Die Inderin Raniyaharini Rajendran hat in Berlin Informatik studiert, seit Kurzem arbeitet sie in einem Start-up, das energiesparende Kältesysteme entwickelt. Bundesarbeitsminister Hubertus Heil sieht der jungen Frau direkt in die Augen und ruft: „We need you!“ Rajendran und ihre indischen Kommilitonen lachen verlegen.
Hubertus Heil (SPD) will „kluge Köpfe für Deutschland gewinnen“. Nicht nur diejenigen, die mit dem modernisierten Einwanderungsgesetz nach Deutschland kommen sollen, sondern auch die, die schon in Deutschland sind. Er sitzt am Kopfende eines Seminarraums an der Freien Universität Berlin. Auf dem Tisch vor ihm stehen kleine Fahnen, die deutsche und die indische, neben Heil sitzt die Erste Vizepräsidentin der FU Berlin Verena Blechinger-Talcott. Der erste solche Austausch zwischen der Bundesregierung, der Universität und den Studierenden sei das, sagt Blechinger-Talcott.
Indische Studierende kämpfen in Deutschland mit der Bürokratie
Den beiden gegenüber sitzen in einem Halbrund indische Studierende, elf an der Zahl, sieben männlich, drei weiblich, eine nichtbinäre Person. Sie sollen von ihren Erfahrungen an deutschen Universitäten berichten. „Was funktioniert gut? Wo müssen wir unsere Hausaufgaben noch machen?“, fragt Heil in die Runde.
Bei ihrem Umzug nach Berlin war Rajendran klar, dass sie nach ihrem Studium in Deutschland arbeiten möchte. „Anders als in Indien benötigt man aber auf dem deutschen Markt Arbeitserfahrung, wenn man von der Uni kommt.“ Das hätte sie gerne früher gewusst. Außerdem habe der Berliner Wohnungsmarkt sie überfordert. Ohne die Hilfe eines Freundes hätte der Start im fremden Land für sie nicht geklappt.
Indischer Student: „Die Deutschen lieben Papierkram“
Siebham Mukherjee pflichtet bei: „Wir brauchen keine Links, wir brauchen Ansprechpartner.“ Unterkunft, Visa, Sprachkurse: Ausländische Studierende müssen sich schon vor Studienantritt um vieles selbstständig kümmern. Milind Pania ist IT-Beauftragter an der FU Berlin und leitet die Cricket-Mannschaft der Universität. Das Cricket-Team bezeichnet er als „cultural safe space“, als kulturell geschützten Ort. Studierende mit unterschiedlicher Herkunft vernetzen sich dort und können sich dann gegenseitig helfen, sagt Pania.
Hilfe benötigen die Studierenden vor allem im deutschen Bürokratie-Dschungel. „Die Deutschen lieben Papierkram“, sagt Pania. „In meinem Lehrstuhl drucken wir E-Mails aus.“ Mehrere Doktoranden zeigten sich besorgt über die Jobperspektiven an deutschen Universitäten. Heil bestätigt, dass es dem Wissenschaftsbetrieb an Geld mangele.
Bundesarbeitsminister Heil lehnt Steuerrabatt für indische Einwanderer ab
Im Herbst, bei deutsch-indischen Regierungskonsultationen, plant Heil eine Indien-Fachkräftestrategie vorzustellen. Das Auswärtige Amt, das Bundesarbeitsministerium und die deutsche Wirtschaft wollen damit ein klares Signal nach Indien senden, sagt der Arbeitsminister. Jeden Monat kommen 1,5 Millionen Inderinnen und Inder auf den heimischen Arbeitsmarkt. Die Zahl der indischen Einwanderer in Deutschland hat sich in den vergangenen drei Jahren verdoppelt. Die meisten von ihnen sind hochgebildet, deutsche Unis bieten eine gute akademische Ausbildung ohne Studiengebühren. Nach Angaben des Statistischen Bundesamts studierten 2023 fast 43.000 Inderinnen und Inder in Deutschland. Sie bilden damit die größte ausländische Studierendengruppe.
Die Pläne der Bundesregierung, ausländische Fachkräfte mit Steuererleichterungen im großen Stil nach Deutschland zu locken, lehnt Minister Heil ab. Nach dem Gespräch mit den indischen Studierenden sieht er sich bestärkt: „Ich habe heute nicht einmal das Wort Steuern gehört.“ Es gehe vielmehr darum, „handfest Bürokratie abzubauen“, etwa mit einer schnelleren Visa-Erteilung für Inderinnen und Inder.
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