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Bundeskanzlerin: Regierungsbefragung: Angela Merkel ist von aller Last befreit

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Regierungsbefragung: Angela Merkel ist von aller Last befreit

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    Kanzlerin Angela Merkel (CDU) bei ihrer vermutlich letzten Regierungsbefragung im Bundestag.
    Kanzlerin Angela Merkel (CDU) bei ihrer vermutlich letzten Regierungsbefragung im Bundestag. Foto: Kay Nietfeld, dpa

    Zum Ende der Regierungsbefragung wird es im Bundestag dann doch noch richtig menschlich. Eine gute Stunde schon hat Kanzlerin Angela Merkel auf der Regierungsbank im Stehen verbracht und sich den mehr oder weniger schlauen Fragen der Abgeordneten gestellt.

    "Seit Sie Kanzlerin sind, können sich Mädchen vorstellen, Kanzlerin oder auch Politikerin zu werden", stellt Schauws zunächst fest. Die frauenpolitische Sprecherin der Grünen will dann von Merkel wissen, ob die nicht auch der Meinung sei, "dass es am besten wäre, wenn es in diesem Land auch weiterhin" eine Kanzlerin gäbe? Die 66-jährige Amtsinhaberin hält kurz inne, legt die Hände ineinander, lächelt, lacht und freut sich. Es geht da gerade bei ihr offensichtlich um mehr als nur diese Frage. Die Last von 16 Jahren Kanzlerschaft, die Marathonsitzungen in Brüssel und Berlin, die Gipfelnächte in allen Teilen der Welt, die Tage mit wenig oder gar keinem Schlaf scheinen in diesem Augenblick von der CDU-Politikerin abzufallen. Der Kanzlerin wird in diesem Moment noch einmal deutlich bewusst, so scheint es zumindest, dass sie es bald geschafft hat.

    Wer folgt Merkel im Kanzleramt - Laschet oder Baerbock?

    Noch ein paar Wochen, dann kann sie den Politikbetrieb hinter sich lassen. Wie sehr sie dieses Ende herbeisehnt, lässt ihre Antwort auf die Frage der Abgeordneten Schauws erahnen. Merkel weiß natürlich, dass die einzige Spitzenkandidatin für die Bundestagswahl Annalena Baerbock von den Grünen ist und ihr gerade eine Fangfrage gestellt wurde. Würde sie der Ausgang der Wahl interessieren, könnte sie jetzt prominent Werbung für den Spitzenkandidaten der Union machen. Doch Merkel sagt nicht etwa, dass es der Mann Armin Laschet auch gut machen würde. Merkel sagt lächelnd: "Ich bin der Meinung, dass nach 16 Jahren Angela Merkel die Bürgerinnen und Bürger mündig genug sind, eine Entscheidung zu treffen, wen sie als Kanzler möchten oder als Kanzlerin."

    Die Grünen-Politikerin Annalena Baerbock als nächste Kanzlerin? Amtsinhaberin Angela Merkel (CDU) wäre offenbar nicht abgeneigt.
    Die Grünen-Politikerin Annalena Baerbock als nächste Kanzlerin? Amtsinhaberin Angela Merkel (CDU) wäre offenbar nicht abgeneigt. Foto: Kay Nietfeld, dpa

    Merkel wirkte in den letzten Wochen oft müde, abgespannt. Im Wahlkampf wird sie mitwirken, aber keine tragende Rolle spielen. Es kann also gut sein, dass es ihr tatsächlich egal ist, wer die nächste Regierung anführt. Ihr Satz lässt sich aber durchaus auch als Plädoyer pro Baerbock verstehen. Denn Merkel ist überhaupt nicht damit einverstanden, dass in der Spitzenpolitik so wenig Frauen mitmischen, wie aus ihrer Antwort auf eine andere Frage der Abgeordneten Schauws hervorgeht. "Viele Erstwählerinnen und Erstwähler kennen dieses Land nur mit Ihnen als Kanzlerin und trotzdem hat sich nach 16 Jahren ihrer Zeit als Regierungschefin der Frauenanteil im Bundestag nicht erhöht – im Gegenteil, er ist gesunken", sagt die und fährt fort: "Deshalb die Frage: Ist das aus Ihrer persönlichen Sicht ausreichend mit diesem Anteil von Frauen im Bundestag?"

    Merkel: Nicht genug Frauen im Parlament

    Merkel, die 1990 das erste Mal ins Parlament gewählt wurde, theorisiert zunächst ein wenig über die Tücken des Wahlrechts, das selbst bei paritätisch besetzten Listen für die Bundestagswahl keinen ausgeglichen besetzten Bundestag garantiert, um es dann auf den Punkt zu bringen. "Nein, das ist absolut nicht ausreichend", erklärt sie und ergänzt: "Ich bin damit nicht zufrieden und ich werde auch erst zufrieden sein, wenn das Verhältnis 50 zu 50 ist."

    In Sitzungswochen können Abgeordnete Fragen an die Bundesregierung stellen. Die Antworten geben üblicherweise Minister oder Staatssekretäre. Merkel ist drei Mal im Jahr dran, nämlich vor Ostern, vor der Sommerpause und vor Weihnachten. Diese Regierungsbefragung ist ihre zehnte – und aller Voraussicht nach die allerletzte.

    Kanzlerin Merkel lässt die AfD auflaufen

    Nicht wenige Abgeordnete nutzen die Gelegenheit, um sich im Licht der Kanzlerin zu sonnen. Sie wissen, dass das Medieninteresse bei Regierungsbefragungen mit Merkel größer ist als sonst. Manch einer und manch eine überschätzt sich dabei. Der AfD-Abgeordnete Albrecht Glaser etwa will die Kanzlerin beim Thema EU-Vertragsverletzungsverfahren aufs Glatteis führen. Doch der Versuch scheitert. Merkel hat in langen Brüsseler Nächten Dutzende Regierungschefs und –chefinnen in die absolute Erschöpfung getrieben. Da bringt sie ein einzelner Parlamentarier nicht aus dem Takt. Ein anderer AfD-Abgeordneter fragt nach der Wirksamkeit von PCR-Tests und will so das Regierungshandeln in der Corona-Krise diskreditieren. Merkel kontert mit einem detailreichen medizinischen Vortrag, den der Virologe Christian Drosten vermutlich nicht besser hätte halten können.

    Bundeskanzlerin Angela Merkel verlässt den Plenarsaal im Deutschen Bundestag. Die große Handtasche ist wie immer dabei. Es war die mutmaßlich letzte Regierungsbefragung während der Plenarsitzung in ihrer Amtszeit.
    Bundeskanzlerin Angela Merkel verlässt den Plenarsaal im Deutschen Bundestag. Die große Handtasche ist wie immer dabei. Es war die mutmaßlich letzte Regierungsbefragung während der Plenarsitzung in ihrer Amtszeit. Foto: Christoph Soeder, dpa

    Die Kanzlerin ist auch bei Fragen zum Bundeshaushalt, zur Bundeswehr oder zur Rente gut im Stoff. Pro Abgeordnetem ist eine Nachfrage zugelassen, auch die bringen sie nicht aus der Ruhe. Für Irritationen sorgt bei ihr höchsten das gelbe Licht, das das nahende Ende der Redezeit anzeigt. Sie habe ja "noch so viele Gedanken" im Kopf, sagt Merkel und schmunzelt: "Bei Gelb fährt man nicht mehr los und da fragt man sich: Darf ich den nächsten Satz noch anfangen?"

    Abschiedsworte gibt es bei dieser Regierungsbefragung nicht zu hören. Dafür ist noch Zeit, der Bundestag wird außerplanmäßig mindestens Anfang September noch einmal zusammentreten. Nachdem sie den letzten Satz gesagt hat, schnappt sich Merkel also ihre große Handtasche, setzt ihre Maske auf. Und geht.

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