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Jahreswechsel: Silvesterkrawalle: Warnungen vor rassistischen Ressentiments

Jahreswechsel

Silvesterkrawalle: Warnungen vor rassistischen Ressentiments

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    Nach Krawallen in der Silvesternacht hat die Diskussion um Konsequenzen begonnen.
    Nach Krawallen in der Silvesternacht hat die Diskussion um Konsequenzen begonnen. Foto: Julius-Christian Schreiner/TNN, dpa

    Neuköllns Bezirksbürgermeister Martin Hikel (SPD) hat nach den Silvester-Krawallen davor gewarnt, Menschen mit Migrationshintergrund in dem Berliner Bezirk pauschal zu Tätern zu erklären. In Teilen Neuköllns hätten bis zu 90 Prozent der Menschen eine Migrationsgeschichte, sagte Hikel gestern Abend in den ARD-"Tagesthemen". "Ein Großteil der Menschen lebt hier friedlich, und ein Großteil ist auch unter den Betroffenen, die Opfer von dieser Gewalt geworden sind", sagte er.

    Entscheidend sei stattdessen, die ermittelten Täter schnell vor Gericht zu stellen und zu verurteilen, betonte Hikel. Angesichts der begangenen Straftaten seien dabei Haftstrafen von bis zu fünf Jahren möglich. Der Bezirksbürgermeister hatte sich zuvor auch für ein Verkaufsverbot von Feuerwerk ausgesprochen.

    Teile des Bezirks Neukölln waren einer der Schwerpunkte bei den Vorfällen in der Silvesternacht. In mehreren Städten kam es zu Krawallen, bei denen auch Einsatzkräfte von Polizei und Feuerwehr angegriffen wurden. In Berlin wurden 145 Menschen vorläufig festgenommen, die meisten davon Männer. Laut Polizei wurden 18 verschiedene Nationalitäten erfasst: 45 der Verdächtigen hatten die deutsche Staatsangehörigkeit, danach folgten 27 Verdächtige mit afghanischer Nationalität und 21 Syrer.

    Nordrhein-Westfalens Innenminister Herbert Reul (CDU) bezeichnet die Krawalle als kein reines Migrationsthema. Viele der möglichen Täter seien ihm zufolge jung und männlich gewesen. "Ich weise seit Monaten darauf hin, dass wir ein Problem haben mit Jungen, mit Gruppen junger Männer, migrantischen Hintergrund und ohne migrantischem Hintergrund", sagte er im Deutschlandfunk.

    Umfrage: Mehrheit für generelles Verbot von privatem Feuerwerk

    Eine Mehrheit der Bundesbürger ist einer Umfrage zufolge für ein generelles bundesweites Verbot von privatem Feuerwerk. 61 Prozent der Deutschen würden dies nach der veröffentlichten Erhebung des Meinungsforschungsinstituts YouGov befürworten. 41 Prozent sind "voll und ganz" dafür, 20 Prozent "eher". 33 Prozent lehnen ein solches Verbot demnach ab, 6 Prozent machten keine Angabe.

    Die Daten wurden am Mittwoch erhoben, also vor dem Hintergrund der Debatte über die Silvester-Krawalle mit Angriffen auf Einsatzkräfte - darauf wurde in der Fragestellung allerdings nicht explizit Bezug genommen.

    Faeser will deutschlandweites Lagebild erstellen lassen

    Bundesinnenministerin Nancy Faeser forderte klare Konsequenzen für die Täter. "Wir haben in deutschen Großstädten ein großes Problem mit bestimmten jungen Männern mit Migrationshintergrund, die unseren Staat verachten, Gewalttaten begehen und mit Bildungs- und Integrationsprogrammen kaum erreicht werden", sagte die SPD-Politikerin gestern den Zeitungen der Funke Mediengruppe. Junge Gewalttäter müssten schnelle und deutliche strafrechtliche Konsequenzen spüren. Reul warnte "alle und auch die Bundesinnenministerin" davor, in der Debatte Schnellschüsse zu machen.

    Faeser warnte gleichzeitig jedoch davor, rassistische Ressentiments zu schüren: "Wer die notwendige Debatte ausnutzt, um auszugrenzen, löst das Problem nicht, sondern verstärkt es." Das Bundesinnenministerium will nun ein deutschlandweites Lagebild erstellen lassen. Aus einigen größeren Bundesländern seien dafür noch keine Zahlen eingegangen, weshalb dies noch einige Tage in Anspruch nehmen könne, sagte ein Sprecher.

    Sachverständiger: "gesamtgesellschaftliches Gewaltproblem"

    Nach Auffassung des Politikwissenschaftlers Hans Vorländer haben die brutalen Angriffe auf Einsatzkräfte ein Schlaglicht auf ein Gewaltproblem geworfen, das nur durch langfristige Investitionen und Bemühungen in den Griff zu bekommen ist. Sollte dies versäumt werden, drohten Verhältnisse wie in manchen französischen Vorstädten, warnte Vorländer, der Mitglied des Sachverständigenrates für Integration und Migration (SVR) ist. Dazu gehörten auch Angriffe auf Polizei oder Feuerwehr.

    In Deutschland sei ebenfalls, wenn auch in weniger dramatischer Form, "ein gesamtgesellschaftliches Gewaltproblem" zu beobachten, sagte Vorländer der Deutschen Presse-Agentur. Dieses Problem existiere nicht nur in Vierteln mit einem hohem Anteil von Menschen mit Migrationshintergrund, sondern sei auch im Umfeld der Corona-Demonstrationen aufgetreten, bei rechtsextremen Aufzügen und in der gewaltbereiten Fußball-Fanszene.

    Probleme gebe es vor allem mit jungen Männern und in einem bestimmten Umfeld, da "wo es Probleme der Unterbringung gibt, wo der Bildungsstand gering ist" und eine "verbreitete Straßenkultur des Sich-Zeigens, wo der Wunsch nach Anerkennung auch durch Gewaltakte vorherrscht". Um dem entgegenzuwirken, brauche es keine Sonderprojekte, sondern die "Stärkung der Regelsysteme Schule, Arbeit, Wohnen" sowie der Strafverfolgung und Justiz.

    CSU fordert Mittelkürzungen für Berlin

    Die CSU forderte derweil finanzielle Konsequenzen für das SPD-geführte Berlin. Nach dem Willen von CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt sollte das Bundesland weniger Geld aus dem Finanztopf der Länder erhalten. "Der Länderfinanzausgleich setzt erhebliche Fehlanreize und sorgt dafür, dass Ineffizienz und Misswirtschaft wie in Berlin finanziell belohnt werden", sagte Dobrindt der "Bild". "Wer nicht solide wirtschaftet und bei Sicherheit, Verwaltung und Wahlorganisation immer wieder durch Totalversagen auffällt, sollte zukünftig Abstriche beim Länderfinanzausgleich akzeptieren müssen."

    Berlins Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) wies die Kritik von Unionspolitikern an ihrem Senat zurück. "Also wir haben in dieser Nacht die volle Mannstärke von Polizei und Feuerwehr, eine Verdreifachung der Einsatzkräfte bei der Feuerwehr auf der Straße gehabt", sagte Giffey gestern im rbb-Inforadio. "Ich sehe nicht, dass hier die Polizei eingeschränkt wird."

    CDU-Chef Friedrich Merz hatte dem "Münchner Merkur" zuvor gesagt, das Land Berlin werde mit der Lage nicht fertig. Seit Jahren begrenze der Senat aus politischen Motiven die Rechte und Einsatzmöglichkeiten der Polizei. CSU-Chef Markus Söder argumentierte ähnlich.

    Giffey entgegnete, Berlin habe die Polizei in den letzten Jahren unter sozialdemokratischer Verantwortung massiv aufgestockt und werde das weiter tun. "Aber es ist auch klar, dass wir hier in Berlin in einer Großstadt eine massive Anhäufung auch von Problemlagen haben und auch eben die Gewalt sich hier besonders entladen hat." Das sei aber kein Berliner Phänomen. Merz möge doch mal schauen, dass das auch in anderen deutschen Städten passiert sei. Giffey kündigte zudem an, zu einem Gipfel gegen Jugendgewalt einladen zu wollen.

    (dpa)

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