinungsforscher von Forsa sagen 69 Prozent der Befragten, dass sie keinen Überblick über die Entlastungen haben.

    Selbst Habeck, dem Star des Kabinetts, trauen die Leute nicht zu, dass er es hinbekommt. Zwei von drei glauben nicht, dass er einen Plan gegen Energieschock und drohende Pleitewelle hat. Merz nutzt die Gelegenheit und doziert im Bundestag über Wirtschaftspolitik, um dann dem zuständigen Minister eine zu verpassen. "Mit Verlaub, wie hilflos Sie bei diesen Fragen sind, das konnte man gestern im deutschen Fernsehen beobachten", ätzte er. Habeck und Scholz schauen in diesem Moment so, wie Fußballfans schauen, wenn die eigene Mannschaft haushoch verliert. SPD-Chefin Saskia Esken regt sich furchtbar auf und meckert rein.

    Der Grünen-Minister hatte am Abend zuvor den Zuschauern erklärt, dass er diesen Winter keine Pleitewelle erwarte, weil Unternehmen wie Bäckereien einfach mal für zwei, drei Monate die Produktion stilllegen könnten, um dann wie von Zauberhand einfach neu durchzustarten. In den sozialen Medien wurde er dafür gefressen und Merz konnte sich gar nicht genug darüber freuen, Kanzler und Vize-Kanzler in einer Rede aufspießen zu können. Nach dem Duell Merz-Scholz war AfD-Fraktionschefin Alice Weidel an der Reihe, die sonst den Lautstärkeregler der Debatte verlässlich nach oben zieht. Das war dieses Mal nicht nötig, denn er war schon voll aufgedreht.

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