Bilder sind der Regierung wichtig. Wenn es bei einer Pressekonferenz um Inhalte geht, wird deren Ablauf immer öfter „aus Zeitgründen“ verkürzt oder es sind Fragen erst gar nicht zugelassen. Für die Kulisse hingegen wird Aufwand betrieben. Am Dienstag begann die zweitägige Klausurtagung der Ampel-Koalition erneut im malerischen Gästehaus der Regierung, dem für Millionen Euro renovierten Barockschloss in Meseberg.
Für eine solche Veranstaltung müssen viele Autos und Lastwagen viele Tage lang eine gute Stunde zwischen Berlin und dem kleinen brandenburgischen Ort hin- und herpendeln, reichlich Energie wird da verbraucht. Darüber hinaus steht das Gebäude die meiste Zeit des Jahres leer, kostet aber trotzdem Millionen Euro an Unterhalt und Bewachung. Die FDP fragte 2019, da war sie noch in der Opposition, ob das alles Sinn mache. Jetzt sind die Liberalen in der Regierung und geben zusammen mit SPD und Grünen offenbar der schönen Kulisse den Vorzug.
Die Bürgerinnen und Bürger sind derweil zum Sparen angehalten. Weil viele von ihnen die hohen Energiekosten nicht allein stemmen können, obwohl sie unnützes Zeug bereits über Bord geworfen haben, arbeiten SPD, Grüne und FDP gerade an einem dritten Entlastungspaket. Ob es der Öffentlichkeit noch auf der am Mittwoch endenden Klausurtagung präsentiert wird, war bis zuletzt offen. Kanzler Scholz erklärte, es fänden gerade „sehr konstruktive und auch sehr vertrauliche Gespräche“ innerhalb der Regierung statt. Man werde die Ergebnisse „sehr bald“ vorstellen. In Regierungskreisen wurde die Erwartung geäußert, dass die neuen Entlastungen – unter anderem für Rentner und Studierende – nicht mehr in Meseberg, aber noch in dieser Woche präsentiert werden.
Der Ukraine-Krieg erfordert ein neue Strategie der Bundesregierung
Mit der Energiefrage untrennbar verbunden ist das Thema der Sicherheit in Europa. Das zeigt der russische Einmarsch in die Ukraine, ohne den viele Debatten gar nicht oder nicht in dieser Schärfe geführt werden müssten. „Putin hat den Krieg nach Europa zurückgebracht“, sagte Scholz, der die sichere Versorgung mit Energie und Rohstoffen ausdrücklich unter dem Sicherheitsbegriff subsumierte. „Wir nehmen klassische Sicherheitspolitik sehr ernst, betrachten sie aber nicht isoliert“, betonte der SPD-Politiker und lenkte damit den Blick auf die Nationale Sicherheitsstrategie.
Bis Ende des Jahres will die Ampel unter Federführung von Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) Empfehlungen erarbeiten, mit denen Deutschland auf die neuen sicherheitspolitischen Herausforderungen reagieren kann. Sie sollen das Weißbuch aus dem Jahr 2016 ersetzen, das bisher die Grundlage der deutschen Sicherheitspolitik bildet. Spanien hat eine solche Strategie bereits erarbeitet, Scholz konnte sich in Meseberg von seinem Gast, dem spanischen Ministerpräsidenten Pedro Sánchez, einige Tipps geben lassen.
Deutschlands Gasspeicher füllen sich zusehends
Am Ende des Tages dürften sich die meisten Menschen in Deutschland aber vor allem um die Energiekrise sorgen. Nach Einschätzung von Scholz ist die nicht so düster wie vor wenigen Wochen noch gedacht. Die Regierung habe „wohl das Notwendige auf den Weg gebracht“, um durch den Winter zu kommen, lobte Scholz sich und seine Kabinettsmitglieder und zog als Beweis den Füllstand der Gasspeicher heran. Die sind zu etwa 83 Prozent voll und bewegen sich damit jetzt schon auf die – von der Ampel selbst gesteckte – 85-Prozent-Marke zu, die am 1. Oktober erreicht sein muss. Man könne wohl nicht sagen, „wir sind durch, aber man kann sagen, wir gucken mit sehr viel größerer Entspannung auf die Situation“, sagte Scholz.
Ob so viel Energie da ist, dass sich Schlösser davon beheizen lassen, wird sich noch herausstellen müssen. „Es ist üblich, dass Regierungen auf der ganzen Welt Gästehäuser betreiben“, lautet die offizielle Rechtfertigung für Meseberg, das unter anderem über zwölf Repräsentationszimmer, Küchen- und Lagerräume, eine Weinstube, vier große Suiten und zahlreiche weitere Räume verfügt. Auch ein Kaminzimmer ist vorhanden. Falls das mit dem Gas doch nichts wird.