Als Olaf Scholz zur mitternächtlichen Stunde in der Blaulicht-Kolonne auf der Autobahn vom Flughafen nach Stockholm fährt, wird er jäh ausgebremst. Der Bundeskanzler ist gerade mit der Regierungsmaschine angekommen, die in Oslo abgehoben war. Es ist nur eine Fahrbahnverengung, die den SPD-Politiker in seiner schweren schwarzen Limousine und seine Polizei-Eskorte zwingt, das Tempo von 110 auf 30 Stundenkilometer zu drosseln.
Aber die Szene hat Symbolkraft: Wo Scholz mit Volldampf hinwill, baut sich nicht selten ein Hindernis auf. Hier in Skandinavien und anderswo in Europa.
Bevor er in Stockholm gelandet ist, hat Scholz in Norwegen Ukraine und der daraus resultierenden Gasmangellage in Deutschland ist diese Funktion noch wichtiger geworden. Der Kanzler kommt als Bittsteller. Der norwegische Ministerpräsident Jonas Gahr Store empfängt den Gast überaus freundlich, sagt, es sei historisch und wichtig, Scholz in Oslo begrüßen zu können. Mehr Gas allerdings kann er den Deutschen gerade nicht versprechen.
gesprochen. Das Land ist ein wichtiger Gaslieferant, nach dem Einmarsch der Russen in dieNorwegen kann seine Gas-Lieferung an Deutschland nicht ohne Weiteres steigern
"Norwegen liefert maximal das, was wir liefern können", sagt Store. Die Fördermenge sei bereits erhöht worden, das Gas komme aber nun mal nicht von der norwegischen Regierung. Es komme von den Unternehmen und "da brauche es manchmal eben auch ein wenig Zeit", bremst Store die deutschen Erwartungen. Ein Stopp-Signal ist das allerdings nicht. In Berlin wird man sich weiterhin auf Oslo verlassen können, auch nach dem Winter wird Norwegen Gas liefern und helfen, die deutschen Gasspeicher zu füllen.
Eine engere Zusammenarbeit deutet sich bei der wichtigen Frage der CO2-Einlagerung an. "Ohne die Abscheidung und anschließende Speicherung des Treibhausgases wird man die Klimaschutzziele nicht erreichen können", sagt Store. Norwegen könnte tief unter der Nordsee das gesamte in Europa produzierte Treibhausgas speichern, um es später wieder als Rohstoff zu benutzen.
Bundeskanzler Scholz zeigt Interesse an der umstrittenen CCS-Technologie
Bei Scholz stößt er mit dem Thema auf offene Ohren. Die sogenannte CCS-Technologie ist in Deutschland zwar umstritten. Aber der Kanzler findet sie "faszinierend". Es habe "in den letzten Jahren große, beeindruckende technologische Entwicklungen" gegeben, sagt er, weiß aber, dass mindestens der grüne Koalitionspartner das etwas anders sieht. Viele fürchten dauerhafte Schäden für Mensch und Natur. Die Alternative für Scholz: in Produktionsprozessen anfallendes CO2 auffangen und es sofort weiterverarbeiten.
Tags darauf bei seinem Besuch im Nachbarland Schweden geht es auch um Energie. Hier wird wie in Deutschland über eine Laufzeitverlängerung der noch ans Netz angeschlossenen Atomkraftwerke diskutiert. Die Regierung in Berlin hat sich . Die schwedische Ministerpräsidentin Magdalena Andersson, wie ihr deutscher Gast einst für das Finanzministerium verantwortlich, verspricht der Opposition immerhin Gespräche. Sie ist gerade im Wahlkampf und muss, wie Scholz in der Ampel, Kompromisse eingehen, damit sie an der Macht bleiben kann.
In Schweden dominiert der geplante Nato-Beitritt die Gespräche
Noch dominierender ist der geplante Nato-Beitritt der Schweden. Scholz befürwortet ihn stark, Deutschland hat den Schritt schon ratifiziert. Aber ein paar Mitglieder der Allianz stehen noch im Weg, vor allem Ankara. "Ich bin zuversichtlich, dass diejenigen Staaten, die noch nicht ratifiziert haben, das noch tun werden. Auch die Türkei", sagt der Kanzler. Alle seien bemüht, seine Zuversicht sei groß, "dass es jetzt sehr schnell gehen wird", ergänzt der Regierungschef, vermeidet es aber bewusst, ein Datum zu nennen. Als Konsequenz aus dem russischen Angriff auf die Ukraine wollen Schweden und Finnland dem Militärbündnis beitreten. Beide Länder sind bereits seit langem enge europäische Partner der Allianz und erfüllen bereits jetzt alle Nato-Standards.
Andersson und Scholz bekräftigen die Unterstützung beider Länder für die Ukraine. Präsident Selenskyj hat mehrfach erklärt, er wolle die Krim von den Russen zurückerobern. Ob das vom Völkerrecht und dem Recht auf Selbstverteidigung gedeckt wäre? Ob er dafür die Waffen benutzen dürfte, die Deutschland und Schweden in die Ukraine geliefert haben? Das sind schwer zu beantwortende Fragen. Die Waffenlieferungen dienten dazu, dass die Ukraine "die Integrität und die Souveränität ihres eigenen Staatsgebietes und Territoriums verteidigen kann", sagt der Kanzler und vermeidet damit diplomatisch eine Festlegung.
Zum Schluss der Reise hat Scholz dann endlich mal freie Bahn. Auf dem Werksgelände des Nutzfahrzeuge-Herstellers Scania, eine hundertprozentige VW-Tochter, darf er einen Elektro-Lkw steuern. Der Laster zieht geräuschlos seine Bahn, keine Hindernisse, keine Bremser.
Scholz hat sichtlich Spaß, freut sich über den gelungenen Termin. Als er aussteigt, strahlt er, sagt er zu den schwedischen Journalisten: "I want to become a Truckdriver". So abwegig ist das nicht. Als Lastwagenfahrer könnte er alle Hindernisse einfach so aus dem Weg räumen.