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Bürgergeld: Opposition und Regierung machen den Weg für das Bürgergeld frei

Bürgergeld

Opposition und Regierung machen den Weg für das Bürgergeld frei

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    Die Verhandlungen fanden unter Hochdruck statt – doch quasi in letzter Minute wurden Kompromisse zur wohl größten Sozialreform dieser Wahlperiode gefunden.
    Die Verhandlungen fanden unter Hochdruck statt – doch quasi in letzter Minute wurden Kompromisse zur wohl größten Sozialreform dieser Wahlperiode gefunden. Foto: Karl-Josef Hildenbrand, dpa

    Der Weg für die größte Sozialreform der letzten 20 Jahre ist frei: Die Ampel-Koalition einigte sich am Dienstag nach harten Kämpfen überraschend frühzeitig mit der Union auf die Einführung des Bürgergeldes. Beide Seiten machten Kompromisse, konnten aber ihre wichtigsten Forderungen durchsetzen. SPD, Grüne und FDP bekommen die gewünschten Verbesserungen bei der Weiterbildung von Arbeitssuchenden sowie höhere Hinzuverdienstmöglichkeiten. CDU und CSU verbuchen Absenkungen beim Schonvermögen sowie die Streichung der Vertrauenszeit als Erfolg für sich. Eine Einigung im Vermittlungsausschuss am Mittwochabend dürfte nach übereinstimmenden Aussagen nur noch Formsache sein. Das Bürgergeld könnte damit wie geplant am Jahreswechsel in Kraft treten.

    Das Bürgergeld als Hartz-IV-Nachfolge hatte den Bundestag passiert, wurde im Bundesrat anschließend aber von der Union blockiert. Beide Seiten riefen den Vermittlungsausschuss an, um einen Kompromiss zu finden. In den letzten Tagen wurden hinter den Kulissen zwischen den Regierungsparteien und der Union zahlreiche Gespräche geführt. Das Ergebnis mündete in einen Vorschlag, den der zuständige Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) dem Vermittlungsausschuss zuleitete. Das Gremium entscheidet souverän, es könnte in Details noch Änderungen am bisherigen Verhandlungsergebnis geben. Die großen Linien indes stehen fest.

    Beim Bürgergeld soll zwischen reinem Geldvermögen und der Altersvorsorge unterschieden werden

    Minister Heil hatte beim Bürgergeld vor allem auf eine Verbesserung der Qualifizierungsmöglichkeiten für Arbeitssuchende gedrungen und machte bei diesem Punkt keine Abstriche. Der wichtigste Aspekt dabei: Der Vermittlungsvorrang in Arbeit wird abgeschafft. Bisher galt die Prämisse, dass Arbeitssuchende möglichst schnell eine neue Tätigkeit aufnehmen mussten. Selbst wenn es sich dabei nur um einen befristeten Hilfsjob handelte. Künftig sollen die Jobcenter die ihnen anvertrauten Menschen so qualifizieren, dass sie dauerhaft in Arbeit bleiben. Jugendliche in Bürgergeld-Familien können außerdem vom eigenen Einkommen, beispielsweise vom Lehrlingsgehalt, mehr Geld für sich behalten. Bisher wurde es auf die Hartz-Sätze angerechnet.

    Auf der anderen Seite konnten CDU und CSU in den Kompromissverhandlungen zentrale eigene Forderungen durchsetzen. So soll das Schonvermögen für den ersten Partner in einem Haushalt (Bedarfsgemeinschaft) von bisher 60.000 auf 40.000 Euro reduziert werden. Für alle anderen in der Bedarfsgemeinschaft bleiben 15.000 Euro vom Ersparten unangetastet. Das ist die Hälfte dessen, was ursprünglich geplant war. Halbiert werden soll auch Zeit, in der Vermögen von der Anrechnung aufs Bürgergeld verschont wird, und zwar von 24 Monate auf ein Jahr. Den Angaben zufolge wird dabei zwischen reinem Geldvermögen und der Altersvorsorge unterschieden. Letztere unterliegt offenbar weniger strengen Zugriffsmöglichkeiten des Staates.

    Kosten der Unterkunft und Heizung werden nicht gemindert

    Heil hatte zudem eine Vertrauenszeit von sechs Monaten geplant, in der Pflichtverletzungen ohne Konsequenzen geblieben wären. Diese Vertrauenszeit wurde auf Druck von CDU und CSU gestrichen. Sanktionen können damit bereits vom ersten Tag an verhängt werden. Heils Planungen sehen unter anderem eine Kürzung des monatlichen Regelsatzes um maximal 30 Prozent vor. Kosten der Unterkunft und Heizung werden nicht gemindert. Unions-Fraktionschef Friedrich Merz (CDU) zeigte sich am Dienstag erfreut darüber, dass die Ampel „zu meiner Überraschung“ bereit gewesen sei, so weit zu gehen. CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt kommentierte den Kompromissvorschlag zufrieden mit den Worten: „Opposition wirkt.“

    Mit dem Bürgergeld werden die Regelsätze erhöht. Für Alleinstehende beispielsweise um 53 auf 502 Euro. Heil zufolge ist das die „mit Abstand höchste Erhöhung seit Einführung der Grundsicherung im Jahr 2005“. Das Bürgergeld soll zum 1. Januar 2023 in Kraft treten. Wer bisher Anspruch auf Arbeitslosengeld II oder Sozialgeld hatte, wird künftig einen Anspruch darauf haben. Hierfür müssen nach Angaben des Bundesarbeitsministeriums keine neuen Anträge gestellt werden.

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