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Berlin: Wie die Berliner GroKo dem neuen Bürgermeister Kai Wegner den Start vermasselt

Berlin

Wie die Berliner GroKo dem neuen Bürgermeister Kai Wegner den Start vermasselt

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    Musste lange bangen: Kai Wegner (CDU).
    Musste lange bangen: Kai Wegner (CDU). Foto: Christophe Gateau, dpa

    Im Roten Rathaus am Berliner Alexanderplatz herrscht am Freitag Tagesgeschäft: Kai Wegner, der frischgebackene Regierende Bürgermeister, hat die Mitglieder seiner neuen Regierung aus CDU und SPD am Morgen zur ersten Arbeitssitzung gebeten. Anschließend werden die Staatssekretäre vereidigt. Am Nachmittag steht für das neue Oberhaupt der 3,8-Millionen-Einwohner-Metropole der erste offizielle Termin an: Die Deutsch-Israelische Gesellschaft feiert den 75. Unabhängigkeitstag Israels.

    Wegners Vorgängerin, Franziska Giffey von der SPD, tritt unterdessen ihr neues Amt als Wirtschaftssenatorin an. Doch der Eindruck, dass hier schon alles rund läuft, dass die Zeiten der Ungewissheit und des Chaos endlich vorüber sind, er täuscht. Denn die neue Große Koalition in der Hauptstadt war am Vortag schon mit einem Eklat gestartet, der nicht gerade eine reibungslose Zusammenarbeit erwarten lässt.

    Berlins neuer Regierender Bürgermeister Kai Wegner (CDU) ernennt seine Vorgängerin Franziska Giffey (SPD) zur Senatorin für Wirtschaft, Energie und Betriebe.
    Berlins neuer Regierender Bürgermeister Kai Wegner (CDU) ernennt seine Vorgängerin Franziska Giffey (SPD) zur Senatorin für Wirtschaft, Energie und Betriebe. Foto: Annette Riedl, dpa

    Wahl in Berlin: Erst nach dem dritten Wahlgang kann Kai Wegner aufatmen

    Erst im dritten Anlauf erreicht der Christdemokrat Wegner im Abgeordnetenhaus die erforderliche Mehrheit. Der kahlköpfige Mann aus dem oft als bürgerlich-spießig geschmähten Bezirk Spandau kommt im ersten Durchgang auf 71, im zweiten auf 79 Stimmen. Für die absolute Mehrheit im Berliner Parlament, das dem Landtag in anderen Ländern entspricht, braucht er 80 Stimmen. Seine CDU und die Koalitionspartnerin SPD aber haben zusammen 86 Stimmen – exakt so viele erhält er im dritten Anlauf dann doch. Perfekt macht die Blamage für Wegner die AfD. Vor der Auszählung des finalen Wahlgangs verbreitet sie, Abgeordnete aus ihren Reihen hätten für Wegner gestimmt, um ihm zum Sieg zu verhelfen. Nachprüfen lässt sich das nicht, doch allein die Behauptung sorgt dafür, dass sich viele Beobachter an die „Schande von Erfurt“ erinnert fühlen. Dort war der FDP-Politiker Thomas Kemmerich 2020 mit Stimmen von CDU und

    Wollte die AfD nur „chaotisieren“?

    Wegner weist die Vermutung, er habe seine Wahl auch den Rechtspopulisten zu verdanken, zurück: „Die AfD wollte einfach chaotisieren, das sind Demokratiefeinde, darauf lassen wir uns gar nicht ein.“ An der Schmach, dass bis zu 15 Abgeordnete aus den Reihen der eigenen Koalition ihn überhaupt erst in Verlegenheit gebracht haben, kommt er indes nicht vorbei. Zunächst wurde allgemein angenommen, dass es sich bei den Abweichlern zumindest in der Mehrzahl um Angehörige der SPD handelte, die mit ihrem Wahlverhalten ihren Unmut darüber zum Ausdruck bringen wollten, dass ihre Chefin Franziska Giffey überhaupt die Koalition mit Wegner, dem klaren Sieger der Wiederholungswahl, eingegangen war. Viele in der Fraktion stehen politisch weit links und hätten eine Fortsetzung des Bündnisses mit Grünen und Linkspartei vorgezogen, das theoretisch ja möglich gewesen wäre. Noch dazu unter Führung der SPD, die lediglich ein paar Stimmen mehr hatte als die Grünen. Auch die Berliner SPD-Mitglieder machten es spannend: Nur rund 54 Prozent sprachen sich für die Koalition mit Wegner und der CDU aus. 

    Doch für die fehlenden Stimmen, die erst ganz am Ende dann doch wieder bei Wegner landeten, gibt es mehrere mögliche Erklärungen. Einige Abweichler könnten auch aus Wegners CDU selbst gekommen sein. Die hatte zwar, anders als die SPD, einstimmig für das Bündnis gestimmt, offene Kritik am Spitzenkandidaten hatte es kaum gegeben. Dagegen aber dem Vernehmen nach durchaus einiges Murren hinter vorgehaltener Hand. Etwa von altgedienten Parteileuten, die sich bei der Vergabe der Spitzenposten im neuen Senat übergangen fühlten. Anders als die SPD, die auf bewährte Kräfte setzt, holte Wegner eine Reihe von Leuten von außen. Felor Badenberg, zuvor Vizechefin des Bundesamts für Verfassungsschutz, wird Justizsenatorin, der Musikmanager Joe Chialo Kultursenator. Dass zumindest hinter einigen der Nein-Stimmen enttäuschte Posten-Hoffnungen stecken könnten, ist also durchaus denkbar. 

    Franziska Giffey, Regierende Bürgermeisterin, und Kai Wegner, Vorsitzender der CDU Berlin.
    Franziska Giffey, Regierende Bürgermeisterin, und Kai Wegner, Vorsitzender der CDU Berlin. Foto: Monika Skolimowska, dpa

    Ernste Gespräche mit möglichen Abweichlern nach der holprigen Wahl

    Als es nach dem zweiten Wahlgang wirklich eng wurde, hat es bei CDU und SPD ernste Gespräche mit Parlamentariern gegeben, die als mögliche Abweichler verdächtigt wurden. Womöglich ist da bei der einen oder dem anderen dann doch die Erkenntnis gereift, dass eine Selbstblockade den Menschen in Berlin kaum vermittelbar wäre und gerade die SPD weiteres Vertrauen kosten könnte. Wegner bleibt immerhin der Trost, dass er nun wirklich mit Fug und Recht behaupten kann, es gegen wirklich alle nur denkbaren Widerstände ins Amt geschafft zu haben. Vielleicht sind das gar keine so schlechten Voraussetzungen für den Job in der für ihr Chaos berüchtigten Hauptstadt.

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