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Brexit: Was bedeutet der Brexit für die Zukunft der EU?

Brexit

Was bedeutet der Brexit für die Zukunft der EU?

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    Stürmische Zeiten sieht nicht nur der CSU-Europaabgeordnete Markus Ferber auf Großbritannien zukommen. Nach der Mehrheit bei der Volksabstimmung für einen Brexit scheint die Zukunft ungewiss.
    Stürmische Zeiten sieht nicht nur der CSU-Europaabgeordnete Markus Ferber auf Großbritannien zukommen. Nach der Mehrheit bei der Volksabstimmung für einen Brexit scheint die Zukunft ungewiss. Foto: Justin Tallis, afp

    Herr Ferber, sind Sie überrascht, dass die Brexit-Befürworter in Großbritannien augenscheinlich überhaupt keinen Plan haben, wie der Ausstieg angegangen werden soll?

    Markus Ferber: Ja, darüber bin ich schon überrascht. Zumal die Verfechter der Brexit-Kampagne ja den Eindruck erweckt haben, sie wüssten genau, was nach einem Erfolg zu tun ist. Aber genau das scheinen sie jetzt nicht zu wissen.

    In London regiert derzeit das politische Chaos. Schon wird spekuliert, ob nicht Schottland in der EU bleiben könnte. Ist das realistisch?

    Ferber: Ich kann mir das kaum vorstellen. Schon weil Schottland kein eigener Staat ist. In der Debatte wird oft vergessen, dass längst nicht alle EU-Mitglieder die Schotten mit offenen Armen empfangen würden. Gerade Spanien und auch Belgien fürchten, dass eine Loslösung Schottlands von Großbritannien den starken Autonomiebewegungen im eigenen Land Auftrieb geben könnte.

    Es gibt ja Stimmen, die einen Exit aus dem Brexit für möglich halten.

    Ferber: Dazu müssten dann ja Weichen gestellt werden. Es müsste eine Partei an die Regierung gelangen, die den Brexit verhindern will. Doch von Neuwahlen ist nicht die Rede. Und die regierenden Tories werden sich hüten, eine Kehrtwende einzuleiten. Die zerstrittene Labour-Partei ist mit sich selber beschäftigt. Also ich glaube daran nicht.

    Wie kann es denn Ihrer Ansicht nach jetzt weitergehen?

    Ferber: Wir können nur abwarten, wie London verhandeln will. Das wird sich eine neue Regierung genau überlegen müssen. Diese Zeit muss man ihr gönnen. Nach der Antragstellung, die meiner Ansicht nicht vor Frühjahr 2017 in Brüssel vorliegen wird, läuft eine zweijährige Frist. Das heißt: Vor den EU-Wahlen Mitte 2019 wird es wohl keinen Austritt geben.

    Geht das nicht alles viel zu langsam?

    Ferber: Natürlich ist es für die Wirtschaft wichtig, dass es zügig vorangeht. Doch unsere Möglichkeiten, die Gangart der Briten zu beschleunigen, sind gering. Allerdings würden die Konservativen in London riskieren, dass ihre Glaubwürdigkeit noch weiter in Mitleidenschaft gezogen wird, wenn sie den Prozess verschleppen.

    Wie kann denn in Zukunft das Verhältnis der EU zu den Briten geregelt werden.

    Ferber: Das wird alles andere als einfach. Die Frage ist noch längst nicht beantwortet. Den Briten mag der ungehinderte Zugang zum EU-Binnenmarkt ohne Arbeitnehmerfreizügigkeit vorschweben. Doch das – also ein Europa à la carte – kann es auch für sie nicht geben. Das gibt es ja auch nicht für die Schweiz oder Norwegen. Oslo zahlt eine Milliarde Euro pro Jahr an Brüssel für den Zugang zum Binnenmarkt – die Briten müssten dafür rund vier Milliarden Euro zahlen. Dafür akzeptiert Norwegen die Regeln der EU, wie die Freizügigkeit für Arbeitnehmer. Letztere war jedoch für viele Briten ein Hauptgrund, für den Brexit zu votieren.

    Und das Schweizer Modell?

    Ferber: Die Schweizer hingegen sind Teil des Schengenraumes. Doch ihnen fehlt der direkte Zugang zum Binnenmarkt.

    Fürchten Sie nicht, dass das Beispiel Brexit Schule machen könnte? In Dänemark, den Niederlanden und Frankreich gibt es Kräfte, die lieber heute als morgen den britischen Weg gehen wollen.

    Ferber: Das fürchte ich nicht. Man kann ja derzeit am Beispiel Großbritannien verfolgen, welch hohen Preis ein Staat für einen EU-Austritt zahlen muss: Das Pfund fällt, wichtige Unternehmen spielen mit dem Gedanken, der Insel den Rücken zu kehren. Jetzt zeigt sich auch, dass sich die Populisten aus der Verantwortung stehlen, die viele Briten verführt haben, für den Brexit zu stimmen. So wie Boris Johnson oder Nigel Farage.

    Nicht zuletzt der Freistaat Bayern treibt regen Handel mit den Briten. Für wie dramatisch halten Sie die negativen Effekte, die sich durch den Brexit für die Wirtschaft ergeben könnten?

    Ferber: Da sind viele Fragen offen. Das sieht man schon am Beispiel Luft- und Raumfahrt. Airbus ist bekanntlich in Bayern aktiv. Die Flügel werden jedoch auf der Insel gefertigt. Flugzeuge ohne Flügel – das geht nicht. Man wird praktikable Lösungen finden müssen.

    Könnte es auch Vorteile durch den Abgang der Briten geben?

    Ferber: Durch den Fall des Pfundes wird der Urlaub in Großbritannien deutlich preiswerter. Interessante Unternehmen, die die Insel verlassen wollen, könnten sich in Bayern oder Schwaben ansiedeln. Aber Vorsicht. Großbritannien ist ein wichtiger Handelspartner: Der schlechtere Marktzugang wird in Zukunft Spuren hinterlassen.

    Was muss sich grundsätzlich in der Europäischen Union ändern, um das Projekt Europa wieder attraktiver zu machen?

    Ferber: Wir brauchen ein Europa, das groß denkt bei den großen Aufgaben und großzügig ist bei den Details. Heute haben wir leider zu oft ein Europa, dass klein denkt bei großen Aufgaben und kleinlich bei den Details ist.

    Markus Ferber, 51, ist Mitglied des Europäischen Parlaments und Bezirksvorsitzender der CSU Schwaben.

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