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Berlin: Wie CDU-Mann Kai Wegner das Rote Rathaus in Berlin eroberte

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Wie CDU-Mann Kai Wegner das Rote Rathaus in Berlin eroberte

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    Franziska Giffey (SPD) und Kai Wegner (CDU), sprechen zum Beginn der Koalitionsverhandlungen.
    Franziska Giffey (SPD) und Kai Wegner (CDU), sprechen zum Beginn der Koalitionsverhandlungen. Foto: Fabian Sommer, dpa (Archivbild)

    "König ohne Land" wurde er oft genannt, mal eher aus Mitleid, mal mit unverhohlener Häme. Das linke Berlin regieren, mit CDU-Parteibuch? Nie und nimmer, so hieß es vor der Wahl und sogar noch, als er sie schon gewonnen hatte. Doch all den Unkenrufen zum Trotz: Kai Wegner hat es geschafft, wird neuer Regierender Bürgermeister von Berlin. Doch den 50-Jährigen erwartet alles andere als eine leichte Aufgabe, nicht nur, weil die Hauptstadt auch als Chaos-Kapitale gilt. All die Probleme, von der Wohnungsnot über die Misere der Schulen bis hin zur grassierenden Clan-Kriminalität, muss er in einem Bündnis anpacken, das auf tönernen Füßen steht. Denn der Koalitionspartner SPD hat sich nur sehr widerstrebend gefügt. 

    Verliererin Franziska Giffey hätte auch Chefin bleiben können

    Eine Zweckehe, keine Liebesheirat, ist es nun geworden, Krach scheint kaum vermeidbar. Dafür sorgt schon die Ausgangslage: Rein rechnerisch hätte die deutlich bekanntere Franziska Giffey den Chefsessel im Roten Rathaus – das nur wegen der Farbe seiner Ziegel so heißt – ja auch behalten und die bisherige Koalition ihrer Sozialdemokraten mit Grünen und Linkspartei fortsetzen können. Genau das hätte sich ein großer Teil der Berliner Genossen gewünscht, manche sogar den Gang in die Opposition vorgezogen. Denn die Hauptstadt-SPD gilt als deutlich linker geprägt als andere Landesverbände. Einige Untergruppen, darunter die Jusos, hatten massiv Stimmung dagegen gemacht, die schon im Bund ungeliebte Große Koalition ausgerechnet in der 3,7-Millionen-Einwohner-Metropole wiederzubeleben. Mit der knappen Mehrheit von 54 Prozent für Schwarz-Rot endete am Wochenende der Mitgliederentscheid. 

    Für Kai Wegner, den Sohn einer Verkäuferin und eines Bauarbeiters aus dem eher ärmlichen Bezirk Spandau, ist damit der Weg an die Spitze frei. "Ich bin froh, dass sich die Mehrheit der SPD-Mitglieder für eine pragmatische Politik entschieden hat." Dies sei ein "Signal der Vernunft". Die Zustimmung seiner CDU am Montagnachmittag war dann nur noch Formsache. Wegner und Giffey, das ist das Duo, um das sich in der Berliner-Politik in den kommenden dreieinhalb Jahren alles drehen wird. Normalerweise dauert die Legislaturperiode fünf Jahre, doch Anfang Februar musste die Chaos-Wahl vom Herbst 2021, bei der Stimmzettel ausgingen und sich lange Warteschlangen bildeten, wiederholt werden. Die amtierende Landesmutter Giffey landete dabei nur noch auf Platz zwei. Wegner, der gelernte Versicherungskaufmann und seine CDU holten rund zehn Prozentpunkte Vorsprung auf die SPD und die Grünen, die mit nur wenigen Stimmen Unterschied jeweils 18,4 Prozent erreichten. Die Linke folgte mit 12,2 Prozent auf Platz vier, die FDP verfehlte den Sprung über die Fünf-Prozent-Hürde. 

    SPD und Grüne konkurrieren im Lager links der Mitte

    Dass die SPD der Versuchung widerstand, das rot-grün-rote Bündnis fortzusetzen, begründet Giffey offiziell damit, dass mit Wegners CDU mehr sozialdemokratische Inhalte durchsetzbar seien. Tatsächlich geht es auch und vor allem um andere Dinge: Zu den Grünen und deren Frontfrau Bettina Jarasch war das Verhältnis zuletzt schwierig bis zerrüttet. 

    Bettina Jarasch war die Spitzenkandidatin von Bündnis 90/Die Grünen. Künftig gehört sie der Berliner Opposition an.
    Bettina Jarasch war die Spitzenkandidatin von Bündnis 90/Die Grünen. Künftig gehört sie der Berliner Opposition an. Foto: Sebastian Gollnow, dpa (Archivbild)

    Wie im Bund sind die Grünen nicht mehr natürlicher Bündnispartner, sondern vor allem stärkste Konkurrenz im Lager links der Mitte. Für eine weitere Koalition hätte die SPD zudem wohl dem Drängen der Linkspartei nach einer Enteignung großer Wohnungsvermieter nachgeben und den autofeindlichen Kurs der Grünen verlängern müssen. Eine Regierung als deutliche Verliererin gegen einen derart klaren Sieger aus einer demokratischen Partei zu bilden, das wäre zwar nicht undenkbar gewesen, hätte aber doch einen Verstoß gegen die guten politischen Sitten dargestellt. Giffey musste fürchten, künftig als "Pattex-Franzi" geschmäht zu werden, die an ihrem Sessel klebt. 

    Im Koalitionsvertrag muss Wegner der SPD weit entgegenkommen

    Den totalen Machtverlust, den der Gang in die Opposition bedeutet hätte, wollte die Ex-Bundesfamilienministerin aber auch nicht in Kauf nehmen. So verhandelte sie dann doch mit dem Wahlsieger über ein Bündnis.

    Raed Saleh (SPD), Franziska Giffey (SPD), Kai Wegner (CDU) und Stefan Evers (CDU) stehen bei einem Pressetermin zur Vorstellung des Koalitionsvertrags.
    Raed Saleh (SPD), Franziska Giffey (SPD), Kai Wegner (CDU) und Stefan Evers (CDU) stehen bei einem Pressetermin zur Vorstellung des Koalitionsvertrags. Foto: Monika Skolimowska, dpa (Archivbild)

    Wegner, der sich im Wahlkampf als "Schutzpatron der Autofahrer" bezeichnet hatte, aus dessen Partei die umstrittene Frage nach den Vornamen der Randalierer aus der Silvesternacht kam, die im linken und grünen Lager als rassistisch empfunden wurde, musste den Genossen in den Verhandlungen allerdings weit entgegenkommen. Zu den Kernpunkten des Koalitionsvertrags gehören größere Anstrengungen beim Wohnungsbau, ein Milliardenprogramm für den Klimaschutz sowie die Reform der Verwaltung. Beide Seiten bekommen jeweils fünf Senatsverwaltungen, wie die Landesministerien in Berlin heißen. Franziska Giffey tritt als künftige Wirtschaftssenatorin ins zweite Glied zurück. Regierender Bürgermeister aber wird Kai Wegner. 22 Jahre nach dem Ende der Amtszeit von Eberhard Diepgen führt künftig wieder ein Christdemokrat die Hauptstadt.

    Das ist der künftige Berliner Senat

    Berlin wird künftig von einer Koalition aus CDU und SPD geführt, der Christdemokrat Kai Wegner wird Regierender Bürgermeister. Franziska Giffey (SPD), die bisherige Chefin im Roten Rathaus, wird Wirtschaftssenatorin. Raed Saleh, der zusammen mit ihr die Berliner Lands-SPD führt, will dagegen nicht Teil der Regierung sein. Deren Wirken, "insbesondere das der CDU", werde er "als Landes- und Fraktionsvorsitzender kontrollieren und nötigenfalls korrigieren", kündigte Saleh an.

    Weitere designierte SPD-"Ministerinnen und -minister" sind: Cansel Kiziltepe, aus Kreuzberg stammende Bundestagsabgeordnete vom linken Parteiflügel. Sie soll das Ressort für Arbeit, Soziales und Antidiskriminierung übernehmen. In der Partei gilt sie als Gegengewicht zur bürgerlich-pragmatischen Giffey. Als Innensenatorin bleibt Iris Spranger im Amt. Für Wissenschaft und Forschung zeichnet Ina Czyborra verantwortlich. Um das in der von Wohnungsnot geplagten Stadt besonders wichtige Thema Bauen, Wohnen und Stadtentwicklung kümmert sich künftig Christian Gaebler

    Die CDU will eigenen Angaben zufolge die parteilose Felor Badenberg, bisher Vizechefin des Bundesverfassungsschutzes, zur Justizsenatorin machen. Manja Schreiner, Hauptgeschäftsführerin des regionalen Arbeitgeberverbandes Fachgemeinschaft Bau Berlin und Brandenburg, soll Senatorin für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz werden. Der Berliner CDU-Generalsekretär Stefan Evers wird das Finanzressort übernehmen. Katharina Günther-Wünsch wird Bildungssenatorin, Falko Liecke, Klartext-Jugendstadtrat aus Neukölln, ist als ihr Staatssekretär im Gespräch. Der Musikmanager Joe Chialo ist für das Amt des Kultursenators vorgesehen. Der gebürtige Bonner, dessen Eltern aus Tansania stammen, wäre damit der erste CDU-Landesminister mit afrikanischen Wurzeln. 

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