Nach der Niederlage der pro-armenischen Kräfte gegen Aserbaidschan hat die Regierung der international nicht anerkannten Republik Arzach (Bergkarabach) die Auflösung aller ihr unterstehenden Behörden bis zum 1. Januar 2024 beschlossen. Der Präsident von Bergkarabach, Samvel Shahramanyan, hat ein entsprechendes Dekret unterzeichnet. Damit werde Bergkarabach "aufhören, zu existieren". Das berichteten armenische Medien am Donnerstag.
Auflösung von Bergkarabach: Bevölkerung soll sich mit Bedingungen für "Reintegration" vertraut machen
Die Entscheidung wurde demnach wegen der schweren politischen und militärischen Lage getroffen. Sie ziele darauf ab, die Sicherheit und das Leben der Bevölkerung zu schützen. Das Dekret beruft sich auf eine in der vergangenen Woche erzielte Vereinbarung zur Beendigung der Kämpfe. Demnach lässt Aserbaidschan die "freie, freiwillige und ungehinderte Bewegung" der Bewohner Bergkarabachs zu und im Gegenzug sollten die armenischen Truppen die Waffen niederlegen.
Die Bevölkerung von Bergkarabach wird aufgefordert, sich mit den von Aserbaidschan vorgelegten Bedingungen für die "Reintegration" in der Region vertraut zu machen. Dann sollen die Bewohner laut dem Erlass Schachramanjans selbst entscheiden, ob sie in Bergkarabach bleiben wollen.
Bergkarabach wird nach jahrelangen Kämpfen aufgelöst
Völkerrechtlich gehört Bergkarabach zu Aserbaidschan. In dem Gebiet lebten aber bisher überwiegend Armenier. Jahrelang kämpften Aserbaidschan und Armenien um die Region. Aserbaidschan startete am 19. September eine groß angelegte Militäroffensive. Schon einen Tag später mussten sich die pro-armenischen Kämpfer von Bergkarabach geschlagen geben.
Daraufhin flüchteten Zehntausende Menschen, die Gewalt und Verfolgung durch die Sieger befürchten, aus der Region. Die Regierung in Eriwan teilte mit, dass inzwischen 65.000 Menschen – und damit mehr als die Hälfte der Bevölkerung Bergkarabachs – nach Armenien geflohen seien.
Flucht aus Bergkarabach: Armenier verlassen Region
Weitere Zwangsumsiedler sind auf dem Weg. Auf Satellitenbildern sind lange Autostaus entlang des Latschin-Korridors, der einzigen Verbindung aus der abgelegenen Gebirgsregion nach Armenien, zu sehen. Das aserbaidschanische Militär, das den Korridor zuvor monatelang blockiert und somit eine humanitäre Katastrophe in Bergkarabach provoziert hatte, hat die Trasse für die Ausreise der Armenier geöffnet – jedoch unter strenger Kontrolle.
So haben die Behörden in Baku am Mittwoch am Grenzübergang den Ex-Regierungschef von Bergkarabach, Ruben Wardanjan, festgenommen. In Aserbaidschan wird dem einst auch in Russland aktiven Geschäftsmann nun unter anderem Finanzierung von Terrorismus vorgeworfen, wie aserbaidschanische Medien am Donnerstag meldeten. Experten gehen davon aus, dass praktisch alle in Bergkarabach lebenden Armenier die Region verlassen. Offiziellen Angaben zufolge waren das zuletzt 120.000 Menschen. (mit dpa)