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Boris Johnson: Misstrauensvotum überstanden, aber weiter unter Druck

Großbritannien

Johnson gewinnt das Misstrauensvotum und steht doch unter Druck

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    Boris Johnson hat das Misstrauensvotum gewonnen.
    Boris Johnson hat das Misstrauensvotum gewonnen. Foto: Tayfun Salci, dpa

    Boris Johnson grinste im Laufe seine Amtszeit oft genug verschmitzt in Kameras, während vielen seiner Kritiker das Lachen längst vergangen war. In Krisenzeiten die Fassung zu wahren, ist eine jener Eigenschaft, die zu seinem Ruf beitrug, dass an ihm Skandale abperlten wie an einer Teflonpfanne. Am Montag war das anders. Medien bekamen den Premierminister im Verlauf des Tages nicht zu Gesicht, nicht einmal zu einer morgendlichen Joggingrunde mit seinem Hund Dilyn. Es zeigte: Der konservative Regierungschef machte sich erstmals Sorgen.

    Einen Tag nach den Feierlichkeiten anlässlich des Platin-Jubiläums der Queen sah sich der britische Premierminister mit der größten Krise im Laufe seiner politischen Karriere konfrontiert. Über das Wochenende wurde die kritische Marke von 54 Briefen durch konservative Parlamentsabgeordnete erreicht, die nötig sind, um ein Misstrauensvotum gegen ihn einzuleiten. Der Tory-Abgeordnete Graham Brady, der die Abstimmung beaufsichtigt, informierte den Premier am Sonntagabend darüber.

    Johnson setzte das Votum daraufhin für Montag-Abend an und traf sich im Vorfeld mit Hinterbänklern der Partei, jenen Abgeordneten, die kein Ministeramt innehaben. In einer Rede verwies er auf seine Erfolge im Zuge des Brexits und versicherte, dass er die Partei erneut zum Wahlsieg führen werde. Tatsächlich gewann er gestern das Misstrauensvotum. 211 stimmten für ihn, 148 gegen ihn. Das ist eine Mehrheit von 63 Stimmen. Damit kann offiziell nun für ein Jahr lang kein weiteres Misstrauensvotum gegen ihn eröffnet werden. Teflon-„Boris“ bleibt in der Downing Street. Unterstützung erhielt er im Vorfeld unter anderem von Justizminister Dominic Raab sowie dem Brexit-Befürworter Jacob Rees-Mogg.

    Das Misstrauensvotum ist die Folge des nicht endenden Skandals um Partys in der Downing Street während des Lockdowns, von denen der Premier erst nichts gewusst haben wollte und sie dann angeblich für Arbeitstreffen hielt. Johnson entschuldigte sich immer wieder für die Feiern, Forderungen nach seinem Rücktritt wies er jedoch zurück - und das, obwohl ihn die Mehrheit der Bevölkerung einer Umfrage des Meinungsforschungsinstitutes YouGov zufolge mittlerweile als Lügner bezeichnet.

    Buh-Rufe für Johnson vor den Augen von Milliarden von Zuschauern weltweit.

    Ende Mai wurde schließlich der lange erwartete Untersuchungsbericht durch die Beamtin Sue Gray veröffentlicht. Seit Dezember schon ermittelte diese zu ausschweifenden Feiern in den Jahren 2020 und 2021 in der Downing Street.  Daraus ging hervor, dass die Feiern nicht nur von langer Hand geplant waren; man war auch sehr bemüht, diese zu vertuschen. Außerdem sei bei den Treffen, die teilweise die ganze Nacht andauerten, exzessiv getrunken worden. Manche sollen sich übergeben haben. Schuld daran sei, so folgerte Gray, die Führungsebene, in anderen Worten: Johnson selbst. 

    Als wäre dies nicht genug, wurden die Nerven der konservativen Abgeordneten während der Feierlichkeiten anlässlich des 70. Thronjubiläums der Queen weiter strapaziert. Als der Premier mit seiner Frau Carrie zu einem Dankes-Gottesdienst zu ihren Ehren in der St. Paul’s Kathedrale am vergangenen Freitag ankam, wurde der Jubel schnell von einer Welle von Buh-Rufen übertönt. Eine Szene, die sich während des Konzertes des Fernsehsenders BBC vor dem Buckingham-Palast wiederholte. Vor den Augen von Milliarden von Zuschauern weltweit. 

    So musste Boris Johnson während des Gottesdienstes am Freitag eine Lektion aus dem Philipperbrief lesen, in der die Tugend der Wahrheit gepriesen wurde, ein Text, der vom Palast für ihn ausgewählt wurde. Der Premierminister wirkte auf die Briten an diesem Wochenende schlicht lasterhaft, im Vergleich zu Königin Elizabeth II., die ihr ganzes Leben in den Dienst des Volkes gestellt hat. Bei der Monarchin fühlten sie Stolz, sagten viele. Bei Boris Johnson nicht. 

    Auch wenn viele konservative Abgeordnete diese Sichtweise laut Beobachtern teilen, halten sie aktuell offenbar an ihm fest. Dies liegt vor allem daran, dass es an einem würdigen Nachfolger fehlt. Ist Johnsons Zukunft also nun für ein weiteres Jahr gesichert? Viele Experten bezweifeln dies, darunter Jill Rutter von der Denkfabrik „UK in a Changing Europe“. „Zur Not ändern sie eben die Regeln“, sagte sie gestern, oder drängen ihn aus dem Amt. Dass dies möglich ist, habe man im Fall von Theresa May gesehen. Sie gewann Ende 2018 zwar ein Misstrauensvotum, trat dann jedoch im Mai 2019 von ihrem Amt als Premierministerin zurück. Ein Kommentator des britischen Wochenmagazins The New Statesman betonte: “Diese Parallelen sollten Johnson Sorgen bereiten.“ 

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