Fast 25 Flüge fielen aus, weil Anhänger des rechtspopulistischen Präsidenten Jair Bolsonaro die Zufahrten des größten internationalen Flughafens in Sao Paulo blockierten. Das Ergebnis: Chaos rund um das wichtigste Drehkreuz der brasilianischen Luftfahrt. Aus vielen Landesteilen werden Proteste gemeldet, vor allem Lkw-Fahrer sperren wichtige Straßen. Bilder von brennenden Autoreifen, von Barrikaden zirkulieren in den Netzwerken. Die Justiz ordnete die Räumung der Straßensperren an – ob das so leicht durchsetzbar sein wird, ist allerdings unklar. Die Polizei vermeldete am Dienstag immerhin erste Erfolge.
Am Mittwoch ist in Brasilien Feiertag, eine passende Gelegenheit für den Noch-Amtsinhaber seine Anhänger zu versammeln und auf die Straße zu rufen. In den sozialen Netzwerken häufen sich Clips mit angeblichen Hinweisen auf Wahlbetrug. Doch alle brasilianischen Institutionen und Wahlbeobachter bestätigen, dass es mit rechten Dingen zugegangen ist. Es gibt keine stichhaltigen Beweise für die Behauptungen, die Wahlen seien manipuliert worden. Der Nachrichtensender Globo nennt die Proteste deswegen „antidemokratische Blockaden“.
Amtsinhaber Jair Bolsonaro hat mit seinem langen Schweigen nach der Wahlniederlage seine Anhänger ermuntert auf die Straße zu gehen, trotzdem wuchs der Druck aus den eigenen Reihen das Ergebnis anzuerkennen.
Am Dienstagabend ließ er dann nach einer dünnen Erklärung mitteilen, dass die Übergabe der Amtsgeschäfte autorisiert ist. Keine Gratulation, kein ausdrückliche Anerkennung der Wahlniederlage. Kabinettschef Ciro Nogueira erklärte später, Bolsonaro habe ihn autorisiert, den Prozess zum Regierungswechsel einzuleiten. Die sogenannte Transition ist allerdings ohnehin gesetzlich geregelt, einer Zustimmung der scheidenden Regierung bedarf es nicht.
Nahezu unvorstellbar ist derzeit, dass Bolsonaro am Tag der Amtsübergabe am 1. Januar 2023 Lula zum Amtsantritt gratuliert.
Bolsonaros Vize geht auf die Wahlgewinner zu
Unterdessen hat Bolsonaros Vizepräsident Hamilton Mourao, ein ehemaliger General, bereits Kontakt zu seinem Nachfolger Geraldo Alckmin, der Vizepräsident unter Lula da Silva werden soll, aufgenommen. Mourao gratulierte Alckmin und kündigte eine reguläre Übergabe an. Dass der Ex-General Mourao die Wahlniederlage eingesteht, ist ein wichtiges Zeichen an das Militär. Die Armee hatte ohnehin angekündigt, das Ergebnis zu akzeptieren.
Der Protest wird indessen von Lastwagenfahrern angeführt. „Wir kämpfen für die Demokratie, wir wollen nicht, dass Brasilien kommunistisch wird“, sagt ein aufgebrachter Fahrer in Sao Paulo dem brasilianischen Fernsehen. Die Trucker hatten von den Hilfsmaßnahmen Bolsonaros besonders stark profitiert – der Präsident hatte die Steuern auf Treibstoff deutlich gesenkt und so den Spritpreis spürbar reduziert. Entsprechend groß ist die Sympathie für Bolsonaro. Während der Proteste kam es zu Solidarisierungsbekundungen in Reihen der Verkehrspolizei. Einige Polizisten weigerten sich die Anordnungen der Räumung durchzusetzen. Als Reaktion darauf ordnete die Justiz an, auch die Militärpolizei zur Räumung der Blockaden zu mobilisieren. Aus dem Bundesstaat Rio Grande do Sul gab es Bilder von einem Träneneinsatz gegen Bolsonaro-Anhänger.
Der Wahlsieger bastelt unterdessen an seiner neuen Regierung. Eine der prominentesten Politikerinnen, die in sein Kabinett eintreten könnten, ist die ehemalige Umweltaktivistin und Präsidentschaftskandidatin Marina Silva, die bereits als Umweltministerin unter Lula diente. Allerdings kam es in dieser Zeit zum Streit und zum Bruch mit Lulas linken Arbeiterpartei PT nach einer üblen Diffamierungskampagne gegen Silva im Wahlkampf 2014. Inzwischen haben sich die beiden Lager wieder versöhnt. Silva ließ durchblicken, dass die neue Regierung, obwohl noch nicht im Amt, eine Delegation zur anstehenden Weltklimakonferenz in Ägypten entsenden könnte. Ein Signal, dass es die neue Regierung ernst meint mit dem Klimaschutz und der angekündigten Null-Abholzungs-Strategie im Amazonas-Regenwald.
Innenpolitisch sind die Probleme gewaltig. Mit seinen ersten Äußerungen wandte sich Lula da Silva auch an jene 58 Millionen Brasilianer, die ihm seine Stimme verweigert haben. Es sei nun Zeit sich zu versöhnen: „Es gibt keine zwei Brasilien.“ Doch nach einem schmutzigen, beleidigenden Wahlkampf auf beiden Seiten fällt es vielen schwer, zur Tagesordnung überzugehen. Lula wurde unmittelbar nach der Wahl mit einer großen Ablehnung in Teilen der Bevölkerung konfrontiert. Er hat nun zwei Monate Zeit mit einem klug ausgewählten Personal auch die brasilianische Mitte einzubinden. Und er muss versuchen, die Vorbehalte wegen seiner politischen Mitverantwortung rund um die großen Korruptionsfälle mit einer umsichtigen Politik zu lindern.
Am Dienstag kamen Gerüchte auf, dass Bolsonaro seine Niederlage eingesteht
Während sich Bolsonaro in Schweigen hüllte, äußerte sich zumindest sein Sohn Flavio bei Twitter. „Danke an alle, die uns geholfen haben, den Patriotismus zu retten, die gebetet haben, auf die Straße gegangen sind, ihren Schweiß für das Land gegeben haben. Erheben wir unsere Häupter und geben wir unser Brasilien nicht auf“, schrieb der Senator. „Papa, ich stehe hinter dir.“