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Foto: Peter Kneffel, dpa
Foto: Peter Kneffel, dpa

Der bayerische Ministerpräsident Markus Söder betrachtet den Politischen Aschermittwoch in Passau als natürliches Refugium für Parolen und Polemik.

Aschermittwoch
14.02.2024

Politischer Aschermittwoch: Hemmungslos ausgelebtes Stammtischniveau

Von Michael Stifter

Für die einen Inbegriff bayerischer Anarchie, für andere nur Folklore. Der Politische Aschermittwoch ist wie eine Brotzeitplatte: Es ist für alle etwas dabei.

Das Wirtshaus ist der natürliche Lebensraum des Politischen Aschermittwochs. Wahlweise geht auch ein Bierzelt, eine Halle – oder ein Theatersaal. Weil ein Schauspiel ist es ja ohne Frage, wenn einmal im Jahr die Politprominenz in die bayerische Provinz reist, um der Gemütlichkeit dort – mal mehr, mal weniger authentisch – ein Prosit zuzusprechen. 

Wer es gut meint mit dem Aschermittwoch, sieht in ihm eines der letzten Refugien praktizierter bajuwarischer Anarchie. Hemmungslos ausgelebtes Stammtischniveau. Der Ministerpräsident defiliermarschiert schon mal mit verwegenem Dreitagebart Richtung Bühne, um keinen Zweifel an seiner rhetorischen Rauflust aufkommen zu lassen. Und sein Vize kann sich endlich mal ganz offiziell so benehmen, wie er sich sonst halt auch benimmt.

Kritiker haben meist einen außerbayerischen Migrationshintergrund

Weniger wohlmeinende Beobachter des politischen Rabaukentums halten den Aschermittwoch für alberne Folklore. Mein Gott mit dir, du Land der Bayern! Nicht selten sind jene Kritiker aber Menschen mit außerbayerischem Migrationshintergrund, die von sonst wo daherkommen und dann meinen, sich über vermeintliche süddeutsche Seppelhaftigkeit lustig machen zu müssen. Dabei ist so eine zünftige Rede wie eine Brotzeitplatte: Der eine nimmt den weißen Presssack, der dem anderen den Magen umdrehen würde. Und nicht jeder mag einen Radi, aber für alle ist was dabei. 

Der Aschermittwoch wird es den Verweigerern verzeihen, denn da, wo er haust, in Passau, in Vilshofen oder Landshut, da weiß man ihn zu schätzen. Anders, als die CSUler das am Lagerfeuer erzählen, war es übrigens nicht der christsoziale Urvater Franz Josef Strauß, der Parolen und Polemik in bierseliger Stimmung erfunden hat. Die Tradition des hemmungslosen Politisierens geht auf das 16. Jahrhundert zurück. Damals schon debattierten Bauern auf dem Vieh- und Rossmarkt in Vilshofen über Gott und die Welt – und natürlich über "die da oben". 

Erst Franz Josef Strauß hat den Aschermittwoch zur Institution gemacht

Zur Wahrheit gehört aber schon, dass erst FJS den Politischen Aschermittwoch zur Institution gemacht hat. Mit seiner Urgewalt war Strauß wie gemacht für das Format. Was man beileibe nicht von allen Rednerinnen und Rednern behaupten kann. Weil, sind Sie uns nicht böse, ein Matetee trinkender Asket mit ärztlich attestierter Humorbefreiung passt halt einfach nicht rein, in den bayerischen Bierdunst. Die Krüge hoch! 

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