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Big Data: Datenschützer warnen vor "Big Data" im Wahlkampf

Big Data

Datenschützer warnen vor "Big Data" im Wahlkampf

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    Trumps Helfer Alexander Nix präsentiert eine Analyse der Bevölkerung von Iowa als potenzielle Wähler von Demokraten (blau) und Republikanern (rot).
    Trumps Helfer Alexander Nix präsentiert eine Analyse der Bevölkerung von Iowa als potenzielle Wähler von Demokraten (blau) und Republikanern (rot). Foto: Bedder, afp

    Es klingt nach einer Mischung aus Horrorgeschichte, Politthriller und Science-Fiction. Die Story könnte „Big Data is watching you“ heißen oder „Zuckerbergs Monster“. Vor gut fünf Jahren waren Facebook und sein Erfinder Mark Zuckerberg noch Kandidaten für den Friedensnobelpreis: Viele Experten waren sich einig, dass der damals hoffnungsvolle Arabische Frühling nicht die Wucht und Macht hätte entfalten können, wenn die aufbegehrenden jungen Menschen nicht das Internet-Netzwerk zur Hilfe gehabt hätten.

    Heute haben sich nicht nur viele Hoffnungen der Arabellion zerschlagen. Spätestens seit dem „Brexit“ und dem überraschenden US-Wahlsieg von Donald Trump ist die Macht von Facebook & Co vielen Menschen unheimlich. Nun steht in den Augen vieler Internetnutzer im Mittelpunkt des realen Politthrillers eine Art neuer Superschurke: Der 41-jährige Brite Alexander Nix.

    Der frühere Finanzanalyst war mit seiner Firma in der Endphase des US-Wahlkampfs oberster Digitalstratege von Donald Trumps Kampagne. Und was nach dem Erfolg des schrillen Immobilien-Milliardärs vielen Menschen Angst macht, ist die Aussage von Nix, sein Unternehmen mit dem wohlklingendem Namen „Cambridge Analytica“ habe mithilfe von Milliarden Datenspuren für fast jeden der 220 Millionen erwachsenen US-Bürger ein psychologisches Persönlichkeitsprofil erstellt. Es basiere unter anderem auf Facebook-Seiten und Kreditkarten-Abrechnungen. „Big Data“ nennen Marketingleute das Prinzip, unzählige individuelle Verbraucher-Daten zu verknüpfen, um auf den einzelnen Kunden zielgerichtete Werbung zu platzieren und ihm so Produkte zu verkaufen. Kann man damit nun auch entscheidend Wahlen manipulieren?

    Viele Insider des US-Politikbetriebs hielten den kühlen rothaarigen Briten Nix für einen talentierten Selbstvermarkter oder gar einen Scharlatan. Nachdem schon viele US-Medien über Nix berichtet hatten, löst nun ein Artikel des Schweizer Magazin, einer gemeinsamen Beilage von vier Schweizer Tageszeitungen, eine breite Kontroverse aus, ob die unheimlich wirkende „Big Data“-Strategie von Nix am Ende die Wahl entschieden hat.

    Hat Big Data die US-Wahl entschieden?

    Die Autoren bieten einen Kronzeugen dafür auf, dass an der gigantischen Psycho-Datenbank des Trump-Helfers einiges dran sein könnte: Michal Kosinski ist Professor an der amerikanischen Stanford-Universität und hatte in seiner Zeit an der britischen Cambridge-Uni jenes Computer-Auswertungs-System entwickelt, auf das Nix setzt.

    Der Marketingexperte Kosinski verwendet einerseits einen weitverbreiteten psychologischen Test, der in Deutschland Fünf-Faktoren-Modell genannt wird. Anhand von dreißig bis über hundert Antworten eines Fragebogens wird die Persönlichkeit eines Menschen abgestuft definiert: Ob er eher konservativ oder neugierig ist, sich eher unbekümmert oder gewissenhaft verhält, zurückhaltend oder gesellig ist, emotional oder selbstbeherrscht reagiert. Der Clou der digitalen Analyse ist das „Matching“, das Abgleichen und Verknüpfen mit anderen Daten – etwa Facebook-Profilen.

    Nach zigtausenden Abgleichen von Fragebögen und Facebook-Profilen filterte Kosinski stets wiederkehrende Zusammenhänge und Verhaltensmuster heraus: Der Wissenschaftler behauptet, dass man aus durchschnittlich 68 Facebook-Likes eines Profils mit 95-prozentiger Sicherheit vorhersagen kann, welche Hautfarbe der Besitzer hat, mit über achtzig Prozent, ob er homosexuell ist oder ob er Demokraten oder Republikaner wählt. Ähnliches gelte für Intelligenz, Religion oder Alkoholkonsum. Mit 300 Likes könne die Technik das Verhalten einer Person eindeutiger vorhersagen als deren Partner. Auf Kosinskis Internetseite applymagicsauce.com kann das jeder, der keine Angst um seine Daten hat, selber testen.

    Trumps Helfer Nix nutzte neben Facebook gigantische Mengen anderer Verbraucherdaten, die bei dem lockeren US-Datenschutz samt Adressen frei käuflich sind. Etwa welche Zeitschriften oder Lebensmittel die Bürger kaufen. Ein entscheidendes Merkmal, ob Wähler für Trumps Werbebotschaften als besonders anfällig gelten, war demnach, ob sie ein Auto aus amerikanischer Produktion fahren. Entsprechend des Psychoprofils bekamen die Wähler individuell maßgeschneiderte Werbebotschaften. Und im trotz Internet wahlentscheidenden Kampf an der Haustüre, konnten Trumps Wahlhelfer auf einer Smartphone-App sehen, bei wem sich das Klingeln lohnt und bei wem nicht. Oder welche Themen sie ansprechen sollten. Auf Hillary Clintons Seite arbeitete übrigens die ehemalige Google-Managerin Stephanie Hannon ebenfalls mit Handy-Apps, um den Haustür-Wahlkampf digital zu optimieren.

    „Big Data“ mag zwar Trumps Wahlsieg nicht allein erklären, aber beim knappen Ergebnis spielte jeder Faktor eine Rolle. Doch was bedeutet dies für Deutschland? „Menschen in der digitalen Welt sind mit nur wenigen Merkmalen berechenbare Größen“, sagt der Hamburger Datenschutzbeauftragte Johannes Caspar. „Was wir aus dem Bereich der Werbung bereits kennen, das funktioniert auch zur Beeinflussung von Wählern.“ Die Technik von „Big Data“ sei ein überaus mächtiges Instrument. „Für die Demokratie, wie wir sie kennen, ist es das Ende, wenn die Überlegenheit von Big-Data-Strategien den Ausgang von Wahlen bestimmt und die Basis bildet für eine intransparente, auf Algorithmen beruhende, gezielte Ansprache des Wählers.“ Caspar fordert eine Stärkung der Rolle des Datenschutzes: „Manipulation darf hier nicht zu einem akzeptierten Werkzeug werden.“

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