Im endlosen Ampelstreit über den Bundesetat 2024 hat der Haushaltsausschuss noch mal klargestellt, wer am Ende das Sagen hat: „Ohne Zustimmung des Deutschen Bundestages erhält die Bundesregierung keinen Cent aus der Staatskasse.“ Die deutliche Formulierung scheint notwendig in Zeiten, in denen SPD, Grüne und FDP den Eindruck erwecken, sie – und nicht das Parlament – hätten die Budgethoheit. Nach aktueller Planung soll bereits am Donnerstag kommender Woche die sogenannte Bereinigungssitzung stattfinden, die finale Beratung ist ab dem 29. Januar geplant. Viel Zeit bleibt der Regierung von Olaf Scholz also nicht mehr, um den Parlamentariern geordnete Vorschläge zu unterbreiten. Doch die Ampel ist im internen Zwist verheddert, Sachverständige machen Druck von außen: Wirklich verfassungskonform scheint der Haushalt 2024 nicht zu sein.
Nachdem das Bundesverfassungsgericht den Nachtragshaushalt 2021 gekippt und damit neue Leitplanken für die Finanzplanungen der Folgejahre eingeschlagen hatte, sieht sich die Regierung zu verstärkten Einsparungen einerseits und Einnahmeerhöhungen andererseits gezwungen. So wird die Luftverkehrssteuer angehoben, für 2024 soll das 445 Millionen, danach jährlich 580 Millionen Euro bringen. Diese Steuererhöhung wird, das räumt die Koalition ein, wohl an die Verbraucher weitergegeben.
Bürgergeld: wenig sparen, viel ausgeben
Potenzial sieht die Ampel unter anderem im Bereich des Bürgergeldes. Rund 170 Millionen Euro will sie zum Beispiel einsparen, indem Bürgergeldempfängern bei „nachhaltiger Verweigerung der Aufnahme zumutbarer Arbeit“ Leistungen entzogen werden. Bei der arbeitenden Bevölkerung kommt das gut an. Es zeigt sich hier aber am Detail, wie schwer die Umsetzung des Haushaltsentwurfes insgesamt werden dürfte.
So weist Professor Alexander Thiele von der BSP Business and Law School in Berlin darauf hin, dass das Bundesverfassungsgericht die „theoretische Zulässigkeit einer solchen Sanktion“ 2019 in einem Urteil zwar festgestellt, sie aber zugleich „an überaus enge Voraussetzungen geknüpft“ habe. Den strengen Anforderungen aus Karlsruhe werde die Ampelfassung nicht gerecht, heißt es weiter. Mit anderen Worten: Die Regierung muss, sollte es keine Änderungen geben, mit einer Klage gegen den 2024er-Haushalt rechnen.
Wie Thiele machen auch andere Sachverständige verfassungsrechtliche Zweifel geltend, es geht dabei längst nicht nur ums Bürgergeld. Die Kritik richtet sich etwa gegen die Verwendung der Mittel aus dem Sondervermögen „Bundeswehr“, den Notlagenfeststellungsbeschluss für die Ahrtal-Flutfolgen und weitere grundlegende Festlegungen. Der Wirtschafts- und Sozialwissenschaftler Thiess Büttner von der Friedrich-Alexander-Universität kommt zu dem vernichtenden Schluss: „Insgesamt bleibt jedoch der Eindruck, dass die Bundesregierung weiter versucht, die Verschuldung über die verfassungsmäßigen Schuldengrenzen hinaus auszuweiten.“
Die FDP rutscht auf vier Prozent ab
Der Chefhaushälter der Unions-Fraktion, Christian Haase, teilt diesen Eindruck. Er spricht von einer „verfassungswidrigen und verkorksten Haushaltspolitik“. Das von der Ampel so titulierte „Sparpaket“ sei in Wahrheit ein „Belastungspaket“, kritisiert Haase. Rund 17 Milliarden Euro müsse Finanzminister Christian Lindner (FDP) einsparen, dazu leisteten die Ministerien nur einen Beitrag von 1,4 Milliarden, erklärte der CDU-Politiker im Gespräch mit unserer Redaktion. „Ansonsten agiert man mit Verschiebebahnhöfen, Hoffnungswerten und Einnahmeverbesserungen durch Belastungen“, sagt Haase und nennt ein Beispiel: Die neuen Regelungen beim Bürgergeld sollen 250 Millionen Euro an Einsparungen bringen, gleichzeitig kostet die aktuelle Erhöhung rund 2,5 Milliarden.
Der Grünen-Haushaltsexperte Sven-Christian Kindler deutete weiteren Beratungsbedarf an. „Gerade die von der Regierung vorgeschlagenen Änderungen im Klima- und Transformationsfonds müssen wir in ihrer Prioritätensetzung noch bewerten“, sagte er unserer Redaktion.
Die Sozialdemokraten tragen nicht zur Beruhigung der Lage bei. Auf ihrer am Donnerstag beginnenden Klausurtagung will die SPD-Faktion eine Reform der Schuldenbremse beschließen. Die Forderung geht auf einen Beschluss des SPD-Parteitags vom Dezember zurück, sie hat keine Auswirkungen auf den Haushalt 2024. Die Signalwirkung jedoch ist groß, schließlich möchte zumindest die FDP an der Schuldenbremse festhalten. Die Liberalen sind in einer Forsa-Umfrage für RTL und n-tv gerade auf vier Prozent abgerutscht und werden in dieser Lage kaum von einer ihrer Kernforderungen abweichen können.