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Boris Johnson: Rücktritt? Eigene Partei will ihn überzeugen

London

Ende in Sicht: Kann sich Boris Johnson als Premierminister halten?

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    Premierminister Boris Johnson stolpert in die nächste Regierungskrise. Kann er sich im Amt halten?
    Premierminister Boris Johnson stolpert in die nächste Regierungskrise. Kann er sich im Amt halten? Foto: AP / Frank Augstein / Frank Augstein

    Es waren wichtige Minister, die Boris Johnson gestern Abend in der Downing Street 10 besuchten. Mit dabei war unter anderem Innenministerin Priti Patel. Sie wollten Johnson davon überzeugen, zurückzutreten, solange er noch selbst über sein Schicksal entscheiden kann. Doch der britische Premierminister ließ sich davon nicht beeindrucken. Er habe nicht vor zu gehen, betonte er gestern immer wieder und entließ, wie als eine Demonstration seiner verbliebenen Macht, kurz darauf Bauminister Michael Gove, nachdem dieser am Nachmittag seinen Rücktritt gefordert hatte.

    In Gang gesetzt hatten den politischen Sturm gegen Johnson Schatzkanzler Rishi Sunak und Gesundheitsminister Sajid Javid als sie am Dienstagabend ihr Amt niederlegten. Es war der Anfang einer massiven Rücktrittswelle, die noch nicht zu Ende ist. Mehr als 40 Abgeordnete legten gestern ihr Amt nieder.

    „Johnson am Abgrund“ titelte die britische Tageszeitung The Times. Die Frage sei nicht mehr ob, sondern nur noch wann er geht, sind sich Experten einig. Der Druck auf Johnson wuchs am Mittwoch stündlich. Am späten Nachmittag forderte Bauminister Michael Gove, dass er sein Amt niederlegt.

    Eine Delegation von führenden Ministern soll ihn am Abend in der Downing Street besucht haben, um ihn zum Rücktritt zu bewegen. Und auch die Bevölkerung scheint des Regierungschefs überdrüssig. Sieben von zehn Britinnen und Briten sind Umfragen zufolge der Meinung, dass Johnson zurücktreten soll – und 54 Prozent der konservativen Wähler, mehr als jemals zuvor.

    Rücktritt? Boris Johnson will von Vorwürfen nichts gewusst haben

    Dass es ausgerechnet der Skandal um den konservativen Abgeordneten Christopher Pincher sein würde, der Johnson zum Verhängnis wird, damit hatte im Vorfeld keiner gerechnet. Der stellvertretende Parlamentarische Geschäftsführer der Partei trat vergangene Woche zurück, nachdem er zwei Männer in einer Kneipe sexuell belästigt hatte. Es war nicht das erste Mal. Boris Johnson leugnete daraufhin jedoch, über das wiederholte Fehlverhalten Pinchers informiert worden zu sein, bevor er ihm im Februar das Amt übertrug.

    Nachdem jedoch am Dienstag sogar der Ex-Staatssekretär Simon McDonald Johnson in einem außergewöhnlichen Schritt öffentlich per Brief der Lüge bezichtigt hatte, erfolgte eine überraschende Kehrtwende. Der Premier habe doch davon gewusst, erklärte ein Regierungssprecher. Johnson entschuldigte sich am Dienstagabend im Fernsehsender BBC für die Ernennung Pinchers. Für Sunak und Javid war das jedoch wohl „too little, too late“, zu wenig, zu spät, wie Kommentatoren sagten. In seinem Rücktrittsschreiben an den Premierminister teilte Sunak mit, dass die Regierung „so nicht weitermachen kann“, weil Johnson durch sein Verhalten die ganze Partei in Mitleidenschaft ziehe.

    Partygate ist für Boris Johnson noch nicht überstanden

    Tatsächlich ist der Skandal um Pincher nur der vorerst letzte in einer langen Reihe. Zweifel an Johnsons Integrität kamen schon im Oktober letzten Jahres auf. Damals versuchte er, den Abgeordneten Owen Patterson nach Korruptionsvorwürfen vor einer Suspendierung zu bewahren. Wenig später berichtete er von seinem Wochenendausflug in einen Vergnügungspark namens „Peppa Pig World“, imitierte das Geräusch eines beschleunigenden Autos und verglich sich mit Moses, der die zehn Gebote seiner Klimapolitik verbreitet.

    Die schlimmste Krise begann jedoch, nachdem Johnson im Herbst vergangenen Jahres behauptet hatte, nichts von Partys während des Lockdowns in der Downing Street 10 gewusst zu haben. Die Beamtin Sue Gray recherchierte, schließlich nahm auch die Metropolitan Police Ermittlungen auf. Anfang des Jahres erhielt Johnson ein Bußgeld, beendet ist der Skandal damit aber nicht. Eine Untersuchungskommission soll nach wie vor herausfinden, ob Johnson das Parlament belogen hat, als er sich bezüglich der Feiern ahnungslos gab. Die Folge von „Partygate“ waren sinkende Umfragewerte für die Torys und schlechte Ergebnisse für die Partei bei den Regionalwahlen im Mai dieses Jahres.

    Die Idee eines Rücktritts sei "verrückt", meint Johnson

    Während viele Minister in Ermangelung eines Nachfolgers und angesichts globaler Krisen lange an Johnson festhielten, dreht sich nun der Wind. Der Chef der Labour-Partei, Keir Starmer, betonte, dass es endgültig Zeit für einen „frischen Start für Großbritannien“ sei. Johnson bezeichnete die Idee, dass er sein Amt niederlegen solle, jedoch als „verrückt“. Er sagte im Rahmen der gestrigen wöchentlichen Fragerunde, dass es die Aufgabe eines Premierministers sei, in „schwierigen Zeiten weiterzumachen”. Das werde er tun.

    Nachdem Johnson vergangenen Monat ein Misstrauensvotum innerhalb seiner Fraktion überstanden hat, kann eigentlich für ein Jahr kein weiteres ausgerufen werden. Ein Komitee, bestehend aus konservativen Abgeordneten, will jedoch die Regeln ändern und eine erneute Abstimmung möglich machen. Wann dies der Fall sein könnte, blieb zunächst offen. Ohne Unterstützung in der eigenen Partei ist Johnson Experten zufolge jedoch schon jetzt nicht mehr als eine „lahme Ente“ – im Amt, aber ohne Macht.

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