In der CSU ist ein Streit über die Forderung nach einer festen Obergrenze für Flüchtlinge entbrannt. Parteivize Christian Schmidt sagte in einem Zeitungsinterview, eine Obergrenze sei angesichts sinkender Asylbewerberzahlen unnötig geworden. „Die gegenwärtige Situation entlang der bayerischen Grenze ist deutlich entspannter als noch vor wenigen Monaten.“ Schmidt, der auch Bundeslandwirtschaftsminister ist, bekam prompt Widerspruch aus den eigenen Reihen. CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer sagte unserer Zeitung: „Ganz klar, die Obergrenze bleibt.“ Der CSU-Fraktionschef im Landtag, Thomas Kreuzer (Kempten), betonte: „Ich weiß nicht, wie Schmidt zu dieser Meinung kommt. Er scheint mir nicht im Bilde zu sein, was los ist.“
Während 2015 über eine Million Asylsuchende nach Deutschland kamen, registrierten die Behörden in den ersten sechs Monaten dieses Jahres 222264 Neuankömmlinge. CSU-Chef Horst Seehofer hatte ursprünglich angesichts des Flüchtlingsandrangs eine Begrenzung gefordert und dabei die Größenordnung von maximal 200000 Migranten pro Jahr genannt. Kreuzer sagte nun, die jetzigen Zahlen seien höher als die im ersten Halbjahr 2015. „Wir müssen verdammt aufpassen, dass das in den Sommermonaten nicht noch massiv ansteigt.“ Sollte es dazu kommen, müssten an den Grenzen Kontrollen durchgeführt und Menschen aus sicheren Drittstaaten in ihre Heimatländer zurückgewiesen werden. Kreuzer: „Es gibt keinen Grund zur Beruhigung.“ Schmidts Aussagen seien eine „kurzsichtige Denkweise“.
Auch CSU-Generalsekretär Scheuer wies die Forderungen Schmidts entschieden zurück. Derzeit finde eine „neuzeitliche Völkerwanderung“ statt und Europa könne nicht alle Probleme dieser Welt lösen. Dies gelte „besonders im Hinblick auf die Frage nach der Aufnahme- und Integrationsfähigkeit unseres Landes“. 2015 sei die Belastungsgrenze überschritten worden. Zuwanderung bleibe politisch ein Top-Thema, sagte Scheuer. „Wir müssen sie nach Europa und Deutschland besser steuern, ordnen und begrenzen.“ Dagegen sprach auch Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) von einer „deutlichen Entspannung“ der Flüchtlingslage. Verantwortlich für die Entwicklung machte der CDU-Politiker neben der Schließung der Balkanroute auch den Flüchtlingspakt der EU mit der Türkei.
Auch die Rentenpolitik sorgt für Unmut in der Union
Neben der Asylpolitik zeichnet sich in der Union nur gut zwei Wochen nach der Versöhnungsklausur von CDU und CSU weiteres Konfliktpotenzial für die kommenden Wahlkämpfe ab. Demnach will die CSU anders als verabredet ein eigenes Rentenkonzept vorlegen. Der von der bayerischen Sozialministerin Emilia Müller erarbeitete Vorschlag, der unter anderem eine Besserstellung der Eltern vorsehen soll, werde voraussichtlich Ende Juli auf einer Tagung des bayerischen Kabinetts präsentiert.
Generalsekretär Scheuer sagte unserer Zeitung, die CSU müsse sich intensiv auf die Bundestagswahl 2017 vorbereiten. Als eigenständige Partei werde sie auch ein eigenes Steuer- und Rentenkonzept vorlegen. Scheuer: „Wir haben schon 2013 gezeigt, dass wir für einen klaren Kurs stehen.“ Dennoch werde es in den nächsten Monaten sechs Fachkongresse mit der CDU geben, bei denen es auch um Renten, Steuern und Zuwanderung geht.
Nach monatelangem Streit über die Flüchtlingspolitik hatten die Spitzen von CDU und CSU Ende Juni in Potsdam vereinbart, künftig geschlossen aufzutreten. (mit afp, dpa)