Was zunächst nur ein Gerücht war, ist jetzt offiziell: Kanzler Olaf Scholz reist kommende Woche nach Peking. Der SPD-Politiker wird dort auf viel Distanziertheit stoßen. Einerseits hat die chinesische Regierung eine panische Angst vor Corona und lässt Auswärtige nur in Ausnahmefällen an sich heran. Die Reisevorbereitungen gestalten sich dem Vernehmen nach deshalb so schwierig wie bei noch keiner anderen Reise des Kanzlers. Hinzu kommt ein grundsätzliches Misstrauen der Staatsführung unter Xi Jinping gegenüber dem Westen.
Kanzler Olaf Scholz reist nach China
Westliche Staaten reagieren umgekehrt reserviert auf die neue Härte Chinas gegenüber den USA und Taiwan, die gleichzeitig mit einer Annäherung an Russland verbunden ist. Scholz muss sich in diesem politischen Minenfeld geschickt bewegen und kämpft dabei gleichzeitig mit der Distanz, die ihm im eigenen Land wegen seiner China-Politik entgegengebracht wird.
Der Kanzler hat gerade erst durchgesetzt, dass der chinesische Konzern Cosco einen Anteil am Hamburger Hafen kaufen darf. Die Chinesen wollten zwar 35 Prozent haben und müssen jetzt unter der 25-Prozent-Marke bleiben, doch Kritikern ist auch das noch zu viel. Die Kommunistische Partei Chinas bekomme über die Beteiligungen an europäischen Häfen „einen kompletten Überblick über die Handelsströme in Europa“, sagte CDU-Chef Friedrich Merz im Gespräch mit unserer Redaktion. Merz warf Scholz in diesem Zusammenhang vor, einen „schweren strategischen Fehler“ zu machen, und er steht damit nicht allein. Mehrere Ministerien, darunter das Auswärtige Amt, meldeten bei Scholz Sicherheitsbedenken an und sprachen sich für eine Untersagung des Deals aus. Der SPD-Politiker indes war anderer Meinung und setzte einen Kabinettsbeschluss durch.
Chinesen wollen Silex haben
Unmittelbar danach meldete das Handelsblatt, die schwedische Firma Silex wolle für 85 Millionen Euro
. Das Problem: Silex ist eine hundertprozentige Tochter des chinesischen Sai-Konzerns. Das Wirtschaftsministerium von Robert Habeck (Grüne) bestätigte den Vorgang am Freitag und prüft ihn. Sollte von dem Deal „eine Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit der Bundesrepublik ausgehen“, kann die Übernahme laut Außenwirtschaftsgesetz verboten werden.Der Kanzler wird am Freitag in Peking erwartet. Er dürfte froh sein, wenn er am Abend die Heimreise antreten kann, und das hat in erster Linie mit Xi Jinping zu tun. Der zog in den letzten zehn Jahren als Chef der Kommunistischen Partei Chinas und als Staatspräsident nicht nur enorme Befugnisse an sich, er warf mit seiner Politik auch sämtliche bis dahin geltende
über den Haufen. Die Expertinnen Katja Drinhausen und Helena Legarda vom Mercator Institute for China Studies in Berlin fassten es gerade so zusammen: Xi habe die Sicherheit seines Landes zum Schlüsselthema gemacht, sein Streben danach sei „geprägt von einer Mischung aus Selbstbewusstsein und Misstrauen".Blick auf China hat sich verändert
Westlichen Politikern fällt es zunehmend schwer, diese ideologische Mauer zu überwinden. Der Blick auf China, räumte Regierungssprecher Steffen Hebestreit ein, habe sich „in den letzten Monaten und Jahren schon verändert“. Für Scholz bedeutet das: Er will sich nicht von China abwenden, Risiken im Umgang mit dem Land aber minimieren. Das bezieht sich beispielsweise auf Rohstoffe, Lieferketten, Produktionsstätten und den Technologietransfer.
Merz erklärte, der Ukraine-Krieg und die einseitige Parteinahme Chinas zugunsten von Russland mache die Überprüfung des deutschen Verhältnisses zu China noch einmal viel dringlicher. „Die Ampel hat in ihrem Koalitionsvertrag eine neue China-Strategie verabredet, die im nächsten Frühjahr verabschiedet werden soll. Es wäre richtig gewesen, erst danach eine Reise nach China zu machen“, sagte er. Doch Scholz fahre jetzt schon, „eine Woche nach diesem Parteitag der Kommunistischen Partei, wo offen mit militärischer Gewalt gegen Taiwan gedroht und der Vorgänger von Xi Jinping unter den Augen der Weltöffentlichkeit aus dem Saal abgeführt wurde“. Zu einem schlechteren Zeitpunkt, resümierte Merz, könne Scholz gar nicht nach Peking reisen.