Die Bauern haben viele Traktoren, doch die Flotte der Lkw ist um ein Vielfaches größer. Was vor einer Woche als Protest der Landwirte begann, hat mittlerweile andere Wirtschaftszweige erfasst. Zur Abschlusskundgebung in der Mitte Berlins versammelten sich am Montag Tausende Unzufriedene. Sie stellten die Straßen nach den Zahlen der Polizei mit insgesamt 6000 Traktoren und Lkw zu. Neben den Bauern protestierten Waldbesitzer, Fleischer, Handwerker, Gastronomen und die Spediteure. Die Regierung muss sich darauf einstellen, dass keine Ruhe einkehrt und der Widerstand auf der Straße anhalten könnte.
Der Chef des Logistikverbandes BGL drohte unverblümt damit, das Land stillzulegen, wenn die Ampel nicht einen Schritt auf seine Unternehmen zumachen werde. „Zwei bis drei Tage keinen Transport durch unsere Mitglieder dann haben wir in dem Land das blanke Chaos“, rief Dirk Engelhardt der Menge zu. Rund 80 Prozent aller Güter werden in Deutschland per Lkw transportiert.
Chef des Logistikverbandes: "Wir werden auch wiederkommen"
Die Spediteure sind schwer verärgert, weil ihnen die Ampelkoalition einen Doppelschlag versetzte. Zunächst hob sie Maut-Gebühren für Autobahnen und Bundesstraßen zum ersten Dezember an, gefolgt von der steigenden CO₂-Abgabe zum Jahreswechsel. Das Verkehrsministerium beziffert die Einnahmen allein aus der Mauterhöhung mit 7,5 Milliarden Euro pro Jahr, die die Unternehmen zunächst aufbringen müssen. „Da lässt uns die Ampel bitterlich im Stich. (…) Wir werden auch wiederkommen, wenn wir nicht berücksichtigt werden“, meinte Engelhardt.
Die Landwirte haben mit ihren Straßenblockaden und Demonstrationen in der gesamten Republik ein Beispiel gegeben, dass die Regierenden einknicken, wenn der Protest Wucht entfaltet. Die Ampelkoalition entschärfte die eigentlich geplanten Mehrbelastungen bei Diesel und Kfz-Steuer für landwirtschaftliche Fahrzeuge. Doch das reicht den Bauern nicht, sie bestehen auf der vollständigen Rücknahme der angedachten Steuererhöhungen.
Ein Treffen des Bauernverbandes mit den Fraktionsvorsitzenden der Ampel-Parteien im Anschluss an die Großkundgebung brachte keine konkreten Ergebnisse im Diesel-Streit. Das Dreierbündnis versuchte Zeit zu gewinnen, indem es den Landwirten versprach, bis zur Sommerpause einen substanziellen Plan zum nachhaltigen Umbau der Landwirtschaft vorzulegen.
Auch die Bauern drohen mit neuen Protesten
Bauernpräsident Joachim Rukwied genügte das nicht. Er verlangte, dass bis zur Bereinigungssitzung der Haushaltsgesetzgebung am Donnerstag dem Kraftstoffprivileg der Bauern wieder Geltung verschafft werden müsse. „Wir hoffen, dass dort ein gutes Ergebnis erarbeitet werden kann", sagte der 62-Jährige. "Für den Fall, dass es kein Ergebnis geben sollte, behalten wir uns weitere Aktionen vor."
Die Abgeordneten von SPD, Grünen und FDP stehen selbst in Teilen in Widerspruch zur eigenen Bundesregierung. Abgeordnete aus ländlichen Wahlkreisen machen Druck auf Minister und Fraktionschefs, den Bauern noch weiter entgegenzukommen. Bundesfinanzminister Christian Lindner blieb auf der Demo indes hart. „Es soll und es darf kein Sonderopfer der Landwirtschaft geben, sondern nur einen fairen Beitrag“, schrie der FDP-Chef der brodelnden Masse entgegen. Der Rücknahme der stufenweisen Abschaffung der Vergünstigung gab er damit keine Chance.
Lindner hatte große Mühe, durch das Pfeifkonzert aus tausenden Kehlen durchzudringen. "Hau-ab"-Rufe und die laute Forderung nach einem Ende der Ampel-Regierung machten es ihm schwer. Er bot den Aufgebrachten aber eine Glättung der Einkommensteuer an, um die Steuerlast zwischen guten und mageren Jahren einzuebnen. Außerdem will Lindner der Agrarbranche beim Einsatz von Gentechnik, Pestiziden und Tierschutz entgegenkommen. Das wiederum dürfte seinen grünen Koalitionspartner nicht erfreuen.