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Atomkraft: Wie realistisch ist die Rückkehr zur Kernenergie in Deutschland?

Atomkraft

Ausgestrahlt? So realistisch ist das angedachte Atom-Comeback von CDU und CSU

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    Aus Sicht der Atomkraftgegner ist der Kampf erfolgreich zu Ende gegangen. In Deutschland sind alle Kernkraftwerke vom Netz. CDU und CSU wollen das rückgängig machen.
    Aus Sicht der Atomkraftgegner ist der Kampf erfolgreich zu Ende gegangen. In Deutschland sind alle Kernkraftwerke vom Netz. CDU und CSU wollen das rückgängig machen. Foto: Christoph Schmidt, dpa

    Teure Energie ist einer der Hauptgründe für die deutsche Wirtschaftsschwäche. CDU und CSU wollen im angelaufenen Wahlkampf das Thema Wachstum und Arbeitsplätze in den Mittelpunkt stellen. Sie haben Vorschläge für eine andere Energiepolitik ausgearbeitet. Darin nimmt die Renaissance der Kernkraft eine wichtige Rolle ein. Es wäre die dritte Rolle rückwärts in der Nuklearenergie binnen eines Vierteljahrhunderts. Der Einstieg nach dem Ausstieg, der auf die Laufzeitverlängerung nach dem Ausstieg folgte. Welche Aussichten haben die Vorschläge, nach einem möglichen Wahlsieg der Union Wirklichkeit zu werden?

    Was will die Union bei der Kernkraft?

    Im Kern handelt es sich um eine Forderung. Die Union will prüfen, ob die bereits abgeschalteten und im Rückbau befindlichen Kernkraftwerke wieder zum Laufen gebracht werden können. Im Frühjahr 2023 waren die letzten drei Meiler vom Netz gegangen. Mittels einer Bestandsaufnahme soll ermittelt werden, ob die „Wiederaufnahme des Betriebs der zuletzt abgeschalteten Kernkraftwerke unter vertretbarem technischem und finanziellem Aufwand noch möglich ist“, wie es im Energie-Papier von CDU und CSU heißt. Bayerns Ministerpräsident Markus Söder hat beispielsweise das bayerische AKW Isar 2 im Blick. „Ich fordere dringend einen Stopp des Rückbaus von Isar 2“, verlangte er Mitte November. 

    Wiederaufnahme des Betriebs von Atomkraftwerken: Wie realistisch ist das?

    Die Antwort darauf dürfte dem CSU-Vorsitzenden nicht gefallen. „Das macht keinen Sinn. Das wird aus meiner Sicht nicht passieren“, sagte der Chef der AKW-Betreiberfirma Preussen Elektra, Guido Knott, Ende vergangener Woche im Untersuchungsausschuss des Bundestags zum Atomausstieg. Das Unternehmen ist eine Tochter des Energieversorgers Eon. Knott berichtete, dass seine Techniker mittlerweile 1000 Tonnen Material im Kraftwerk ausgebaut hätten. Ein Zurückdrehen „würde Jahre dauern und Milliarden kosten“. Die Grünen als Partei der Anti-Atom-Bewegung halten Söders Vorschlag daher für heiße Luft. „Isar 2 ist unwiederbringlich abgeschaltet und der bayerische Atomausstieg vollzogen. Jetzt ist der Zug abgefahren“, sagte die Grünen-Energiepolitikerin Lisa Badum unserer Redaktion.

    Isar 2 bildete mit den Kernkraftwerken Emsland und Neckarwestheim 2 das Trio der zuletzt abgestellten Meiler der Bundesrepublik. Im Emsland hat der Energiekonzern RWE im Herbst die Genehmigung für die Demontage bekommen. Einen Weg zurück sieht Konzernchef Markus Krebber nicht. Seit der Abschaltung „konzentrieren wir uns nun auf den Rückbau, so wie es die aktuelle Gesetzeslage vorschreibt“. Energie Baden-Württemberg (ENBW) hält den Abriss seiner vom Netz genommenen Kernkraftwerke für de facto irreversibel, wozu auch Neckarwestheim 2 in der Nähe von Heilbronn zählt. „Eine Diskussion über die weitere Nutzung der Kernkraft hat sich für uns vor diesem Hintergrund erledigt“, sagte ENBW-Atomchef Jörg Michels unserer Redaktion.

    Hätten die AKW in Deutschland noch mehrere Jahre weiterlaufen können?

    Das ist die Kernfrage des Untersuchungsausschusses im Bundestag. Union und FDP werfen Wirtschaftsminister Robert Habeck vor, den Ausstieg aus der Kernkraft trotz akuter Energiekrise infolge des Ukrainekrieges nicht ergebnisoffen geprüft zu haben. Der Grünen-Politiker habe letztlich dafür gesorgt, dass es bei dem wenige Monate währenden Streckbetrieb der drei letzten AKW geblieben sei. Die Atomkonzerne RWE, Eon und ENBW haben immer wieder erklärt, dass auch eine Laufzeitverlängerung um mehrere Jahre technisch prinzipiell möglich gewesen wäre. Ernsthaft in Erwägung gezogen wurde es aber nur von Eon mit seinem Kraftwerk Isar 2. „Ich kann das mit einem klaren Ja beantworten“, erklärte Guido Knott im Untersuchungsausschuss.

    Obwohl der Betreiber bereits vor einem Jahr das endgültige Aus für das AKW Isar 2 verkündete, ist der Rückbau aus der Sicht von Markus Söder noch „reversibel“. (Archivbild)
    Obwohl der Betreiber bereits vor einem Jahr das endgültige Aus für das AKW Isar 2 verkündete, ist der Rückbau aus der Sicht von Markus Söder noch „reversibel“. (Archivbild) Foto: Peter Kneffel, dpa

    Der RWE-Vorstandsvorsitzende Krebber meinte an derselben Stelle, dass das ökonomische Risiko angesichts der sprunghaften deutschen Energiepolitik zu groß gewesen sei. „Da fehlte uns das Vertrauen, dass das politisch stabil ist“, betonte er.

    Wie steht es um den Neubau von Atomkraftwerken?

    Die jüngsten Nuklearprojekte Europas sprechen eine eindeutige Sprache. Der Neubau von Meilern endet im ökonomischen Fiasko. Im Herbst wurde der dritte Reaktor des französischen AKW Flamanville mit 12-jähriger Verspätung hochgefahren. Die Baukosten erhöhten sich von den ursprünglich veranschlagten drei auf 13 Milliarden Euro. Ein noch größeres Desaster ist das Kernkraftwerk Hinkley Point in Großbritannien. Seine Fertigstellung wird nun für 2029 oder 2030 erwartet, 15 Jahre nach Baustart. Die Ausgaben werden sich wahrscheinlich mit 50 Milliarden Euro mehr als verdoppeln. Ähnlich sieht es in Finnland aus. Block 3 des AKW Olkiluoto wurde 18 Jahre später als geplant vollendet, seit Frühjahr 2023 liefert er Strom. Die Baukosten vervierfachten sich in der Zwischenzeit.

    Wegen der enormen Steigerungen ist der Strom aus neuen Reaktoren viel teurer als die Energie aus anderen Erzeugungsformen. „Stand heute gibt es kein belastbares Geschäftsmodell für eine Rückkehr der Kernkraft in Deutschland“, sagte der Energieökonom Andreas Löschel von der Ruhr-Universität Bochum unserer Redaktion. Eine Analyse des Fraunhofer Instituts für Solare Energiesysteme kommt zu dem Schluss, dass der Strom aus neu gebauten Solarkraftwerken zu Preisen von 4 bis 6 Cent je Kilowattstunde produziert wird, jener aus neuen Reaktoren in der Spanne zwischen 14 und 49 Cent. Neue Windräder an Land liefern laut der Studie zu Preisen zwischen 4 und 9 Cent je Kilowattstunde. „Wir glauben nicht, dass der Neubau von Kernkraftwerken in Deutschland eine Lösung der Fragen zu heutigen Problemstellungen der Energieversorgung wäre“, sagte Jörg Michels von ENBW. Zum Vergleich: Ältere AKW, die ihre Baukosten verdient haben, erzeugen Strom zum Preis von 3 bis 4 Cent pro Kilowattstunde.

    Bringen Mini-Atomkraftwerke die strahlende Renaissance?

    Der Unternehmer Bill Gates, Technologie-Konzerne wie Amazon und Google, nun auch die Union: Sie alle halten Mini-Reaktoren für die Lösung, um eine bezahlbare Renaissance der Nuklearenergie einzuläuten. Die EU-Kommission strebt den Bau erster Reaktoren Anfang des nächsten Jahrzehnts an. Sie könnten Strom liefern, wenn der Wind nicht weht und die Sonne nicht scheint. „Wir wissen nicht, wie sich Technik und Kosten auf mittlere und lange Sicht entwickeln, Stichwort kleine Reaktoren“, sagte Energieökonom Löschel. Deutschland sollte zumindest bei der Forschung dabei sein. „Dafür braucht es weiter kerntechnische Kompetenzen“.

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    1 Kommentar
    Walter Koenig

    Wer am 23. Februar die CSU oder die CDU wählt, der weiß, dass er seine Stimme an fantasielose Fantasten gegeben hat. Denn allein eine kurze Rückfrage der Herren Söder und Merz bei den Konzernen hätte die Sinnlosigkeit ihres Vorhabens offen gelegt. Ganz abgesehen davon, dass ein neues AKW vielleicht in 15 Jahren ans Netz geht, aber in der gegenwärtigen Situation null Nutzen bringen würde.

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