Gerade einmal eine Woche ist es her, dass Bundeskanzler Olaf Scholz aus seinem Sommerurlaub zurückgekehrt ist. Zusammen mit seiner Frau war er in Südfrankreich. Doch die Tage der Erholung werden gleich von den politischen Krisen abgelöst. Die sorgenvollen Rufe der deutschen Wirtschaft werden lauter. In Umfragen wird die SPD von der AfD abgehängt.
Der Druck auf den Kanzler, Taurus-Marschflugkörper an die Ukraine zu liefern, wächst. Und dann ist da ja noch die eigene Koalition, die es auch nach der Sommerpause nicht schafft, Streit hinter den Kulissen auszutragen.
Bundeskanzler Olaf Scholz bei "Augsburger Allgemeine Live" im Kleinen Goldenen Saal in Augsburg
Doch Scholz ist keiner, der Probleme gerne in dramatische Worte fasst. Den Streit in der Koalition bezeichnete er einmal als leichtes Ruckeln, die AfD als schlechte-Laune-Partei. Auch an diesem Freitagabend im Kleinen Goldenen Saal in Augsburg wirkt der Kanzler entspannt. Die jahrzehntelange politische Erfahrung hat ihn gelehrt, dass viele Krisen von früher aus dem öffentlichen Gedächtnis verschwinden mögen – aus seinem eigenen nicht.
Auch in den Koalitionen mit Angela Merkel habe es immer wieder Nachtsitzungen gegeben, über manche Gesetze sei jahrelang verhandelt worden. „Ich finde, dass wir sehr, sehr gute Arbeit gemacht haben“, sagt er bei einer Veranstaltung unserer Zeitung über seine Ampel-Koalition. Die Regierung habe etwa dafür gesorgt, dass trotz des Kriegs in der Ukraine die Heizungen in Deutschland heiß wurden. Es würden mehrere Batterie-Fabriken in Deutschland gebaut. Der Wirtschaftsstandort Deutschland sei nicht in Gefahr. Sobald die Wirtschaft in anderen Ländern wieder anlaufe, laufe es auch für die Exportnation Deutschland wieder besser.
Rechte Parteien in Europa haben Zulauf
Von Krise also wirklich keine Spur? „Die Probleme sind noch nicht zu Ende gelöst“, sagt Scholz einen typischen Scholz-Satz. Teflon-Scholz wird der Kanzler wegen solcher Aussagen hin und wieder genannt. Doch selbst das prallt an ihm ab. Er lässt seinen Blick durch Europa schweifen, wo rechte Parteien einen deutlich höheren Zulauf haben. „Oft sind das die Länder mit den geringsten Problemen“, sagt er. Starke Wohlstandsstaaten, die von anderen beneidet werden. Finnland, Dänemark, Österreich. „Warum passiert dort so etwas?“, fragt er und gibt sich die Antwort selbst. Viele hätten den Eindruck, ihre Lebensleistung, ihre Lebenskonzepte seien weniger wert als die der akademischen Eliten.
Die Sorgen der Menschen wolle er nicht kleinreden. „Kaum wollten wir uns von Corona erholen, kam der russische Krieg, der große Ängste ausgelöst hat“, sagt er. „Dadurch haben wir ein Stück Sicherheit, das wir nach dem Kalten Krieg hatten, verloren.“ Die Menschen würden sich fragen, ob das alles gut geht. „Das verstehe ich auch.“ Trotzdem müsse Deutschland als führende Industrienation vorangehen, müsse den Umbau der eigenen Wirtschaft genauso vorantreiben wie den Klimaschutz. Das sei nicht immer lautlos. „Ich wünschte mir, dass die Diskussionen leiser wären“, sagt der Kanzler. Aber sich um Problemlösungen herumzudrücken, wie es in den vergangenen Jahren der Fall gewesen sei, das sei auch keine Option. Deutschland habe in der Vergangenheit viel zu viel Zeit verloren, um Veränderungen anzustoßen. „Es gab damals keine Mehrheit“, sagt Scholz. „Aber die gibt es jetzt, wir kriegen das wirklich hin.“
Proteste in München bei Scholz-Auftritt
Im Saal bekommt der Kanzler Applaus. Doch seine Zuversicht nimmt ihm nicht jeder im Land ab. Vor seinem Auftritt in Augsburg machte Scholz in Salzburg und später in München Station. Auf dem Marienplatz wurde er aber nicht nur vom bayerischen Spitzenkandidaten für die Landtagswahl, Florian von Brunn, empfangen, sondern auch von der rechten Szene. Die hatte zu Gegenveranstaltungen in der Innenstadt aufgerufen, unter anderem waren Querdenker und die AfD unterwegs.