Die Bundesregierung plant, im nächsten Haushalt Milliarden einzusparen und gleichzeitig die Wirtschaft anzukurbeln – einen wesentlichen Beitrag soll das Bürgergeld liefern. Die Ausgaben für das Arbeitslosengeld II stiegen seit der Bundestagswahl um über fünf Milliarden auf 37,6 Milliarden Euro – mehr als die Ministerien für Familie, Gesundheit und Landwirtschaft zusammen im Budget haben. Nun soll der Bürgergeldetat um 2,6 Milliarden sinken, indem mehr Leistungsempfänger arbeiten.
Wie viele Menschen erhalten in Deutschland Bürgergeld und wie viele könnten im Prinzip arbeiten?
Im März gab es 5,5 Millionen Bürgergeldempfänger. Statistisch bezieht jeder fünfzehnte Einwohner die Sozialleistung. Gut eineinhalb Millionen gelten als „nicht erwerbsfähig“, meist Kinder. Vier Millionen könnten laut Bundesagentur für Arbeit arbeiten. Von diesen erwerbsfähigen Leistungsempfängern haben 47 Prozent keine deutsche Staatsbürgerschaft. Mit gut 700.000 Frauen und Männern stellen die Ukrainer die größte Gruppe unter den erwerbsfähigen Ausländern, gefolgt von einer halben Million Syrern und 200.000 Menschen mit türkischer Staatsbürgerschaft. 2,1 Millionen erwerbsfähige Leistungsempfänger sind Deutsche – 1,2 Millionen weniger als vor zehn Jahren.
Wie hoch ist das Bürgergeld aktuell?
Der Regelsatz liegt seit Anfang 2024 bei 563 Euro für Alleinstehende. Partnern stehen jeweils 506 Euro zu. Für Kinder gibt es je nach Alter zwischen 357 und 471 Euro. Zusätzlich übernehmen die Jobcenter „in angemessener Höhe“ die Kosten für Miete und Heizung.
Was plant die Bundesregierung?
Die Regierung will mit schärferen Regeln mehr Bürgergeldempfänger zur Arbeit bewegen. Ein längerer Arbeitsweg soll zumutbar sein, das Ablehnen von angebotenen Jobs wird mit höheren Leistungskürzungen bestraft, und Schwarzarbeit führt ebenfalls zu Kürzungen. Bevor Bürgergeld beansprucht werden kann, sollen Betroffene ihr eigenes Vermögen aufbrauchen. Die sogenannte Karenzzeit beim Schonvermögen - also die Zeit, in der das Geld nicht angetastet werden darf - soll von zwölf auf sechs Monate halbiert werden. Zugleich sollen Bürgergeldempfänger bei Arbeitsaufnahme eine „Anschubfinanzierung“ als Prämie erhalten. Für eine Übergangszeit sollen sie mehr von anderen Sozialleistungen wie Kindergrundsicherung und Wohngeld profitieren, damit sie netto deutlich mehr als bei ihrer bisherigen Arbeitslosenunterstützung zur Verfügung haben.
Was soll mit Bürgergeld-Empfängern geschehen, die Jobangebote ablehnen oder nicht ernsthaft wahrnehmen?
Leistungsempfängern soll das Bürgergeld künftig stärker gekürzt werden, wenn sie zumutbare Arbeit, Ausbildungs- oder Eingliederungsmaßnahmen ablehnen. Die Jobcenter sollen dann drei Monate lang die Regelsatz-Leistung um 30 Prozent kürzen. Davon bleiben allerdings Miet- und Nebenkostenzahlungen ausgenommen. Bei der Bürgergeld-Reform wurde 2024 eine Sanktions-Staffelung eingeführt: Bei einem ersten Pflichtverstoß drohte eine Kürzung von maximal zehn Prozent für einen Monat. Beim zweiten Verstoß innerhalb eines Jahres 20 Prozent für zwei Monate. Erst bei weiteren Pflichtverletzungen konnte das Bürgergeld für drei Monate um 30 Prozent gekürzt werden.
Warum wird das Bürgergeld bei massiven Verstößen nicht komplett gestrichen?
Das Bundesverfassungsgericht hatte 2019 die Praxis der Jobcenter für verfassungswidrig erklärt, bei mehrfachen Verstößen die damaligen Hartz-IV-Leistungen nach mehrfachen Verstößen um 60 Prozent zu kürzen oder das gesamte Arbeitslosengeld II mit den Zuschüssen für Unterkunft und Heizung zu streichen. Ein Existenzminimum zum Überleben müsse gesichert sein, hieß es. Allerdings lässt das Urteil bei nachweisbarer Totalverweigerung auch eine kurzfristige Streichung der Leistungen zu. Der Gesetzgeber schrieb danach die 30-Prozent-Grenze fest.
Wann soll künftig ein Job als zumutbar gelten?
Künftig gilt bei einer täglichen Arbeitszeit von bis zu sechs Stunden eine Pendelzeit von insgesamt zweieinhalb Stunden für Hin- und Rückfahrt als zumutbar, bei einer Arbeitszeit von mehr als sechs Stunden sind es maximal drei Stunden – jeweils 30 Minuten länger als bisher. Die Jobcenter sollen in einem Umkreis von 50 Kilometern nach einem Arbeitsplatz suchen können. Ausnahmen gibt es weiter für Betroffene mit Kindern oder pflegebedürftigen Angehörigen.
Wird Schwarzarbeit künftig härter geahndet?
Wie bisher gilt Schwarzarbeit als Straftat oder Vergehen. Die Koalition will die Jobcenter verpflichten, künftig jeden Verdachtsfall anzuzeigen, um zu verhindern, dass geringfügige Fälle von der Justiz eingestellt werden. Zudem soll die Leistung Betroffenen dann für drei Monate um 30 Prozent gekürzt werden.
Kommt damit das alte Hartz IV zurück?
Viele der geplanten Regelungen nähern sich der früheren Hartz-IV-Praxis des „Forderns und Förderns“ an, doch sie müssen erst im Bundestag beschlossen werden, Abgeordnete von SPD und Grünen äußern bereits Unmut über den Kompromiss der Regierungsspitzen. Die Union bezweifelt, dass die Strenge aus Zeiten von Hartz-IV zurückkehrt. „Es hat leider mittlerweile System, dass die Regierung beim Bürgergeld vollmundig Dinge ankündigt, um sie dann wieder im Bundestag einzukassieren“, sagt CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann unserer Redaktion. Andere Vorhaben kämen erst gar nicht ans Laufen. „Beispiel Jobturbo: Er sollte Zugewanderte schnell in Beschäftigung bringen. Wie viele Personen konnten beim Pilotprojekt mit den Gebäudereinigern in Arbeit gebracht werden? Nach meinen Informationen keine einzige“, sagt Linnemann.
3h Pendelzeit? Damit man schon müde ankommt und Fehler macht und wieder gehen darf? Nein, bei aller Liebe, das geht nicht. Ein Bus oder Zug verpasst wegen "betrieblichen Belangen" und man friert sich an der dunklen Haltestelle alles weg oder steht in sengender Hitze an unüberdachter Haltestelle... Natürlich sollte man bei der langen Probezeit als Leiharbeiter auch nicht krank werden. Zumeist soll man ja konzentriert arbeiten und ausgeschlafen ankommen... Es wird andere Gründe haben das Leute keine Anstellung finden. Vielfach zu alt, zu krank etc.
Wo liegt Ihr Problem mit den 3 Stunden Pendelzeit? Ich habe viele Jahre nach München zur Arbeit fahren müssen, da waren die drei Stunden ganz normal. Denn die beziehen sich auf Hin- und Rückfahrt, und ich habe in München dann 10 Stunden am Stück gearbeitet.
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