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Bundesinnenministerin verbietet rechtsextremes Compact-Magazin: Ein Novum in Deutschland

Medienverbot

Verbot für Compact-Magazin: Zu weit rechts

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    Jürgen Elsässer, Chefredakteur des nun verbotenen «Compact»-Magazins, bei der Durchsuchung seines Hauses durch die Polizei.
    Jürgen Elsässer, Chefredakteur des nun verbotenen «Compact»-Magazins, bei der Durchsuchung seines Hauses durch die Polizei. Foto: Sven Kaeuler, dpa

    Die Redaktion machte während der Corona-Pandemie mit Schlagzeilen wie „Impfdiktatur“ auf, rückte Gesundheitsminister Karl Lauterbach auf dem Titel in die Nähe von Adolf Hitler und verkaufte den „Höcke-Taler“. Seit dem frühen Dienstagmorgen ist Schluss mit dem Magazin Compact, Bundesinnenministerin Nancy Faeser hat die Monatspublikation mit der Begründung verboten, es handele sich um ein „zentrales Sprachrohr der rechtsextremistischen Szene“.

    Der Vorgang scheint einmalig in der Nachkriegsgeschichte. Faeser wendete das Vereinsrecht an, mit dessen Hilfe üblicherweise extremistische Gruppen wie zuletzt die „Hammerskins Deutschland“ verboten werden. Der SPD-Politikerin zufolge können jedoch auch Medienunternehmen „unter bestimmten Voraussetzungen durch Vereinsverbote verboten werden“. Voraussetzung dafür ist, dass sie sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung stellen.

    Grenzüberschreitungen und Revolutionsrhetorik: So wird das Compact-Verbot begründet

    Compact fällt nach Faesers Einschätzung in diese Kategorie. „Dieses Magazin hetzt auf unsägliche Weise gegen Jüdinnen und Juden, gegen Menschen mit Migrationsgeschichte und gegen unsere parlamentarische Demokratie“, erklärte sie. Das völkisch-nationalistische Konzept bediene sich einer „Widerstands- und Revolutionsrhetorik“ und nutze gezielte Grenzüberschreitungen ebenso wie verzerrende und manipulative Darstellungen. Neben dem Magazin untersagte Faeser die Tätigkeit der „Conspect Film GmbH“.

    Einsatzkräfte durchsuchten in den frühen Morgenstunden Wohnungen und andere Liegenschaften in Brandenburg, Hessen, Sachsen und Sachsen-Anhalt, die Verlagsbeteiligten gehören sollen. Der als Rechtsextremist bekannte Chefredakteur Jürgen Elsässer (früher überzeugter Kommunist) wertete das Verbot nach Angaben der Nachrichtenagentur dpa dabei als „ungeheuerlichen Vorgang“ und beispiellosen Eingriff in die Pressefreiheit.

    Elsässers Medium und seine verschiedenen Ausspielkanäle stehen im Fokus des Verfassungsschutzes. „Hauptmerkmal der verbreiteten Beiträge ist die Agitation gegen die parlamentarische Demokratie im Allgemeinen und gegen die Bundesregierung im Besonderen“, lautet das Resümee der Behörde. „Wir wollen dieses Regime stürzen“, zitierten die Verfassungsschützer eine Forderung Elsässers von der Comapct-Homepage aus dem Juni vergangenen Jahres.

    Compact-Chef Elsässer: „Die da oben zum Teufel jagen“

    Elsässer hatte zuletzt vor den im Herbst bevorstehenden Landtagswahlen in Ostdeutschland politische Kundgebungen abgehalten. Deren Motto lautet „Die Blaue Welt“ – Blau ist die Parteifarbe der AfD. Ein Video von einem Auftritt Anfang Juli in Dresden zeigt ihn, wie er Beleidigungen gegen die Grünen austeilt, die Parteivorsitzende Ricarda Lang als „Bio-Tonne auf zwei Beinen“ bezeichnet. Den CDU-Verteidigungspolitiker Roderich Kiesewetter schimpft er einen Kriegsverbrecher, der „in den Knast“ gehöre. Der 67-Jährige behauptet in seiner Ansprache, Deutschland sei ein von den Amerikanern besetztes Land. Ausdrücklich grüßt er den russischen Präsidenten Wladimir Putin und warnt vor dem Untergang Deutschlands. „Und es wird vor die Hunde gehen, wenn wir die da oben nicht zum Teufel jagen“.

    Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) hat das Magazin Compact mit der Begründung verboten, dass es das zentrale Sprachrohr der rechtsextremistischen Szene sei.
    Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) hat das Magazin Compact mit der Begründung verboten, dass es das zentrale Sprachrohr der rechtsextremistischen Szene sei. Foto: Michael Kappeler, dpa

    Die AfD kritisierte das Verbot. „Weltweit und insbesondere in Deutschland haben wir die Erfahrung gemacht, dass es grundsätzlich ein ungutes Zeichen ist, wenn der Staat einzelne Presseorgane verbieten lässt“, sagte Partei- und Fraktionschefin Alice Weidel.

    Es waren nicht nur Titel wie „Deutschland den Deutschen“ und Titelbilder wie das von Alt-Kanzlerin Angela Merkel, die per Fotomontage mit einem Kopftuch abgebildet wurde, die den Verfassungsschutz und am Ende das Innenministerium auf Compact aufmerksam machten. Das Magazin war in den sogenannten sozialen Medien aktiv und betrieb einen Online-Shop, über den einschlägige Bücher, Hörbücher, CDs und DVDs vertrieben wurden. Darüber hinaus verkaufte Compact Merchandise-Artikel wie Kleidungsstücke, Plakate, Aufkleber, Tassen und Medaillen – darunter den „Höcke-Taler“ zu Ehren des rechtsextremen thüringischen AfD-Landesvorsitzenden Björn Höcke.

    Die Schnittstelle zwischen Rechtsextremismus und Medien ist eine, die in Deutschland bislang wenig Beachtung fand. Verfassungsexperten mahnen bereits Gesetzesänderungen an, um öffentlich-rechtliche Medien vor der Einflussnahme durch rechte Gruppen zu schützen. In Thüringen beispielsweise kann der Ministerpräsident laut Landesverfassung unter anderem den Rundfunkstaatsvertrag ohne Einbindung des Landtages kündigen. Dort wird am 1. September ein neuer Landtag gewählt, die AfD dürfte die meisten Stimmen bekommen. Wegen bestehender Rechtsunsicherheiten gilt es dort zwar als unwahrscheinlich, jedoch nicht als ausgeschlossen, dass ein AfD-Kandidat im dritten Wahlgang zum Ministerpräsidenten gewählt wird.  

    Vereinsverbot

    Innenministerin Faeser hat sich bei ihrem Compact-Verbot auf das Vereinsrecht berufen. Grundlage dafür ist Artikel 9 Absatz 1 des Grundgesetzes. Er garantiert allen das Recht, Vereine und Gesellschaften zu bilden. Vereine können jedoch verboten werden, wenn Zweck oder Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderläuft, sie sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder den Gedanken der Völkerverständigung richten. Die Verbotsgründe sind in Absatz 2 des Artikels 9 aufgeführt. Politische Parteien sind vom Vereinsbegriff nicht erfasst, für ein Verbot ist das Bundesverfassungsgericht zuständig, das auf Antrag des Bundestages, Bundesrates oder der Bundesregierung tätig wird. Mit einem Vereinsverbot ergeht in der Regel zugleich die Verfügung, dass das Vereinsvermögen beschlagnahmt ist und damit einem Veräußerungsverbot unterliegt.

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