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Bundespräsidentenwahl: Vom blassen Funktionär zum Gewissen der Nation: Frank-Walter Steinmeier im Porträt

Bundespräsidentenwahl

Vom blassen Funktionär zum Gewissen der Nation: Frank-Walter Steinmeier im Porträt

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    Frank-Walter Steinmeier ist seit 2017 Bundespräsident Deutschlands. Nun steht seine mögliche Wiederwahl an.
    Frank-Walter Steinmeier ist seit 2017 Bundespräsident Deutschlands. Nun steht seine mögliche Wiederwahl an. Foto: Ralf Hirschberger, dpa

    Vor fünf Jahren, Frank-Walter Steinmeier ist gerade frisch zum Bundespräsidenten gewählt, da sagt er: "Lasst uns mutig sein, dann ist mir um die Zukunft nicht bange." Welche Herausforderungen diese Zukunft dem Land und damit auch seinem höchsten politischen Würdenträger bringen wird, kann er da nicht ahnen. Niemand rechnet damit, dass drei Jahre darauf ein Virus auf den Plan tritt, das viele Menschenleben kostet, das gesellschaftliche Leben völlig auf den Kopf stellt und schließlich auch das Vertrauen zwischen Bürgern und Staat in seinen Grundfesten erschüttert. Steinmeier, dem lange der Ruf des eher langweiligen Leisetreters anhaftet, wandelt sich zum Kämpfer gegen eine drohende Spaltung der Gesellschaft, der die "stille Mitte" eindringlich auffordert, lauter zu werden, und denen, die Hass und Gewalt auf die Straßen tragen, die Stirn zu bieten.

    Welche Verachtung gegen Andersdenkende sich teils bei Demonstrationen oder sogenannten "Spaziergängen" der Gegner der Corona-Maßnahmen Bahn bricht, das erfüllt den 66-Jährigen mit tiefer Sorge. Wo rechtsextreme Kräfte versuchen, die Pandemie für ihre Zwecke zu instrumentalisieren, fordert er die ganze Härte des Rechtsstaats. Doch er schert nicht alle, die bei den "Querdenker-Demos" mitlaufen, über einen Kamm. Dass er Ängste ernst nimmt, Impfskeptikern geduldig zuhört, bringt ihm auch Kritik ein.

    Steinmeier hat Wandel vom grauen Funktionär zur geachteten Instanz vollzogen

    Steinmeier mahnt unablässig zum Dialog und versucht, den vielen Bürgerinnen und Bürgern abhanden gekommenen Optimismus zu stärken. "Wir leben im besten Deutschland, das es jemals gegeben hat", sagt Steinmeier etwa 2020 anlässlich des 30. Jahrestags der Deutschen Einheit. In fünf Jahren und besonders zuletzt ist es dem Ausbund staatstragender Seriosität gelungen, was viele ihm zuvor kaum zugetraut hätten: Er hat den Wandel vom grauen Funktionär zur weißhaarigen, hochgeachteten Instanz vollzogen, ist streitbarer Verteidiger der Demokratie und mutiger Kämpfer gegen gesellschaftliche Spaltung geworden.

    Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und seine Frau Elke Büdenbender zu Gast im Museum Folkwang in Essen.
    Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und seine Frau Elke Büdenbender zu Gast im Museum Folkwang in Essen. Foto: Oliver Berg, dpa

    Aus Brakelsiek in Nordrhein-Westfalen ins Schloss Bellevue

    Dass der Bundespräsident nie einen Hehl daraus gemacht hat, dass er aus einfachen Verhältnissen stammt, kommt an bei den Menschen im Land, quer durch alle sozialen Schichten. Steinmeier verkörpert das alte sozialdemokratische Versprechen des Aufstiegs durch Bildung. Der Sohn eines Tischlers und einer Fabrikarbeiterin wächst im 1000-Einwohner-Dorf Brakelsiek im ländlich geprägten Lipper Bergland in Nordrhein-Westfalen auf. Er kickt beim örtlichen TuS 08, seine Vereinskameraden verpassen ihm den Spitznamen "Prickel".

    Er ist der Erste seiner Familie, der das Gymnasium besucht. Anschließend absolviert er bei der Luftwaffe den Wehrdienst, danach studiert er Jura. 1991 tritt er zunächst als Medienreferent in die niedersächsische Staatskanzlei ein. Dort wird der Hausherr schnell auf den jungen Beamten aufmerksam, der als Student dem SPD-Nachwuchs beigetreten war. Ministerpräsident Gerhard Schröder macht Steinmeier zu seinem Büroleiter und nimmt ihn mit nach Berlin, als er 1998 Bundeskanzler wird. Als Schröders Kanzleramtsminister und engster Vertrauter ist Steinmeier entscheidend an den Hartz-IV-Reformen beteiligt, die in der SPD vielen bis heute als Sündenfall gelten.

    Angela Merkel als Steinmeiers Gegnerin und Vertraute

    Als Schröder 2005 nach verlorener Vertrauensfrage Neuwahlen ausruft, die seine SPD knapp verliert, scheint auch die Karriere Steinmeiers an ihr vorläufiges Ende gekommen zu sein. Doch die SPD tritt einer Großen Koalition unter Angela Merkel bei und Steinmeier wird Bundesaußenminister. Auch zu Merkel entwickelt er ein enges Vertrauensverhältnis, was ihn aber nicht hindert, 2009 gegen sie anzutreten. Mit ihm als Spitzenkandidat holt die SPD mit 23 Prozent ihr bis dato schlechtestes Bundestagswahlergebnis. Die Union regiert mit der FDP weiter.

    Bundeskanzler Olaf Scholz (links) erhält von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier im Schloss Bellevue die Ernennungsurkunde.
    Bundeskanzler Olaf Scholz (links) erhält von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier im Schloss Bellevue die Ernennungsurkunde. Foto: Bernd von Jutrczenka, dpa

    Als SPD-Fraktionschef und damit Oppositionsführer bleibt Steinmeier eher blass, wie zuvor im Wahlkampf zeigt sich, dass die Attacke ihm weniger liegt als die leisen, versöhnlichen Töne. Als es nach der Bundestagswahl 2013 erneut zur Großen Koalition kommt, kehrt Steinmeier zurück. Abermals wird er Merkels Außenminister und bleibt es, bis er Anfang 2017, kurz vor seiner Wahl zum Bundespräsidenten, zugunsten von Sigmar Gabriel zurücktritt. Steinmeier wird am 22. März 2017 als Nachfolger von Joachim Gauck im formal ranghöchsten politischen Amt der Republik vereidigt.

    Steinmeier als Wegbereiter der Großen Koalition

    Schon kurze Zeit später ist sein Geschick als Vermittler, Brückenbauer und Versöhner gefragt. Nach der Bundestagswahl im Herbst 2017 platzen die Träume von einer Jamaika-Koalition aus Union, Grünen und FDP. Steinmeier gemahnt die widerstrebende SPD an ihre staatspolitische Verantwortung und drängt sie sanft, aber bestimmt, in eine abermalige Große Koalition. Die ist nun Geschichte, Olaf Scholz ist als SPD-Bundeskanzler in die Fußstapfen des Steinmeier-Entdeckers Gerhard Schröder getreten. Schon zuvor, im vergangenen Mai, signalisiert Steinmeier, dass er eine zweite Amtszeit anstrebt. Der Sieg der SPD bei der Bundestagswahl aber mehrt die Fragezeichen hinter seiner Wiederwahl zunächst eher.

    Das ehrwürdige Amt des Bundespräsidenten ist in Koalitionsgesprächen nämlich immer wieder schnöder Teil der Verhandlungsmasse. Und die Grünen konnten sich eine der ihren, Katrin Göring-Eckardt etwa, gut als erste Frau im Schloss Bellevue vorstellen. Doch die FDP pochte auf Steinmeier, die grünen Träume platzten. Selbst die unsanft in der Opposition gelandete Union sprach sich für den Mann aus, den viele in CDU und CSU als verlässlichen Partner aus großkoalitionären Zeiten schätzen. Die Gegenkandidatin Stephanie Gebauer, nominiert von den Freien Wählern, Gerhard Trabert (Linkspartei) und Max Otte, umstrittener CDU-Mann auf AfD-Ticket, waren ohne Chance. Steinmeier wurde heute mit einer breiten Mehrheit im Amt bestätigt.

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