Es gibt Dinge, die kann selbst ein Regierungschef nicht ändern. Die Räumung von zwei 250-Kilogramm-Bomben in unmittelbarer Nähe des Berliner Flughafens BER machte aus der zunächst geplanten Tagesreise von Olaf Scholz nach Portugal einen Zwei-Tages-Trip mit Übernachtung in Lissabon. Die Überbleibsel aus dem Zweiten Weltkrieg mussten in der Nacht zu Donnerstag gesprengt werden, eine Landung wäre nicht möglich gewesen. Scholz nutzte die gewonnene Zeit vor dem Rückflug für einen Besuch bei VW, das in Lissabon ein Zentrum für digitale Entwicklung betreibt. Die Startup-Atmosphäre mit einem Altersdurchschnitt der Belegschaft von gerade mal 32 Jahren machte den Besuch für den Kanzler zu einer der leichteren Übungen. Die harten Brocken hatten tags zuvor auf der Tagesordnung gestanden.
Sein Treffen mit dem portugiesischen Ministerpräsidenten António Costa in dessen malerischem Amtssitz Palacete de Sao Bento wurde von drei Themen bestimmt, die eng miteinander verwoben sind: Corona, die wirtschaftliche Entwicklung und der Ukraine-Krieg. Beide Länder sind, finanziell gesehen, ähnlich gut durch die Pandemie gekommen. Zu Anfang gab es, wenn auch auf unterschiedlichem Niveau, solide aufgestellte Haushalte, die im Pandemieverlauf eine tiefe Delle bekamen. Die Lage blieb jedoch beherrschbar. Dass die Wirtschaft weder in Deutschland noch in Portugal abstürzte, war wiederum die Voraussetzung dafür, nach Ausbruch des Ukraine-Krieges Milliardensummen in die Suche nach Alternativen für russisches Gas investieren zu können.
Pipeline für grünen Wasserstoff von Portugal nach Mitteleuropa
Das Energiekapitel ist längst nicht abgeschlossen. Lissabon und Berlin setzen sich einigen Widerstandes in Frankreich noch nicht ganz in trockenen Tüchern. LNG-Gas soll zunächst durch die Leitung fließen, die Franzosen haben eigene Terminals und sehen für sich eher keinen Bedarf. Scholz hingegen hatte bereits im letzten Sommer bedauert, dass die mehrfach angeplante Pipeline nie realisiert wurde. Der SPD-Politiker blickt dabei nicht so sehr auf LNG-Gas, sondern auf grünen, also klimaneutral hergestellten Wasserstoff, der in mittlerer Zukunft durch die Röhre fließen könnte. Portugal und auch das Nachbarland Spanien haben Platz, viel Sonne und viel Wind – das sind ausgezeichnete Voraussetzungen, um kostengünstig Wasserstoff mithilfe von erneuerbaren Energien herzustellen. Ein modernes Gasnetz könnte auch diesen Energieträger nach Deutschland durchleiten, dessen energiehungrige Industrie nach Wasserstoff lechzt.
von Portugal nach Mitteleuropa ein, das Projekt ist mindestens 3 Milliarden Euro teuer und nicht zuletzt wegenErnst ist weiterhin der Blick auf die Entwicklung in der Ukraine, zu deren verlässlichen Unterstützern beide Staaten gehören. Als Deutschland Kiew nach dem Einmarsch der Russen ein Bataillon Leopard-Panzer versprach, waren die Portugiesen sofort zur Stelle, um sich an der Lieferung zu beteiligen. Beide Länder, das wurde beim Antrittsbesuch des Kanzlers deutlich, wollen mit der Unterstützung fortfahren. Die Hoffnung sei natürlich, dass der Krieg möglichst schnell ende, erklärte Scholz. Gleichzeitig müsse man sich „mit aller Vernunft darauf vorbereiten, dass es lange dauern kann.“
Scholz sichert Ukraine Unterstützung zu
„Das, was jetzt erforderlich ist, ist im Kern: Mehr vom selben“, ergänzte der SPD-Politiker, der zum Ausbruch des Krieges für seine Zögerlichkeit gescholten wurde, schwere Waffen in das Kriegsgebiet zu schicken. Inzwischen gehört Deutschland zu den Partnern, die kontinuierlich liefern und an der Spitze der Unterstützer-Nationen stehen. Der Preis ist hoch, die Landesverteidigung wäre im Ernstfall nicht mehr voll gewährleistet. Deutschland geht diesen Weg, das strategisch anders gelagerte Portugal zieht hier offenbar eine rote Linie. „Wir sind weiterhin bereit, mit Deutschland zusammenzuarbeiten“, sagte Costa und fügte in der deutschen Übersetzung hinzu: „Ohne, dass wir unsere Abwehr selbst schwächen.“
Deutschland habe sehr viele Geräte zur Luftverteidigung geliefert, aber auch Schützenpanzer und Kampfpanzer sowie Munition, betonte Scholz. „Das wird sicherlich der Schwerpunkt dessen sein, was wir auch in Zukunft zu tun haben, um diese lange Durchhaltefähigkeit zu gewährleisten.“
Scholz war bei seinem Lissabon-Besuch zwar weit weg von Berlin, der deutschen Regierungsrealität entkam er nicht. Kaum hatte sich sein Kabinett auf einen Gesetzentwurf zum Heizungstausch geeinigt, meldete Finanzminister und FDP-Chef Christian Lindner Kritik an. Dass es dazu in Lissabon eine Frage gab, war klar, und Scholz zog sich elegant aus der Affäre. Der Kanzler zitierte das Struck’sche Gesetz, benannt nach der inzwischen gestorbenen SPD-Legende Peter Struck, wonach kein Gesetz so aus dem Bundestag herauskommt, wie es hineinging. Darüber hinaus sei das Konzept für den Heizungstausch „gut besprochen“, es werde niemand „vor eine unlösbare Aufgabe gestellt“, sagte Scholz.