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Augsburger Allgemeine Live: Claudia Roth über Waffenlieferungen: "Ich war innerlich zerrissen"

Augsburger Allgemeine Live

Claudia Roth über Waffenlieferungen: "Ich war innerlich zerrissen"

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    Kulturstaatsministerin Claudia Roth (Bündnis 90/Grüne) war am Donnerstagabend zu Gast bei "Augsburger Allgemeine Live" im kleinen goldenen Saal. Ein nachdenkliches Heimspiel.
    Kulturstaatsministerin Claudia Roth (Bündnis 90/Grüne) war am Donnerstagabend zu Gast bei "Augsburger Allgemeine Live" im kleinen goldenen Saal. Ein nachdenkliches Heimspiel. Foto: Ulrich Wagner

    Ihre inzwischen 24 Jahre als grüne Bundestagsabgeordnete haben Claudia Roth noch nicht vom Lampenfieber geheilt. Sie spürt es noch immer, vor jedem Auftritt, diese innere Aufregung, die schwitzigen Hände, auch an diesem Donnerstagabend beim großen Interview von Augsburger Allgemeine Live. Und trotzdem: Roth, 67 Jahre alt, geboren in Ulm, aufgewachsen bei Memmingen, Wahlkreis: Augsburg-Stadt, hat im kleinen goldenen Saal ein Heimspiel. Und zu einem solchen weiß sie natürlich, ihren Gastgeber zu bespielen.

    Bekleidet mit weißen Öko-Sneakern, einem gestreiften Sommerkleid und offensichtlich bester Laune erinnert sie also zunächst einmal daran, dass die Augsburger Allgemeine die erste Zeitung gewesen sei, die sie als Kulturstaatsministerin der Ampel-Regierung auf ihrer neuen Büroterrasse in Berlin empfing: „Ich habe mir schon überlegt, ob ich die Terrasse mit einer Riegele-Zapfanlage ausstatten kann.“ Lacher, erste Sympathiepunkte. Es sollte für längere Zeit der letzte Witz in diesem gut anderthalbstündigen Gespräch mit Politikchef Michael Stifter und Feuilleton-Leiter Richard Mayr sein.

    Claudia Roth bei AZ live: Erst der Witz, dann die großen Krisen

    Denn vieles, was einmal geplant war – ob nun ein Riegele-Zapfhahn im Kleinen oder der Koalitionsvertrag im Großen – ist aktuell in den Hintergrund gerückt. „Krisen schieben sich aufeinander wie tektonische Platten“, sagt Roth. Die Pandemie, die Klimakatastrophe, der Krieg in der Ukraine. Und von dem spricht die Politikerin lange an diesem Abend.

    Davon, dass es sie, die in ihrer Jugend auf Friedensmärschen den Slogan „Frieden schaffen ohne Waffen“ skandierte, „innerlich zerrissen“ hätte bei der Frage um eine umfassende militärische Unterstützung der Ukraine. Aber dass dieses Land eben auch für etwas kämpfe, das in deutschen Längengraden als selbstverständlich gelte: für die Freiheit – „wie könnten wir da sagen: Rüstungsgüter kriegt ihr nicht!“ Davon, dass Medienkompetenz in diesen Propagandazeiten wichtig sei, dass Finnland ja auch eine gut 1300 Kilometer lange Grenze mit der „Sowjetunio… ähhh Russland“ teile, und: von einer emotionalen Reise in die ukrainische Kulturmetropole Odessa zu Pfingsten.

    Die Staatsministerin besuchte damals eine Orchesterprobe, da fingen einige Künstlerinnen und Künstler plötzlich an zu weinen, weil zahlreiche Stühle leer geblieben waren. Viele befanden sich im Krieg oder waren schon gefallen. Als Roth das erzählt, zieht sie ihre Nase nach oben, schnappt nach Luft, ihre Stimme so zerbrechlich wie der Frieden in Europa. Man merkt, wie nah ihr die Sache geht.

    Auch Freiheit hat Grenzen, sagt Kulturstaatsministerin Roth

    Bei einem anderen Thema wirkt die Grünen-Politikerin schon angesäuerter: die Documenta, eine weltbekannte Kunstausstellung, in diesem Jahr vorrangig ein bildgewaltiger Skandal, als ein indonesisches Künstlerkollektiv in Kassel mit antisemitischen Karikaturen auffiel. „Wir müssen klären: Wie konnte es dazu kommen? Und wie gehen wir sicher, dass so etwas nicht noch einmal vorkommt?“, sagt Roth.

    Freiheit hat Grenzen. Das betont sie immer wieder. In Bezug auf die Kunstfreiheit und die Documenta. In Bezug auf die Meinungsfreiheit und die AfD. „Wenn diese Freiheiten genutzt werden, um Rassismus, Antisemitismus, Homophobie und Sexismus zu verbreiten, dann“ – kurzer demonstrativer Handkantenschlag auf die linke Handinnenfläche – „hört’s bei mir auf.“

    Roths offizielle Berufsbezeichnung lautet: Staatsministerin für Kultur und Medien. Als solche (man beachte Teil zwei der Amtsbeschreibung) kann sie Fragen nach Differenzen in der Ampelkoalition einfach wegplaudern. Was außerdem auffällt: Roth nennt die Außenministerin „Annalena“, den Wirtschaftsminister aber „Robert Habeck“. Und ihren Sinn für Humor entdeckt sie gegen Ende dieses krisenreichen Abends auch wieder: Was sie dazu sage, dass Bayerns Ministerpräsident Markus Söder den Freistaat in der Bundesregierung nicht angemessen vertreten sehe, auch nicht durch sie als Staatsministerin? Lächelnder Roth-Konter: „Markus Söder kann sich sicher sein, dass ich nicht vergesse, wo ich herkomme: aus Schwaben. Nicht aus Oberbayern.“ Applaus in Augsburg. Kurz darauf muss Roth pünktlich weg, zurück nach Berlin. Am nächsten Tag ist Kabinettssitzung.

    Hinweis: Das gesamte "Augsburger Allgemeine Live"-Interview mit Kulturstaatsministerin Claudia Roth können Sie am Samstag in unserer Printausgabe und Online-Ausgabe nachlesen.

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