Trotz der beunruhigenden Ergebnisse einer Studie zum psychischen Wohlbefinden von Schülerinnen und Schülern in Deutschland schraubt Bayern die Anforderungen im Unterricht nicht nach unten. Kultusministerin Anna Stolz (Freie Wähler) will Schülern vielmehr einen besseren Umgang mit Stress und Druck beibringen – unter anderem mit mehr Bewegung und gesunder Ernährung. „Es kann nicht darum gehen, immer nur Druck rauszunehmen“, betonte sie gegenüber unserer Redaktion. Zu Beginn des Schuljahres war die Ministerin noch von Ministerpräsident Markus Söder bei einem Vorstoß ausgebremst worden, Stegreifaufgaben im Freistaat abzuschaffen.
Die Robert-Bosch-Stiftung hatte am Dienstag ihr jährliches Schulbarometer veröffentlicht. Danach fühlt sich jeder fünfte Schüler in Deutschland nicht wohl. Ebenso viele Schüler klagen über psychische Belastung, damit liegt der Wert weiterhin über dem Vor-Corona-Niveau. Heranwachsende machen sich unter anderem Sorgen um das Klima, ihre Zukunft und schlechte Schulleistungen. Am meisten belasten die Befragten aber Kriege und Konflikte in der Welt. An zweiter Stelle rangierte bei den 1500 befragten Schülerinnen und Schülern der Leistungsdruck in der Schule. Ein Viertel von ihnen machte sich demnach in letzter Zeit Sorgen, in der Schule keine guten Leistungen zu erbringen. Besonders betroffen waren den Autoren zufolge Mädchen zwischen 14 und 17 Jahren.
Schulbarometer der Bosch-Stiftung: Studie zeigt Anstieg psychischer Probleme
Detlef Urhahne, Professor für Pädagogische Psychologie an der Universität Passau, forderte im Gespräch mit unserer Redaktion, die sozialen Kompetenzen von Heranwachsenden konsequenter zu fördern. Wer nicht ausreichend Kontakte knüpfe, sei anfälliger für psychische Probleme. Die Kontaktbeschränkungen der Corona-Pandemie seien immer noch in den Köpfen der Schülerinnen und Schüler. „Das führt dazu, dass sich Kinder und Jugendliche nach wie vor eher zurückziehen“, so Urhahne. Er rät dringend, solche Sorgen ernstzunehmen. Laut Schulbarometer wenden sich die Hälfte aller Eltern, die nach Hilfe für ihr Kind suchen, an Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten. Doch freie Therapieplätze sind knapp, im Schnitt müssen Betroffene 18 Wochen warten. Cornelia Metge von der Bundespsychotherapeutenkammer warnt vor den Folgen: „Diese Wartezeiten sind in Anbetracht der individuellen Belastungen und des Risikos chronischer Krankheitsverläufe deutlich zu lang.“ Die Psychotherapeutenkammer fordert unter anderem mehr Anlaufstellen in den Schulen. Dagmar Wolf von der Bosch-Stiftung betont: „Es muss uns alarmieren, wenn ein Viertel der Schülerinnen und Schüler die Schule als druckvoll erlebt, die eigene Lebensqualität niedrig bewertet und angibt, unterschiedlichen existenziellen Ängsten ausgesetzt zu sein.
Was würde ein Handyverbot an Schulen bringen?
Der Deutsche Philologenverband warnte vor den Folgen des Lehrkräftemangels für die Unterrichtsqualität. „Wir können nur an die Politik appellieren, hier endlich ausreichende Mittel zur Verfügung zu stellen“, so die Verbandsvorsitzende Susanne Lin-Klitzing. Tatsächlich fühlen sich Schüler, die von ihren Lehrkräften ausreichend unterstützt werden, der Studie zufolge insgesamt wohler.
Inwiefern ein Handyverbot, wie es etwa an Grundschulen in den Niederlanden gilt, die Situation verbessern könnte, ist strittig. Anfang November hatte die australische Regierung angekündigt, soziale Medien wie Instagram oder Tiktok erst für Jugendliche ab 16 Jahren zu erlauben. Auch Bildungsexperte Urhahne rät beim Thema Smartphone zu Vorsicht: „Man muss die Konflikte, die sich daraus ergeben, im Auge behalten.“ (mit rys)
Um kommentieren zu können, müssen Sie angemeldet sein.
Registrieren sie sichSie haben ein Konto? Hier anmelden