Mit der Einnahme von Homs haben die Rebellen in Syrien womöglich eine entscheidende Weiche in dem jahrelangen Bürgerkrieg gestellt. Die von der islamistischen Gruppe Haiat Tahrir al-Scham (HTS) angeführte Rebellenallianz teilte in der Nacht mit, die strategisch bedeutsame Stadt komplett eingenommen zu haben. Damit steht ihnen der Weg in die Hauptstadt Damaskus offen.
Nachdem sich die Fronten im Bürgerkrieg jahrelang kaum bewegt hatten, nahm eine gegen Ende November gestartete Rebellenoffensive plötzlich deutlich an Fahrt auf. In kürzester Zeit nahmen die Aufständischen viel Gebiet teils kampflos ein. Ein Überblick, was nach Homs Einnahme passieren könnte.
Warum ist die Stadt Homs strategisch so wichtig?
Homs liegt im zentralen Westen Syriens, es ist ein Knotenpunkt zwischen der Hauptstadt Damaskus, den Küstenregionen und dem Norden des Landes. Sie verbindet die Hauptstadt Damaskus mit den syrischen Mittelmeerhäfen. An der Küste hat auch Russland, einer von Präsident Baschar al-Assads wichtigster Verbündeter, Kampfbomber und Hubschrauber auf dem Flughafen Hmeimim stationiert sowie ein Truppenkontingent in unbekannter Stärke in der Hafenstadt Tartus.
Zudem war die Großstadt mit ihren rund 1,5 Millionen Einwohnern lange ein symbolischer Schauplatz des Widerstands gegen Assads Herrschaft, wodurch ihr Fall eine bedeutende politische und militärische Signalwirkung hat.
Die Kontrolle über Homs ermöglicht es den Rebellen nun, ihre Offensive auf Damaskus zu planen. «Wer die Schlacht mit Homs gewinnt, wird Syrien regieren», sagte der Leiter der Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte, Rami Abdel-Rahman, der Deutschen Presse-Agentur.
Was steckt hinter den schnellen Fortschritten der Rebellen?
Die Islamisten machten enorme Gebietsgewinne in den vergangenen Tagen. Nach Einschätzung der Denkfabrik Crisis Group offenbarten diese auch die Schwächen der syrischen Verteidigung, «die entlang der gesamten Front zusammenbrach, wobei Soldaten und andere regierungsnahe Kräfte eher flüchteten, als dass sie sich zur Wehr setzten.» Als Beispiel nannte die Denkfabrik auch den Fall von Aleppo am vergangenen Sonntag, wo strategisch wichtige Stellungen wie die Zitadelle fast kampflos aufgegeben wurden.
Wie reagieren Syriens Verbündete, Russland und Iran?
Ein Machtwechsel in Syrien oder gar der Fall Assads hätte für die iranische Führung und Russland gravierende Folgen. Russland hat seine Luftangriffe deutlich verstärkt und meldete zuletzt erfolgreiche Schläge gegen Stellungen und Munitionsdepots der Rebellen. Hunderte Terroristen und Dutzende Einheiten Militärtechnik seien zerstört worden, teilten die russischen Luftstreitkräfte mit.
Russland will das seit 2015 mit Beginn der Hilfe für Assad Erreichte, darunter eine Luftwaffenbasis und die Marinebasis in Tartus, unter keinen Umständen gefährden. Weil das Land aber wegen seines Angriffskrieges gegen die Ukraine kaum noch Ressourcen hat, weisen Experten in Moskau darauf hin, dass Assad auch andere Verbündete um Hilfe bitten muss, um sich zu retten.
Für Teheran gilt das Bündnis mit Syrien als «Korridor» zum Mittelmeer, um dort die mit Iran verbündete Hisbollah-Miliz zu unterstützen. Syriens Regierung hilft Iran – wie militante Gruppen – als Teil der sogenannten Widerstandsachse im Kampf gegen Israel. Irans Außenminister Abbas Araghtschi hatte erst vor wenigen Tagen erklärt, mögliche Truppenentsendungen zu prüfen, falls die syrische Regierung dies fordert.
Wie gefährlich wird es nun für Präsident Baschar al-Assad?
Syriens Langzeitpräsident Baschar al-Assad könnte nun von seinen Hochburgen an der Küste abgeschnitten werden. Nach Angaben der Regierung hielt er sich weiterhin in der Hauptstadt auf. Glauben schenken dem aber viele bereits nicht mehr. Zentral für den weiteren Verlauf des Bürgerkriegs dürften auch Entscheidungen in Moskau und Teheran sein, wie dem Verbündeten geholfen wird. «Wie bereits 2015, als sich das Blatt im Syrienkrieg zugunsten der Regierung wendete, könnte die Unterstützung Russlands ein entscheidender Faktor sein», heißt es auch in der Analyse der Crisis Group.
Assad hatte zwar schon kurz nach Beginn des Rebellen-Vormarschs eine Gegenoffensive angekündigt, doch bislang gelang es der Armee nicht, eine Großstadt erfolgreich zu verteidigen. In Damaskus ist Unruhe zu spüren. Viele Familien aus dem Umfeld des syrischen Präsidenten hätten bereits ihre Häuser verlassen und seien in den Libanon gereist, hieß es aus gut informierte Kreisen in der syrischen Hauptstadt.
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