Wenn Politiker dieser Tage Kontakt zu sogenannten normalen Leuten suchen, landen sie beinahe unweigerlich beim Döner. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier reiste im April mit einem tiefgefrorenen 60-Kilo-Ungetüm als Gastgeschenk in die Türkei. Bayerns Ministerpräsident Markus Söder lud kürzlich Wähler zum Kultimbiss ein. Mittlerweile verkaufen sie in München sogar erfolgreich T-Shirts mit der Aufschrift „Söder Kebab”, unter dem das Konterfei des CSU-Mannes, wie er Hand am Spieß anlegt, prangt.
Es soll Zeiten gegeben haben, da war ein Döner einfach nur ein Döner, aber die sind vorbei. Heute muss er im politischen Betrieb wahlweise als Symbol für gelungene Integration, Volksnähe oder die Sorge vor Inflation herhalten. Vielleicht kochen deshalb zurzeit die Emotionen zwischen Berlin und Ankara hoch. Denn die Sache mit oder ohne Scharf sorgt jetzt sogar für diplomatische Scharmützel. Die Frage lautet im weitesten Sinne: Wem gehört der Döner? Die Antwort könnte am Ende ausgerechnet die EU geben müssen.
Die EU muss wohl die Frage beantworten: Wem gehört der Döner?
Im Frühjahr hatte der internationale Dönerverband mit Sitz in Istanbul beantragt, den Namen Döner als „garantiert traditionelle Spezialität“ in ganz Europa zu registrieren. Die Organisation, zu der sich eine Reihe türkischer Produzenten zusammengeschlossen hat, will, dass das Gericht mit einem EU-Schutzsiegel versehen wird, wie etwa die Pizza Napoletana oder die Heumilch eines tragen. Das Etikett bescheinigt, dass ein Lebensmittel auf „traditionelle” Weise hergestellt oder verarbeitet wurde oder es aus „traditionellen” Zutaten besteht. Ein Gesuch nach Schutz und Eintragung von Produktbezeichnungen können auch Drittstaaten stellen.
Hätten die Türken mit ihrem Vorstoß Erfolg, müssten Fleischspieße künftig in der gesamten Gemeinschaft nach einheitlichen Regeln fabriziert werden. Wer die Vorgaben ignoriert, dürfte nicht mehr vom Döner sprechen. Es wäre das Ende der deutschen Dönervielfalt und der mögliche Beginn von Drehspießbuden. Denn in der Bundesrepublik packen die Macher gerne Kalbs- und Jungrindfleisch oder auch Pute ins Fladenbrot.
Um die beliebte Speise vor der Initiative zu retten, legte deshalb im Sommer unter anderem das Bundeslandwirtschaftsministerium in Brüssel Einspruch gegen den Antrag ein mit dem Hinweis, ein Gütesiegel würde zu großen bürokratischen Hürden führen und den Preis für den Imbiss in die Höhe treiben.
Streit um den Döner: Einen Termin für Gespräche gibt es bisher nicht
Wie der Döner in Deutschland zubereitet und gegessen werde, „sollte jeder selbst entscheiden dürfen”, schrieb Landwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) damals auf der sozialen Plattform X. Da brauche es keine Vorgaben aus Ankara. „Wir dürfen nicht zulassen, dass die sinnvolle Regelung der geschützten Ursprungsbezeichnungen instrumentalisiert oder sogar gegen uns genutzt wird“, sagte die CDU-Europaabgeordnete Christine Schneider unserer Redaktion. Vielmehr versuchten türkische Geschäftsleute, „EU-Gesetzgebung zu ihrem Vorteil zu manipulieren und mediale Aufmerksamkeit zu erzeugen“.
Nachdem die Brüsseler Behörde in den vergangenen Wochen die Einsprüche prüfte, hat sie nun beide Seiten „zu Konsultationen eingeladen“, wie ein Sprecher auf Anfrage bestätigte. Drei Monate bleiben der Türkei und Deutschland zunächst Zeit, um sich zu einigen. Aus Berlin hieß es, dass der Prozess zwar angelaufen sei, es aber noch keinen Termin für Konsultationen gebe. Finden beide Seiten selbst nach einer Verhandlungsverlängerung von weiteren drei Monaten keinen Kompromiss, liegt die Entscheidung über die Eintragung ins Spezialitätenregister bei der EU-Kommission. Die CDU-Abgeordnete Schneider erwartet für diesen Fall, „dass der Döner weiterhin Döner heißen darf“.
Wenn es anders kommt, müssten die Deutschen einiges ändern. Zu den Forderungen des Verbands gehört etwa, dass lediglich das Keulen- oder Rückenfleisch von mindestens sechs Monate alten Schafen oder von Rindern ab 16 Monaten verwendet wird. Genau geregelt werden soll auch, welche Gewürze für die Marinade erlaubt sind, wie lange gegart werden muss und wie dick die Fleischscheiben zu sein haben: zwei bis fünf Millimeter. In dem Antrag wird sogar ausgeführt, dass das Fleisch von oben nach unten vom Spieß abgeschnitten werden muss – mit einem etwa 55 Zentimeter langen Messer. Immerhin das Beiwerk möchten die Türken nicht antasten. Es bliebe weiterhin den Imbiss-Verkäufern überlassen, welches Brot und welchen Salat sie verwenden und ob sie eine Trüffel- oder Cocktailsoße anbieten.
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