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Bundesregierung: Das Kabinett schließt einen "Kuhhandel"

Bundesregierung

Das Kabinett schließt einen "Kuhhandel"

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    Kanzlerin Angela Merkel schaltet auf Krisenbewältigungsmodus. Nach ersten Informationen hat man sich in der Koalition auf einen Deal geeinigt: Die Praxisgebühr fällt, das Betreuungsgeld kommt.
    Kanzlerin Angela Merkel schaltet auf Krisenbewältigungsmodus. Nach ersten Informationen hat man sich in der Koalition auf einen Deal geeinigt: Die Praxisgebühr fällt, das Betreuungsgeld kommt. Foto: Archivbild, Thierry Roge dpa

    Rainer Brüderle hat es am eiligsten. „Die Fragen, die noch offen sind, werden schneller geklärt, als Sie meinen“, verspricht der Fraktionsvorsitzende der FDP. Obwohl sein eigener Parteichef am Wochenende der Union noch damit gedroht hat, die Einführung des Betreuungsgeldes, Ursula von der Leyens Rentenreform oder die von Familienministerin Kristina Schröder geplante Großelternzeit zu stoppen, haben Philipp Rösler, Angela Merkel und Horst Seehofer nun offenbar in den Krisenbewältigungsmodus geschaltet: Nach Informationen unserer Zeitung sind der Wegfall der Praxisgebühr von zehn Euro pro Quartal und die Einführung des

    Spitzentreffen findet am 4. November statt

    Rösler selbst sagt lediglich: „Ich bin guter Dinge.“ Öffentlich zelebrieren wollen die Regierungsparteien ihre Einigung erst nach einem Spitzentreffen am 4. November, bei dem es auch um einen Rentenzuschlag für Geringverdiener und die Stromsteuer geht, die die Liberalen gerne senken würden. Ihren Widerstand gegen das Betreuungsgeld von anfangs 100 und später 150 Euro pro Monat haben sie dagegen aufgegeben – wenn auch nicht kampflos.

    Eine Sozialleistung, wie das Betreuungsgeld, „muss etwas mit Bildung zu tun haben“, verlangt Rösler. Deshalb sollen Eltern, die ihre Kinder in den ersten drei Jahren nicht in die Krippe geben, die neue Prämie auch zum „Bildungssparen“ verwenden, was immer das am Ende konkret heißt. Außerdem erwartet Rösler von der Union noch einen Vorschlag zur Finanzierung des Betreuungsgeldes, das je nach Rechenmodell zwischen 1,7 und 2,2 Milliarden Euro pro Jahr kosten wird. Die Konsolidierung des Haushaltes, sagt er, sei für die Liberalen das zentrale Thema. „Und ich bin auch guter Dinge, dass das gelingen kann.“

    Rösler scheut einen abrupten Kurswechsel

    Bei der Praxisgebühr beharrte Rösler in seinen Telefonaten mit der Kanzlerin und CSU-Chef Seehofer am Wochenende auf einer Abschaffung. Unter anderen Umständen, heißt es im Flurfunk der Liberalen, hätte er möglicherweise auch die Reduzierung der Krankenkassenbeiträge von 15,5 auf 15,2 Prozent akzeptiert, wie sie die CSU-Landesgruppe in der vergangenen Woche vorgeschlagen hatte. Die Debatte um die umstrittene Gebühr allerdings hat inzwischen eine Dimension erreicht, bei der Rösler ein abrupter Kurswechsel vermutlich als mangelnde Durchsetzungsfähigkeit ausgelegt worden wäre. Genau diesen Eindruck allerdings will der FDP-Vorsitzende angesichts der aktuellen Umfragewerte von weniger als fünf Prozent nicht erwecken.

    Die Union sieht die Sache deutlich gelassener. Nach Wochen der wechselseitigen Vorwürfe sei es ja schon ein Wert an sich, dass die drei Koalitionsparteien sich nun wieder zusammensetzten, sagt Stefan Müller, der Geschäftsführer der CSU-Landesgruppe. Von Tauschgeschäften nach dem Motto „Streiche Praxisgebühr, gebe Betreuungsgeld“ hält der junge Erlanger Abgeordnete zwar nicht viel. Andererseits jedoch sind solche Geschäfte in der Politik nicht unüblich – nur heißt der Kuhhandel dann nicht

    Rösler: Stimmung in der Koalition ist „nach wie vor gut“

    Welche Rentenreform Union und FDP am 4. November in dieses Paket legen, ist allerdings auch nach den Telefongesprächen vom Wochenende noch unklar. Dem Vernehmen nach sollen Mütter, deren Kinder vor 1992 geboren wurden, bei der

    Das ist Angela Merkel

    Angela Dorothea Merkel kam am 17. Juli 1954 als erste Tochter von Horst und Herlind Kasner in Hamburg zur Welt. Die Mutter arbeitete als Lehrerin, der Vater ist evangelischer Theologe.

    Kurz nach ihrer Geburt zog die Familie in die DDR.

    Ab 1961 besuchte Angela Merkel die Polytechnischen Oberschule in Templin. 1973 machte sie an der Erweiterten Oberschule in Templin ihr Abitur mit 1,0.

    Anschließend studierte sie Physik an der ehemaligen Karl-Marx-Universität in Leipzig. Bei einem Studentenaustausch mit Moskau und Leningrad lernte sie den Physiker Ulrich Merkel kennen, den sie 1977 heiratete. Die Ehe hielt vier Jahre.

    An der Akademie der Wissenschaften in Berlin, wo sie am Zentralinstitut für physikalische Chemie arbeitete, lernte Merkel ihren aktuellen Lebensgefährten Joachim Sauer kennen. Das Paar heiratete 1998.

    Der Titel ihrer Doktorarbeit lautet: "Untersuchung des Mechanismus von Zerfallsreaktionen mit einfachem Bindungsbruch und Berechnung ihrer Geschwindigkeitskonstanten auf der Grundlage quantenchemischer und statistischer Methoden". Angela Merkel hat die Arbeit 1986 eingereicht.

    Merkel war kein SED-Mitglied, aber auch nicht im zivilen oder kirchlichen Widerstand gegen das Regime aktiv. Erst in der Umbruchphase am Ende der 80er Jahre hat sie sich politisch engagiert. Sie arbeitete erst ehrenamtlich, später hauptberuflich für die Partei "Demokratischer Aufbruch".

    Nach dem Wahldebakel ihrer Partei 1990 schloss sich Angela Merkel der CDU an. Am 3. desselben Jahres wurde sie Ministerialrätin im Bundespresse- und Informationsamt.

    Kohls nominierte sie im November 1990 überraschend als Bundesministerin für Frauen und Jugend. Den schnellen Quereinstieg verdankt sie vor allem ihrem Gönner Helmut Kohl. Angela Merkel wird deshalb auch "Kohls Mädchen" genannt.

    Im Oktober 1994 übernahm sie im Kabinett Kohl das Bundesministerin für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit.

    Anlässlich der CDU-Spendenaffäre 1999, in die Helmut Kohl verstrickt war, kritisierte sie ihren Wegbereiter öffentlich und distanzierte sich von ihm.

    Als Schäuble im Februar 2000 als Partei- und Fraktionsvorsitzender zurücktrat, übernahm Angela Merkel den Vorsitz. Auf dem CDU-Bundesparteitag in Essen wurde sie mit überwältigender Mehrheit zur neuen DCU-Chefin gewählt.

    Seit 22. November 2005 ist Angela Merkel Bundeskanzlerin der Bundesrepublik Deutschland. Sie ist die erste Frau an der Spitze Deutschlands, das erste Staatsoberhaupt aus den neuen Bundesländern und war 51 Jahren die jüngste Amtsinhaberin.

    Zentrale Bestandteile ihrer Regierungsarbeit waren zunächst Klima- und Energiepolitik sowie die Vertiefung transatlantischer Beziehungen. Später standen die Finanzkrise und ihre weitreichenden Folgen an der Spitze der Agenda.

    Merkel galt als Befürworterin der Stromerzeugung durch Kernenergie. Nach der Reaktorkatastrophe in Fukushima 2011 änderte sie offiziell ihre positive Meinung zur Atomkraft.

    Bundeskanzlerin Angela Merkel ist für «Forbes» der zweitmächtigste Mensch der Welt. Das US-Magazin platzierte die CDU-Politikerin 2012 direkt hinter US-Präsident Barack Obama.

    2013 holte Angela Merkel für die CDU den Sieg bei der Bundestagswahl.

    Die Stimmung in der Koalition beschreibt der FDP-Chef als „nach wie vor gut“. Diese Meinung aber, so scheint es, hat der 39-Jährige exklusiv. Den Ärger der Union über Röslers Attacke vom Wochenende, sagt ein einflussreicher FDP-Mann, „kann ich gut verstehen“.

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