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Buchvorstellung: Provokateur im Selbstverteidigungs-Modus

Buchvorstellung

Provokateur im Selbstverteidigungs-Modus

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    Gestern stellte Thilo Sarrazin in Berlin sein neues Buch "Europa brauch den Euro nicht" vor.
    Gestern stellte Thilo Sarrazin in Berlin sein neues Buch "Europa brauch den Euro nicht" vor. Foto: Soeren Stache

    „Europa braucht den Euro nicht.“ Thilo Sarrazin versteht es, mit provozierenden Thesen die Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Im noblen Hotel „Adlon“ direkt am Brandenburger Tor stellt der frühere Vorstand der Deutschen Bundesbank, der vor zwei Jahren mit seinem Buch „Deutschland schafft sich ab“ eine erregte Debatte über die Ausländerpolitik und die Probleme der Integration auslöste, sein neues Buch vor, das seit Tagen für Wirbel sorgt.

    Medienschelte schon vor der Veröffentlichung

    Vorabdruck im Focus, Auftritt bei Günther Jauch, Schlagzeilen in Bild und massiver Widerspruch in den Medien, weil Sarrazin mit seiner Lust an der Provokation den Befürwortern von Euro-Bonds, also Gemeinschaftsanleihen, unterstellt, sie seien „getrieben von jenem sehr deutschen Reflex, wonach die Buße für Holocaust und Weltkrieg erst endgültig getan ist, wenn wir alle unsere Belange, auch unser Geld, in europäische Hände gelegt haben“.

    Bei der Buchpräsentation gibt sich Sarrazin hingegen betont nüchtern und zurückhaltend, um seine These umso eindringlicher zu verteidigen. Bei der Währung handle es sich um ein „Traumgebilde“; die damals verantwortlichen Politiker wie Helmut Kohl seien eine „unscharfe und unklare Wette“ eingegangen („politisches Vabanque-Spiel auf hohem Niveau“); keine Hoffnung, die mit Einführung des Euro genährt worden sei, habe sich erfüllt, er habe weder zu Wachstum noch zu Wohlstand und erst recht nicht zu neuen Arbeitsplätzen geführt, dagegen seien alle Probleme, die bei seiner Einführung erkennbar waren, eingetreten. Sein bitteres Fazit: „Wenn die Gemeinschaftswährung funktioniert, hat sie keine entscheidenden Vorteile, wenn sie aber nicht funktioniert, nur Nachteile.“

    Mit Nachdruck weist Sarrazin die Behauptung von Bundeskanzlerin Angela Merkel zurück, scheitere der Euro, dann scheitere Europa. Europa habe seit 1945 auch ohne Gemeinschaftswährung funktioniert und den Bürgern eine jahrzehntelange Phase des Friedens, des Wohlstands und der Sicherheit beschert. „Das Schicksal Europas ist nicht an die Existenz einer gemeinsamen Währung gebunden.“

    Sarazin ist gegen Euro-Bonds

    Mit Ratschlägen an die Politik hält sich Sarrazin zurück. Kategorisch lehnt er eine Vergemeinschaftung der Haftung, die Ausgabe von Euro-Bonds, den Umbau der Euro-Zone in eine Transfergemeinschaft, die Aufkäufe von Staatsanleihen durch die Europäische Zentralbank und eine lockere Geldpolitik ab. „Transfers unterstützen nur die Misswirtschaft in den Nehmerländern“, sagt er – und verweist auf die schlechten Erfahrungen auch in Deutschland. Keinem Finanzminister sei es bislang gelungen, die Schuldenpolitik in Bremen, im Saarland oder in Berlin zu unterbinden.

    Langfristig könne der Euro nur funktionieren, wenn sich die Euro-Zone zu einem Bundesstaat entwickle. Da dies auf absehbare Zeit nicht realistisch sei, solle Deutschland nach der Einführung des dauerhaften Rettungsschirms ESM und des Fiskalpakts auf die Einhaltung der Regeln pochen und Ausweitungen der Rettungsschirme eine Absage erteilen. Dann müssten die Länder, die sich nicht an die Regeln halten, aus der Euro-Zone austreten.

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