Es war 12 Uhr mittags am Sonntag, als sich Papst Franziskus vom Apostolischen Palast zum Angelusgebet an Neujahr an die auf dem Petersplatz versammelten Menschen wandte. Der Papst sprach von der „heiligsten Maria“. „In diesen Stunden bitten wir sie insbesondere um ihre Fürsprache für den emeritierten Papst Benedikt XVI., der gestern Morgen von uns gegangen ist“, sagte Franziskus und hielt inne. Die rund 40.000 Menschen auf dem Platz antworteten mit warmem Applaus für den am Silvestertag verstorbenen Papst aus Deutschland.
Er danke Gott „für das Geschenk dieses treuen Dieners des Evangeliums und der Kirche“, fuhr Franziskus fort. Bei der Neujahrsmesse zuvor im Petersdom hatte er ebenfalls die Muttergottes angerufen, Benedikt XVI. „bei seinem Übergang von dieser Welt zu Gott“ zu begleiten. Am Donnerstag wird Franziskus als erster Papst überhaupt seinen Vorgänger zu Grabe tragen und auf dem Petersplatz eine Trauermesse feiern. Erwartet werden Delegationen aus Deutschland und Italien. Anschließend soll Benedikt XVI. gemäß seinem Wunsch in der Grotte im Petersdom beerdigt werden.
Papst Benedikt XVI. wird von Montag bis Mittwoch aufgebahrt
Bedrückte Atmosphäre herrschte am Sonntag auf dem sonnigen Petersplatz nicht. „Es tut mir Leid für ihn, aber mit 95 Jahren hat Ratzinger ein stattliches Alter erreicht“, sagte ein Tourist aus Ingolstadt, der sich nicht namentlich zitieren lassen wollte. „Ich denke, viele in Deutschland haben sich auch wegen Benedikt XVI. von der Kirche abgewendet“, mutmaßte eine Nürnberger Touristin, die zu einer Silvesterfahrt in die Stadt gekommen war.
Dass am Vortag ein Papst im Vatikan gestorben war, war nur an kleinen Details zu erkennen. Arbeiter errichteten vor dem Petersplatz ein Gerüst für die Fernsehsender, die die Begräbnisfeier am Donnerstag übertragen werden. Die Polizei erwartet dazu bis zu 60.000 Besucher, ein Bruchteil der Million Menschen, die 2005 zur Begräbnisfeier für Johannes Paul II. gekommen waren. Auch die Metallgitter für die Schlange der Menschen, die sich von Benedikt XVI. verabschieden wollen, wurden aufgebaut. Der Leichnam des emeritierten Papstes, der 2013 zurücktrat, wird von Montagmorgen bis Mittwoch im Petersdom aufgebahrt sein.
Benedikts letzte Worte waren laut Medien "Jesus, ich liebe dich"
Am Sonntag veröffentlichte der Vatikan Bilder vom Totenbett Benedikts aus dem Vatikan-Kloster Mater Ecclesiae. In der Kapelle am früheren Wohnsitz des emeritierten Papstes war der Leichnam am Sonntag aufgebahrt worden. Wie die argentinische Zeitung La Nacion berichtete, sollen die letzten Worte Benedikt XVI. „Jesus, ich liebe dich“ gelautet haben. Wie es weiter heißt, habe Benedikts Privatsekretär Georg Gänswein unmittelbar nach dessen Tod am Samstagmorgen Papst Franziskus verständigt. Der sei sogleich ins Kloster gekommen und habe sich als erster von Benedikt XVI. verabschiedet.
Am Todestag hatte der Vatikan das „geistige Testament“ Benedikt XVI. veröffentlicht. In diesem auf den 29. August 2006 datierten Text, den Benedikt demnach in seinem zweiten Amtsjahr als Papst verfasste, ruft der damalige Papst insbesondere die Gläubigen in Bayern und Deutschland dazu auf, sich nicht beirren zu lassen. „Ich bete darum, dass unser Land ein Land des Glaubens bleibt und bitte Euch, liebe Landsleute: Lasst euch nicht vom Glauben abbringen.“
Benedikt XVI. bittet in seinem Testament um Vergebung
Programmatisch schreibt Benedikt XVI. auch über den Zusammenhang von Glauben und Vernunft. „Ich habe von Weitem die Wandlungen der Naturwissenschaft miterlebt und sehen können, wie scheinbare Gewissheiten gegen den Glauben dahinschmolzen“, heißt es in dem zweiseitigen Text. Er habe auch in der Theologie über die Generationen hinweg „unerschütterlich scheinende Thesen zusammenbrechen sehen, die sich als bloße Hypothesen erwiesen“. Explizit nannte er „die liberale Generation, die „existenzialistische Generation“ sowie die „marxistische Generation“. Aus jenem „Gewirr der Hypothesen“ sei schließlich „neu die Vernunft des Glaubens hervorgetreten“. Jesus Christus sei „wirklich der Weg, die Wahrheit und das Leben – und die Kirche ist in all ihren Mängeln wirklich sein Leib.“
In seinem Testament blickte der frühere Papst mit Dankbarkeit auf sein Leben zurück. Insbesondere seinen Eltern und seinen Geschwistern dankte er und bat auch für seine Fehler um Vergebung. „Alle, denen ich irgendwie Unrecht getan habe, bitte ich von Herzen um Verzeihung“, heißt es in dem Text.