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Außenpolitik: Was feministische Außenpolitik bewirken soll

Außenpolitik

Was feministische Außenpolitik bewirken soll

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    Junge Mädchen stehen bei ihren Müttern, die auf dem zweiwöchentlichen Karmo-Straßenmarkt in Nigeria Gemüse verkaufen.  Vielen Mädchen in Afrika wird ein Schulbesuch vorenthalten.
    Junge Mädchen stehen bei ihren Müttern, die auf dem zweiwöchentlichen Karmo-Straßenmarkt in Nigeria Gemüse verkaufen. Vielen Mädchen in Afrika wird ein Schulbesuch vorenthalten. Foto: Ben Curtis, dpa

    Wenn Außenministerin Annalena Baerbock auf Reisen geht, dann versucht sie etwas, das in der Politik bislang kaum üblich ist: Sie versucht, Frauen sichtbar zu machen. Baerbock besucht weibliche Erdbebenopfer, sie spricht mit weiblichen Oppositionellen, sie gibt Aktivistinnen eine Bühne. Auf der Münchner Sicherheitskonferenz strahlte sie gemeinsam mit zehn Amtskolleginnen, die sie zum Arbeitsfrühstück getroffen hatte, für ein Selfie in die Handy-Kamera.

    Baerbocks Botschaft ist klar: Frauen haben etwas zu sagen, deshalb sollen sie auch Gehör finden. Eines der wichtigsten Projekte der Ministerin, mit der sie ihrem Haus einen eigenen Stempel aufdrücken will, ist deshalb die feministische Außenpolitik. Ein Begriff, der selbst in der eigenen Regierungskoalition polarisiert.

    Außenministerin Annalena Baerbock (Grünen) und Entwicklungsministerin Svenja Schulze (SPD) stellen die Leitlinien zur feministischen Außenpolitik vor.
    Außenministerin Annalena Baerbock (Grünen) und Entwicklungsministerin Svenja Schulze (SPD) stellen die Leitlinien zur feministischen Außenpolitik vor. Foto: Wolfgang Kumm, dpa

    Das Konzept hinter diesem Schlagwort stellte die Ministerin am Mittwoch gemeinsam mit Entwicklungshilfeministerin Svenja Schulze vor. 80 Seiten umfasst der Katalog. Ziel der darin aufgeführten Vorgaben ist es, unter anderem Gelder gezielt dort einzusetzen, wo die Gleichberechtigung berücksichtigt wird. "Wir wollen Gesellschaften gerechter machen. Und da kann man nicht auf die Hälfte des Potenzials, nämlich auf die Frauen, verzichten, sondern sie müssen mitgedacht werden", sagt Schulze.

    Baerbock betrachtet feministische Außenpolitik als eine Selbstverständlichkeit. Diese sei "aber offensichtlich noch nicht überall auf der Welt – auch nicht bei uns – Realität". Sie ziehe sich durch alle Bereiche des außenpolitischen Handelns von der humanitären Hilfe über Stabilisierungsmaßnahmen, Friedensmissionen und auch in der Auswärtigen Kultur und Bildungspolitik. "Klar ist dabei auch, Feminismus ist kein Zauberstab", sagt Baerbock. "Wir sind nicht naiv. Wir werden mit einer feministischen Außenpolitik nicht alle Probleme dieser Welt lösen können."

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    In beiden Ministerien gelten künftig die feministischen Leitlinien, die vorsehen, dass etwa neu zugesagte Projektmittel zu mehr als 90 Prozent in Vorhaben fließen sollen, die auch die Gleichberechtigung voranbringen. Im Jahr 2021 waren es etwa 64 Prozent. Doch das Vorhaben blickt nicht nur auf andere, sondern auch ins eigene Haus: Führungspositionen im Auswärtigen Amt sollen verstärkt mit Frauen besetzt werden – aktuell sind etwa über 70 Prozent der Botschafterposten mit Männern besetzt. "Feministische Außenpolitik ist keine Außenpolitik für Frauen, sondern für alle Mitglieder einer Gesellschaft", betont Baerbock zugleich. "Sie schließt ein und nicht aus."

    Neu ist das Bemühen nicht. Eine internationale Vorreiterrolle nahm über viele Jahre hinweg Schweden ein. Margaret Wallström hatte die feministische Außenpolitik im Jahr 2014 in dem skandinavischen Land verankert. Ihre Überzeugung war: Gleichberechtigung sei "essenziell zum Erreichen sämtlicher Ziele der Regierung wie Frieden und Sicherheit". Und: Die Rechte von Frauen zu stärken, sei mehr als eine rein moralische Frage – es sei auch eine Frage des wirtschaftlichen Erfolges. Auch in der deutschen Entwicklungshilfe wird schon lange darauf hingewiesen, dass Projekte erfolgreicher sind, wenn Frauen daran beteiligt sind. Nicht erst die Demonstrationen im Iran haben zudem gezeigt: Frauenrechte sind Menschenrechte. "Nur da, wo alle Menschen gleichberechtigt am politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Leben teilhaben, sind Gesellschaften stabil und friedlich", ist Entwicklungsministerin Schulze überzeugt. Und so mache es beispielsweise einen Unterschied, ob Frauen mitreden können, wenn etwa in Nigeria ein von Boko Haram zerstörtes Dorf wiederaufgebaut werde und ihre Bedürfnisse berücksichtigt würden. "Am Ende steht mehr Sicherheit für die ganze Gesellschaft", schreiben die beiden Ministerinnen in ihrem Konzept.

    Kritik an feministischer Außenpolitik

    Kritik kommt aus der Opposition von Union und Linksfraktion – aber auch aus der FDP, einem Ampel-Partner. Table.Media: "Ich halte wenig vom Konzept der feministischen Außenpolitik, weil es weniger darauf abzielt, diplomatische Verbesserungen zu erwirken als auf die emotionale Befriedigung innenpolitischer Akteure." Die Linie der deutschen Außenpolitik werde ohnehin vom Kanzleramt gezogen. "Die diplomatische Abgewogenheit, die (Kanzler) Olaf Scholz (SPD) an den Tag legt, lässt mich ruhiger schlafen", sagte Kubicki.

    "Der Begriff ist etwas polarisierend", sagt Anja Opitz, Dozentin für Sicherheitspolitik an der Akademie für Politische Bildung in Tutzing. "Allerdings braucht es offenbar heute polarisierende Begriffe, um überhaupt in eine Debatte einzusteigen." Denn die Idee hinter dem, was sich heute feministische Außenpolitik nennt, gebe es schon seit mehr als 100 Jahren. Es gehe dabei gar nicht explizit nur um Frauen, sondern darum, dass in Konflikten Minderheiten stärker in die Suche nach Lösungen einbezogen werden sollten, dass bedacht wird, wie breitgefächert Gesellschaften sind. "In der Praxis ist es dann aber oft so gewesen: Wenn finanzielle Mittel bereitstehen, dann wird erst einmal das finanziert, was leicht umsetzbar ist", sagt Opitz. Übergeordnetes Ziel sei auch bei einer feministischen Außenpolitik Frieden zu schaffen, Gewalt oder Hunger zu bekämpfen. Und so kann es etwa schon ein feministischer Ansatz sein, im südlichen Afrika Brunnen zu bauen – im Wissen, dass es meist Mädchen und junge Frauen sind, die weite Wege zurücklegen müssen, um Wasser zu holen und ihnen deshalb der Schulbesuch verwehrt wird. 130 Millionen Mädchen weltweit wird das Menschenrecht auf Bildung verwehrt. (mit dpa)

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