Wenige Tage vor der nächsten Abstimmungsrunde im britischen Parlament über die nächsten Brexit-Schritte wächst massiv der Druck auf Premierministerin Theresa May. Ziel vieler Politiker - auch aus ihrer eigenen Konservativen Partei - ist es, einen ungeordneten Austritt aus der EU zu verhindern. Bei einem solchen No Deal am 29. März wird mit chaotischen Verhältnissen in der Wirtschaft und vielen anderen Lebensbereichen gerechnet.
Brexit: Am Mittwoch stimmt das Unterhaus über weitere Schritte ab
Etwa 35 bislang loyale Tories drohten May am Freitag damit, für eine Verschiebung des Brexits zu stimmen, statt einen ungeregelten Austritt aus der EU zu riskieren. Man habe den internen Einfluss der Brexit-Hardliner in der European Research Group (ERG) satt, sagte der Konservative Andrew Percy in Interviews britischer Medien. "Die ERG handelt wie eine Partei in der Partei." Die Gruppe besteht aus etwa 80 Brexit-Hardlinern um den Hinterbänkler Jacob Rees-Mogg.
Am Dienstag will May eine Erklärung abgeben. Einen Tag später stimmt das Unterhaus über die weiteren Schritte im Brexit-Prozess ab. Vorher will May bei der EU Korrekturen zum Austrittsabkommen erreichen. Nach einem Bericht des Guardian könnte für May nach den Kommunalwahlen im Mai Schluss sein. Es gebe Bestrebungen im Kabinett, dass die Regierungschefin dann von ihrem Amt zurücktreten sollte. Eine klare Quelle nannte die Zeitung dafür allerdings nicht.
Das EU-Mitglied Irland will mit Gesetzen die Schäden im Falle eines ungeregelten Austritts Großbritanniens abfedern. Der stellvertretende Ministerpräsident Simon Coveney bezeichnete am Freitag in Dublin einen No Deal für sein Land, für Großbritannien und für die EU als großen Verlust. "Ein No-Deal-Brexit wäre für die irische Wirtschaft ein riesiger Schock", sagte er. Man werde nicht alle Schäden ausgleichen können. "Aber wir geben unser Bestes." Die Republik Irland und das britische Nordirland sind eng miteinander verknüpft, etwa bei der Energie- und Gesundheitsversorgung.
Labour-Abgeordneter Ian Austin distanziert sich von Parteichef Corbyn
Auch in der größten Oppositionspartei im Londoner Parlament nimmt die Unruhe zu: Ein weiterer Labour-Abgeordneter, Ian Austin, kehrte Parteichef Jeremy Corbyn den Rücken. Er wirft Labour eine "Kultur des Extremismus, Antisemitismus und der Intoleranz" vor. Unter Corbyn habe sich die Partei gewandelt, sagte er dem Blatt Express & Star.
Austin hat aber keine Pläne, sich der neuen "Unabhängigen Gruppe" im Londoner Parlament anzuschließen. Zu ihr gehören schon acht Abgeordnete, die Labour verlassen haben. Viele Kritiker werfen dem Alt-Linken Corbyn auch vor, lange nicht klar Position zum Brexit bezogen zu haben. Drei EU-freundliche Politikerinnen der Konservativen schlossen sich ebenfalls der Gruppe an. Mays Minderheitsregierung, die von der nordirischen DUP gestützt wird, ist auf jede Stimme angewiesen.
Britische Airlines dürfen bei ungeregeltem Brexit vorerst fliegen
Entwarnung gab es hingegen für Fluggäste vor der Urlaubssaison: Auch bei einem ungeregelten Brexit sollen der Flugverkehr in Europa weitgehend intakt und Sicherheitsstandards gewahrt bleiben. In beiden Punkten einigten sich EU-Unterhändler auf befristete Notfallmaßnahmen für den No-Deal-Fall, wie der Rat der EU-Staaten am Freitag bestätigte.
Am Freitag vereinbarten Vertreter der EU-Staaten und des Europaparlaments, dass Sicherheitszertifikate für Luftfahrtgerät, die Gesellschaften in Großbritannien ausgestellt wurden, auch nach einem ungeregelten Brexit für neun Monate weiter gelten. Das biete genug Zeit, die Bescheinigungen bei der europäischen Luftfahrtbehörde EASA zu erneuern - dann unter Berücksichtigung des neuen Status Großbritanniens als Drittstaat.
Zuvor hatten sich Vertreter der EU-Staaten und des Parlaments bereits auf befristete Maßnahmen geeinigt, die Flugausfälle nach einem ungeregelten Brexit vermeiden sollen. Die Regelung soll nach Angaben des Rats sicherstellen, dass Fluggesellschaften mit britischer Lizenz für bis zu sieben Monate Verbindungen zwischen Großbritannien und den übrigen 27 EU-Staaten aufrecht erhalten können. (dpa)