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Heike Heubach hält ihre erste Rede im Bundestag

Bundestag

Stiller Applaus für eine Frau, die nicht hört

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    Heike Heubach, die erste gehörlose Abgeordnete im Bundestag
    Heike Heubach, die erste gehörlose Abgeordnete im Bundestag Foto: Michael Kappeler, dpa

    Freundlicher, aufmunternder Applaus begleitet Heike Heubach ans Rednerpult. Diesen Applaus allerdings hört man kaum, weil die meisten Abgeordneten diesmal nicht in die Hände klatschen, sondern ihr mit erhobenen Händen zuwinken. Einen normalen Applaus würde Heike Heubach nicht hören, sie ist seit ihrer Kindheit taub. Das Winken aber sieht sie - und lächelt. Mit ihr im Bundestag, sagt Vizepräsidentin Aydan Özoguz, als sie die Rednerin Heubach aufruft, repräsentiere das Parlament die Menschen im Land noch ein Stück besser.

    Die 44-jährige aus Stadtbergen bei Augsburg, Industriekauffrau von Beruf, SPD-Mitglied seit 2019, Mutter von zwei Töchtern und im März für den ausgeschiedenen Abgeordneten Uli Grötsch nachgerückt, ist die erste gehörlose Abgeordnete im Bundestag – und ihr erster Auftritt vor dem Bundestag an diesem Donnerstag schon deshalb etwas Besonderes. Er endet nach knapp fünf Minuten mit stehenden Ovationen, die einen klatschend, die anderen winkend, und einer Geste der Zuneigung an ihre Fraktion: Nachdem sie ihre Rede gehalten hat, formt Heike Heubach mit beiden Händen ein Herz.

    Für ihre Rede im Plenum hat die Bundestagsverwaltung neben der Stenografenbank zwei zusätzliche Stühle für eine Gebärdendolmetscherin und eine weitere Mitarbeiterin eingerichtet, die das Redemanuskript hält. Außerdem hat Heike Heubach, anders als andere Abgeordnete, im Fraktionsblock der SPD einen festen Platz, damit die Dolmetscherinnen und Dolmetscher in ihrer Nähe das Plenargeschehen für sie übersetzen und Zwischenfragen oder Zwischenrufe für sie ins Mikrofon sprechen können. Umgekehrt könne auch sie, sagt sie, auf einen Zwischenruf reagieren - oder ihn ignorieren.

    Lichtsignale anstelle von Warntönen

    Auch ihr Abgeordnetenbüro wurde entsprechend eingerichtet und ausgerüstet: Einen Feueralarm, zum Beispiel, meldet bei Heike Heubach kein Warnton, sondern ein Lichtsignal - und auch zu Abstimmungen und anderen wichtigen Terminen im Bundestag wird sie nicht wie die anderen Abgeordneten durch eine unüberhörbar schrillende Klingel gerufen, sondern mit einer speziellen, nicht zu übersehenden Signallampe. Im Behördendeutsch heißt das: „Technische Maßnahmen zur Gewährleistung von Barrierefreiheit.“

    Der Aufwand, den der Bundestag dafür betreibt, ist enorm - die Abgeordnete Heubach allerdings will trotzdem eine Abgeordnete wie jede oder jeder andere auch sein. „Mir ist wichtig, dass ich nicht nur als gehörlose Person wahrgenommen werde“, hat sie im Frühjahr schon in einem Interview mit unserer Redaktion betont. „Mein Ziel ist es, mich in meiner parlamentarischen Arbeit mit guter Politik zu befassen.“ Auch jetzt, in ihrer ersten kurzen Rede im Plenum, vorgetragen mit temperamentvoller Gestik, verliert sie kein Wort über ihr Handicap, sondern wirbt als Mitglied im Ausschuss für Bauen, Wohnen und Stadtentwicklung ganz unspektakulär und sachlich für eine Modernisierung des Baugesetzbuches. Mehr bezahlbarer Wohnraum, schnelleres und einfacheres Bauen, weniger Flächenversiegelung und mehr Klimaschutz: Wichtige Wegmarken seien das, findet die Rednerin. „Das hilft den Menschen und der Umwelt.“ Und auch die Opposition bekommt zum Schluss ihrer Rede noch eine kleine Breitseite ab: Wenn die Kollegen von der Union immer behaupteten, ein Mehr an Klimaschutz wäre eine Belastung, dann lägen sie falsch, kritisiert Heike Heubach. „Am teuersten wird es, wenn wir nichts tun.“

    Die Nachrückerin aus Bayerisch-Schwaben ist angekommen in der großen Politik - und will dort nicht nur ein kurzes Zwischenspiel geben. Ihr Kreisverband hat sie schon wieder für die Wahl im nächsten Jahr nominiert.

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