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Betrugsprozess in Stuttgart beginnt: „Querdenken“-Gründer Ballweg vor Gericht

Justiz

Prozess gegen „Querdenken“-Gründer Michael Ballweg beginnt

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    Der „Querdenken“-Initiator Michael Ballweg verlässt im Auto eines seiner Rechtsanwälte die Justizvollzugsanstalt Stuttgart-Stammheim.
    Der „Querdenken“-Initiator Michael Ballweg verlässt im Auto eines seiner Rechtsanwälte die Justizvollzugsanstalt Stuttgart-Stammheim. Foto: Marijan Murat, dpa

    Im August betrat Michael Ballweg in Berlin wieder die ganze große Bühne. „Querdenken 711“ hatte zu Protestmarsch in die Bundeshauptstadt geladen, über 9000 Teilnehmer kamen nach Polizeischätzungen am 3. August zur „Großdemonstration für Frieden und Freiheit“. Um „Frieden in Europa“ sollte es gehen, die „herbeigeredete Klimakrise“, so die Ankündigung, den „Niedergang des Geldsystems“, die „digitale Überwachung“ – Themen, die schon während der Großdemonstrationen gegen die staatlichen Schutzmaßnahmen zu Corona-Zeiten aufgetaucht waren. Neben Ballweg griff auch Ralf Ludwig, Rechtsanwalt und Ballweg-Mitstreiter zum Mikrofon. 

    An diesem Mittwoch werden die beiden Seite an Seite auftreten: Vor dem Stuttgarter Landgericht beginnt der Prozess gegen den 49-jährigen früheren IT-Unternehmer Ballweg. Ludwig gehört – neben dem Stuttgarter Rechtsanwalt und CDU-Landtagsabgeordneten Reinhard Löffler sowie dem Berliner Strafrechtler Gregor Samimi - zu Ballwegs Verteidigerteam. 70 Verhandlungstage sind angesetzt.

    Prozess gegen Michael Ballweg: Die Anklage lautet Betrug und Steuerhinterziehung

    Ballweg ist angeklagt des versuchten Betrugs in 9450 Fällen, der Steuerhinterziehung in einem Fall und der versuchten Steuerhinterziehung in weiteren Fällen. Beim Betrugsvorwurf geht es um die Verwendung von Spenden und Zuwendungen von über einer Million Euro, die Ballweg zwischen 2020 und 2022 in der „Querdenken-Bewegung“ eingesammelt haben soll oder ihm über den Verlauf und Vertrieb von Merchandising-Artikeln zugeflossen waren.

    Basis der Anklage ist die Annahme der Staatsanwaltschaft, dass dieses Geld zu einem erheblichen Teil für private Zwecke verwendet wurde. In der Anklageschrift, die unserer Redaktion vorliegt, heißt es, dass ein Teil der Gelder an Ballweg privat ging, an seine IT-Firma „Media Access GmbH“ oder später – nach der Gründung der „Herzensmenschen Familienstiftung“, deren Stiftungszweck die Förderung des Gründers Ballweg und seiner Familie war – an die Stiftung. Ursprünglich hatte die Anklage zusätzlich auf Geldwäsche und gewerbsmäßigen Betrug gelautet. Doch das Gericht hatte die im März 2023 beantragte Eröffnung des Hauptverfahrens abgelehnt, weil es eine hinreichende Täuschungsabsicht Ballwegs in der Anklageschrift nicht erkennen konnte. Erst nach Beschwerde der Staatsanwaltschaft beim Oberlandesgericht sowie einer Abschwächung der Vorwürfe wurde im Januar 2024 dann doch die Anklage vom Landgericht zugelassen. Ballweg hat die Vorwürfe allesamt stets bestritten.

    Ein Impfgegner auf einer Demonstration der Querdenkerbewegung in Berlin. Die Protestaktionen lockten auch Rechtsextreme und Verschwörungstheoretiker an.
    Ein Impfgegner auf einer Demonstration der Querdenkerbewegung in Berlin. Die Protestaktionen lockten auch Rechtsextreme und Verschwörungstheoretiker an. Foto: Carsten Koall, dpa

    Hinter dem heute 49-Jährigen liegt ein langer Weg, seit der Stuttgarter Unternehmer im März 2020 begonnen hatte, gegen die von Landes- und Bundesregierung verhängten Corona-Schutzmaßnahmen zu protestieren und schließlich mit der Gründung der „Querdenken711“-Bewegung den Widerstand zu organisieren. Von Stuttgart aus, nach dessen Postleitzahl ‚0711‘ der Name entstanden war, formierten sich nach diesem Vorbild weitere Protestgruppen über das ganze Bundesgebiet hinweg. Ballweg stellte die staatlichen Maßnahmen als Freiheitsberaubung der Bürger infrage, rief zum Widerstand auf. Zudem unterhielt er Kontakte in die Reichsbürgerbewegung. Dies und die Tatsache, dass sich zahlreiche Anhänger von Verschwörungsideologien wie „QAnon“ sowie Rechtsextremisten oder Akteure aus der Reichsbürgerszene bei den Veranstaltungen tummelten, brachte „Querdenken711“ Ende 2020 die Beobachtung durch den baden-württembergischen Verfassungsschutz aufgrund des Verdachts extremistischer Bestrebungen ein.

    Im Juni 2022 wurde Michael Ballweg dann wegen des Verdachts auf Betrug und Geldwäsche im Zusammenhang mit den Spenden für die „Querdenken“-Bewegung festgenommen, seine Konten wurden eingefroren, sein Vermögen beschlagnahmt. Dass er mit Verweis auf Fluchtgefahr die ungewöhnlich lange Zeit von neun Monaten in Stuttgart-Stammheim in Untersuchungshaft saß, mehrere Haftbeschwerden erfolglos blieben, ließ bei seinen Unterstützern, die regelmäßig zu Hunderten vor den Toren der Justizvollzugsanstalt demonstrierten.

    Es wird mit großem Publikumsandrang gerechnet

    Auf Anfrage teilt das Verteidiger-Team mit, dass sich Ballweg „aus Respekt gegenüber der verhandelnden Kammer“ am Mittwoch vorerst nicht zu den einzelnen Anklagepunkten äußern werde. „Unabhängig davon hat das Verteidigerteam bereits vor der Eröffnung der Hauptverhandlung klargestellt, dass sowohl der Vorwurf des versuchten untauglichen Betrugs als auch der Vorwurf der versuchten Steuerhinterziehung jeglicher Grundlage entbehren. Diese Einschätzung hat sich bis heute nicht geändert“, teilt die Verteidigung mit. Mit Protestaktionen vor dem Landgericht und einem großen Publikumsandrang wird gerechnet.

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