3,7 Millionen Menschen sind seit dem russischen Überfall aus der Ukraine geflohen, etwa eine Viertelmillion davon nach Deutschland. Die allermeisten Geflüchteten sind Frauen mit ihren Kindern. Putins Krieg hat sie zu Alleinerziehenden gemacht; viele, zu viele von ihnen zu Witwen. Diese Frauen fliehen aus ihren zerbombten Heimatstädten in eine unbekannte Zukunft. Und müssen noch auf der Flucht um ihre Sicherheit fürchten, weil Menschenhändler in ihrer Schutzlosigkeit Profit wittern. Dass man auf ihre Notlage aufmerksam machen und sie mit Mitteln der Politik lindern muss, dürfte niemand bezweifeln. Die Frage ist: Was bringt es, dieser Politik den Feminismus-Aufkleber aufzukleben?
Das F-Wort ist zurück in der politischen Diskussion in Deutschland. Während der Generaldebatte im Bundestag vergangene Woche stichelten Oppositionschef Friedrich Merz (CDU) und CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt in Richtung der Ampel-Regierung: Die 100 Milliarden Sondervermögen für die Bundeswehr seien aber bitteschön nicht für „feministische Außenpolitik“ auszugeben. Tenor: Es ist Krieg und ihr werft mit Gendersternchen.
Außenministerin Annalena Baerbock konterte mit einem furiosen Plädoyer, verwies auf die Frauen von Srebrenica, stellte klar: „Das ist kein Gedöns.“ Plötzlich spricht ganz Deutschland über feministische Außenpolitik und dafür kann man sich nur ganz herzlich bei Dobrindt und Merz bedanken. Doch was ist das überhaupt, diese feministische Außenpolitik, die sich die Ampel-Parteien mit den Schlagworten „Rechte, Ressourcen und Repräsentanz“ in den Koalitionsvertrag geschrieben haben?
Wo Frauen mitverhandeln, ist Frieden stabiler
Der Passus bezieht sich auf die Resolution 1325 der Vereinten Nationen. Darin einigten sich die Unterzeichnenden 2000 – also schon vor 22 Jahren! – auf eine Politik, die auf die rechtliche Gleichstellung von Frauen abzielt, auf einen geschlechtergerechten Zugang zu Ressourcen und auf gerecht verteilte politische Entscheidungsmacht durch verbesserte Repräsentanz von Frauen. Feministische Außen- und Sicherheitspolitik erkennt systematische Vergewaltigung als Kriegswaffe an, sie nimmt in Konflikten verletzliche Gruppen besonders in den Blick und setzt sich für mehr Frauen in Friedensgesprächen ein. Eine solche Politik beruht auf einem Wandel in der internationalen Politik, die nicht mehr nur Staaten, sondern auch Individuen und ihren Schutz vor Gewalt, vor Armut und Katastrophen in den Blick nimmt. Und auf der Erkenntnis, dass Frieden stabiler ist, wenn Frauen stärker in Verhandlungen eingebunden werden.
Dass man eine solche Politik mit dem F-Wort überschreiben sollte, wird infrage gestellt. Von rechts, wo man das Primat der militärischen Mittel gefährdet sieht. Von links, wo darauf hingewiesen wird, dass Feminismus 2022 selbstverständlich auch den Kampf für die Rechte von queeren und Transpersonen mit einschließen muss. Und von den Pragmatikern, die bezweifeln, dass es der Sache dienlich ist. Wer einen Aufkleber anbringt, macht sich angreifbar, riskiert, dass andere nur die Überschrift lesen und sich daran festbeißen. Merkel war die Meisterin der aufkleberlosen Politik. Konservativ? Progressiv? Feministisch? Lieber nicht festlegen. Zum Feminismus bekannte sie sich erst 2021, kurz vor Ende ihrer 16-jährigen Kanzlerschaft.
Wo Aufkleber drauf sind, weiß man auch was drin ist oder zumindest, was drin sein sollte. Der demokratische Streit um die richtige Politik kann dadurch nur besser werden. Es ist gut, dass der Feminismus zurück ist in der Politik - nicht nur als Aufkleber. Sondern auch als Überzeugung, als Leitplanke einer Politik, die den Menschen in den Mittelpunkt stellt und dafür kämpft, dass jede und jeder, dass alle die gleichen Rechte und die gleichen Chancen bekommen.