Eigentlich, so hatte es sich Wladimir Putin ausgemalt, sollte er gerade inmitten der Reisevorbereitungen stecken. Monatelang hatte Russlands Diktator auf seine Teilnahme am 15. Gipfel der Brics-Staatenvereinigung bestanden, der am Dienstag in Johannesburg beginnt. Trotz des Haftbefehls des Weltstrafgerichts und der Verpflichtung des Gastgeberlandes Südafrika für eine Verhaftung.
Schaut her, ihr im Westen, so sollte die Botschaft lauten – die Freundschaften zwischen den aufstrebenden Volkswirtschaften sind stärker als euer diplomatischer Druck. Über eine eigene Brics-Handelswährung als Konkurrenz zum Dollar sollte verhandelt werden. Eine schnelle Erweiterung, um den Zusammenschluss als Gegengewicht zu den G7 des Westens zu etablieren. Eine glänzende Propaganda-Plattform für den Kreml.
Wladimir Putin drohte eine Verhaftung in Südafrika
Es kam bekanntlich anders. Gastgeber Südafrika machte nach langem Zögern deutlich, dass es Putin bei einer Einreise tatsächlich verhaften würde. Eine Blamage für den Kreml. Man einigte sich auf eine digitale Teilnahme des Despoten. Die Luft ist also schon vor dem Start des Brics-Gipfels in Johannesburg ein wenig raus. Der verspricht auf dem Papier viel – schließlich leben 40 Prozent der Weltbevölkerung in den Brics-Staaten Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika, sie stellen rund 26 Prozent des globalen Bruttoinlandsprodukts. Doch so sehr sie in Peking und Moskau die Brics auch als Ende westlicher Hegemonie hochjazzen, so wenig Konkretes ist bislang vorzeigbar.
Und daran wird wohl auch das Treffen in Johannesburg kaum etwas ändern. Der Ruf nach einer gemeinsamen Handelswährung, die Brasiliens Präsident Luiz Inácio Lula da Silva forciert? Steht nicht auf der Agenda. Uneinig ist man sich auch beim Umgang mit den Dutzenden Länder, die den Brics beitreten wollen. China will erweitern, um Verbündete für seine wachsende Anti-USA-Allianz zu gewinnen. Russland auch, angesichts von Sanktionen und weggebrochenen Absatzmärkten im Westen.
Indien blickt misstrauisch auf die Machtambitionen Chinas
Doch in Indien gibt es zumindest skeptische Stimmen, die eine noch stärkere Vormachtstellung Chinas befürchten. Klar ablehnend steht Brasilien der Schar der rund 25 beitrittswilligen Staatspräsidenten gegenüber, die in Johannesburg erwartet werden. Man wird in Johannesburg also weiter über Beitrittskriterien diskutieren, Reformen zugunsten des globalen Südens in den Vereinten Nationen, dem Internationalen Währungsfonds, Weltbank und Welthandelsorganisation fordern. Aber eine konkrete Aufnahme neuer Mitglieder erscheint zumindest bei diesem Gipfel unwahrscheinlich.
Auch 14 Jahre nach der Gründung der Vereinigung gibt es nicht einmal einen verbindlichen Vertrag, kein zentrales Sekretariat. Das Gleiche gilt zwar für die G7, doch die präsentieren sich homogener. Rhetorisch mag die Brics-Kampfansage an den Westen an Fahrt aufnehmen, strukturell nicht. Bislang ist einzig die völlig intransparente Brics-Entwicklungsbank (NDB) als Institution vorzeigbar. Doch sie ist auch acht Jahre nach ihrer Schaffung kleiner als etwa die Afrikanische oder Asiatische Entwicklungsbank.
Zuletzt gab es nur eine Erweiterung im Kleinformat
Hier gab es zuletzt allerdings bereits eine erste Mini-Erweiterung: Bangladesch, Ägypten und die Vereinigten Arabischen Emirate wurden von der Bank aufgenommen, Saudi-Arabien steht kurz davor. Doch sie bekamen nur winzige Anteile. Die Statuten sichern den aktuellen Brics-Staaten dauerhaft die Mehrheit des Stimmrechts in der Bank zu – also genau das Ungleichgewicht, was sie mit Bezug auf den Westen bei IMF und Weltbank kritisieren.
Angesichts der zunehmenden Spannungen wird sich der lose Charakter der Vereinigung so schnell nicht ändern. Indien hat fast alle chinesischen Journalisten ausgewiesen. Und umgekehrt auch. Nicht gerade Gesten der Freundschaft. Lange konnte man Indien als eine Art „Swing State“ zwischen den Großmächten USA und China bezeichnen. Aber spätestens mit den seit drei Jahren zunehmenden Grenz-Streitigkeiten orientierte sich das Land verstärkt zum Westen hin.
Brics-"Erfinder" O'Neill ist enttäuscht
Angesichts dieser Konstellation zweifelt auch der Mann, der die Brics erfunden hat, an ihrer Zukunft als G7-Gegengewicht. Vor 22 Jahren prägte der britische Ökonom Jim O’Neill die Abkürzung Bric, die Abkürzung für Brasilien, Russland, Indien und China. Südafrika kam später hinzu.
Vor einigen Tagen meldete sich O’Neill in der Financial Times wieder zu Wort. Die Rolle des Dollar sei zwar nicht ideal für die heutige Welt, sagte er. Aber eine Brics-Handelswährung? „Wollen sie eine Brics-Zentralbank schaffen? Wie das?“ Das sei „einfach lächerlich“.
Die Brics-Staaten hätten seit ihrem ersten Treffen im Jahr 2009 „nichts erreicht“, so O‘Neills vernichtendes Fazit.