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Bundesregierung: Die Regierung leistet sich rekordverdächtig viele Stellen

Bundesregierung

Die Regierung leistet sich rekordverdächtig viele Stellen

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    Bundeskanzler Olaf Scholz (Mitte) steht vor der "Kanzlertanne" in Berlin. Die Weihnachtsbeleuchtung brennt zwar nur wenige Stunden am Tag. Beim eigenen Personal ist die Regierung weniger sparsam.
    Bundeskanzler Olaf Scholz (Mitte) steht vor der "Kanzlertanne" in Berlin. Die Weihnachtsbeleuchtung brennt zwar nur wenige Stunden am Tag. Beim eigenen Personal ist die Regierung weniger sparsam. Foto: Michael Kappeler, dpa

    Mathias Middelberg gehört zu den erfahrenen Bundestagsabgeordneten. Seit 2009 ist der Niedersachse von der CDU dabei und hat erlebt, wie die eigene Regierung unter seiner Parteichefin und Kanzlerin Angela Merkel neue Stellen im Staatsapparat schuf und Parteifreunde in die nächsthöhere Besoldungsstufe schob. Besonders vor der Bundestagswahl 2021 langte die Union nochmal richtig zu. Middelberg, nun in der Opposition, musste sich bei seiner Kritik am Stellenzuwachs der Ampel-Regierung also ganz sicher sein, kein Eigentor zu schießen. „Sie machen es sich selber in der Regierung richtig fett, mit der Rekordzahl von 37 Staatssekretären“, kritisierte er im Bundestag.

    In der Tat gönnt sich die Koalition aus SPD, Grünen und FDP so viele Staatssekretäre wie noch nie. Verkehrsminister Volker Wissing beispielsweise stützt sich auf sechs dieser Stellen, zwei mehr als bei seinem Vorgänger Andreas Scheuer (CSU). Sie seien „zur Abdeckung des aus den zusätzlichen Aufgabenbereichen resultierenden Leitungsbedarfs“ geschaffen worden, begründet der FDP-Politiker den Stellenaufwuchs, der den Steuerzahler pro Monat rund 25.000 Euro kostet. Hinzu kommt das Geld für den Stab – in der Regel vier Stellen plus Kraftfahrer. Experten wie der Verwaltungswissenschaftler René Geißler weisen darauf hin, dass Bundesministerien politische Behörden seien, die nicht besser funktionieren, wenn sie mehr Personal haben. „Im Gegenteil: Sie werden noch größer, noch mehr Hierarchien, noch mehr Referate, die letztlich im Alltag gar keine Rolle spielen. Von daher ist es hochgradig dysfunktional“, sagte Geißler dem ARD-Politikmagazin Report Mainz. 

    Cem Özdemir stellt eine Tierschutzbeauftragter für eine Viertelmillion ein

    Für Kopfschütteln sorgt vor diesem Hintergrund eine neue Stelle im Landwirtschaftsministerium von Cem Özdemir. Der Grünen-Politiker stellt auf Steuerzahlerkosten einen Tierschutzbeauftragten ein. Der agrarpolitische Sprecher der CSU-Fraktion, Artur Auernhammer, verwies darauf, dass es im Ministerium „bereits eine zuständige Unterabteilung für Tierschutz“ gebe. „Trotzdem schafft die Ampel eine Stelle für einen neuen Tierschutzbeauftragten, die den Steuerzahler insgesamt 258.000 Euro im Jahr kosten wird“, erklärte Auernhammer. Das Ministerium, das unter anderem den „Leitfaden verantwortungsbewusste Katzenzucht“ herausgegeben hat, erwartet sich eine „strukturelle und institutionelle“ Stärkung des Tierschutzes in Deutschland.

    „Statt einer zielgerichteten Personalbremse sehen wir einen nie da gewesenen Stellenaufwuchs, eine Stellenwucherung“, ärgert sich der Münchner CSU-Abgeordnete Wolfgang Stefinger, und seine Bayreuther Parteifreundin Silke Launert moniert: „Ausgerechnet in einer Zeit, in welcher die Menschen an allen Ecken und Enden sparen müssen, in denen Unternehmen um ihre Existenz bangen und in der die Prioritätensetzung im Haushalt wichtiger denn je ist, bläht die Ampel-Regierung ihre Ministerien und nachgeordneten Behörden immer weiter auf.“

    Bundesregierung hat Beauftragte für dieses und jenes

    Neben den Staatssekretären und Staatsministerinnen leistet sich die aktuelle Regierung mehr als 40 Beauftragte, darunter viele neue Posten. Sie können beliebig von einem Ministerium oder vom Kanzleramt benannt werden – im Gegensatz zur Wehrbeauftragten Eva Högl (SPD) beispielsweise, die vom Bundestag gewählt wurde und deren Amt in der Verfassung verankert und klar definiert ist. 

    Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) stellte so die ehemalige Greenpeace-Chefin Jennifer Morgan als Sondergesandte für internationale Klimapolitik ein, der Dortmunder Manuel Sarrazin ist seit März „Sondergesandter der Bundesregierung für die Länder des westlichen Balkans“. Die SPD-Politikerin Reem Alabali-Radovan ist Beauftragte der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration und Deutschlands erste Regierungsbeauftragte für Antirassismus. Sven Lehmann will als erster Queer-Beauftragter „Deutschland zum Vorreiter für die Akzeptanz von Vielfalt machen“.

    Die Sonderbeauftragte der Bundesregierung für internationale Klimapolitik, Jennifer Morgan.
    Die Sonderbeauftragte der Bundesregierung für internationale Klimapolitik, Jennifer Morgan. Foto: Michael Kappeler, dpa

    Der Rechtsanwalt Mehmet Daimagüler arbeitet als erster Antiziganismus-Beauftragter, erster „Meeresbeauftragter“ der Ampel ist Sebastian Unger. „Mit seiner Ernennung unterstreicht die Bundesregierung die wachsende Bedeutung des Meeresschutzes und die Führungsrolle, die Deutschland dabei einnehmen will“, lautet die Begründung für diese Stelle. Daniela Kluckert (FDP) wurde Deutschlands erste „Beauftragte für Ladesäuleninfrastruktur“, sie ist eine der Staatssekretärinnen von Volker Wissing. Hinzu kommen Posten wie der des Patientenbeauftragten, den es schon länger gibt und dessen Sinn nicht mehr infrage gestellt wird. Andere müssen erst noch beweisen, ob und wozu sie taugen.

    Mit Stand Oktober hatte die Ampel eigenen Angaben zufolge 42 Beauftragte und Koordinatoren. Noch einmal drei mehr als in der letzten Wahlperiode. Sie sind laut Geschäftsordnung der Ministerien „bei allen Vorhaben, die ihre Aufgaben berühren, frühzeitig zu beteiligen“. Eine Anfrage des CDU-Abgeordneten Hubert Hüppe gibt eine ungefähre Vorstellung davon, was das die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler kostet. Für das Auswärtige Amt fielen 2021 und in diesem Jahr für acht Beauftragte beispielsweise rund 1,4 Millionen Euro an, die Personalkosten der Arbeitsstäbe beliefen sich auf rund drei Millionen Euro. Das Arbeitsministerium verbrauchte von 2018 bis 2022 demnach 691.000 Euro für zwei Beauftragte, der Arbeitsstab kostete stolze 4,75 Millionen. Immerhin: Nur der Queer-Beauftragte nutzt den ihm als Staatssekretär zur Verfügung stehenden Dienstwagen samt Fahrer auch für seine Aufgaben als Beauftragter; die übrigen Beauftragten haben keinen eigenen Dienstwagen.

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