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Artensterben: Das große Sterben auf dem Planeten darf nicht weiter verdrängt werden

Artensterben

Das große Sterben auf dem Planeten darf nicht weiter verdrängt werden

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    Putzig und vom Aussterben bedroht. Ein Feldhamster schaut aus seinem Bau.
    Putzig und vom Aussterben bedroht. Ein Feldhamster schaut aus seinem Bau. Foto: Uwe Anspach, dpa

    Was haben die Europäische Sumpfschildkröte, der Feldhamster und die Moorente gemeinsam? Sie teilen ein trauriges Schicksal. Denn wird ihnen nicht schnell geholfen, dann könnten sie in Deutschland verschwinden. Die drei Tierarten gelten hierzulande als vom Aussterben bedroht. Immerhin haben sie den Vorteil, dass sich jeder unter ihren Namen etwas vorstellen kann. Schildkröte, Hamster und Ente kennt jeder. Doch die Schöpfung ist mannigfaltig, in ihrer Verschiedenheit überwältigend und uns in ihrer Gänze verborgen. Denn die wenigsten Menschen sind Biologen. 

    Wer kennt schon die Vielfalt der Käfer, des Gewürms, der Insekten und Spinnen? Fast niemand. Und weil sie fast niemand kennt, diese Tiere klein und manchmal abstoßend hässlich sind, fällt es niemandem auf, wenn sie nicht mehr da sind. In Deutschland sind 75 Prozent der Insekten verschwunden. Wer vor 30 Jahren im Sommer mit seinem Auto fuhr, hatte schnell ein kleines Blutbad auf Windschutzscheibe und Frontpartie. Die Tankstellen verkauften spezielle Reinigungsmittel zum Entfernen der Insekten. Heute ist das nicht mehr nötig, weil es viel weniger Tierchen gibt, die durch die Lüfte fliegen.

    Nashorn-Nachwuchs im Akagera-Nationalpark in Ruanda. Das Überleben der großen Tiere in freier Wildbahn ist stark gefährdet.
    Nashorn-Nachwuchs im Akagera-Nationalpark in Ruanda. Das Überleben der großen Tiere in freier Wildbahn ist stark gefährdet. Foto: Drew Bantlin/African Parks, dpa

    Je wärmer es wird, desto brenzliger wird es für die Tiere

    Der gewaltige Artenschwund ist kein deutsches, sondern ein weltweites Phänomen. Die Zahlen sind erschreckend. In den vergangenen 50 Jahren sind laut WWF und Zoologischer Gesellschaft Londons die Bestände der Wirbeltiere um 69 Prozent eingebrochen. Zu den Wirbeltieren gehören Fische, Vögel, Reptilien, Amphibien und Säugetiere. Wissenschaftler befürchten, dass bis Ende des Jahrhunderts eine Million Arten ausgestorben sein könnten. Schuld daran trägt der Mensch, der den Planeten verbraucht und die Aufheizung der Erde befeuert. Je wärmer es wird, desto brenzliger wird die Existenz vieler Tiere. 

    In Montreal versuchen die Staaten der Welt, das große Sterben zu bremsen. Sie treten zur 15. Weltbiodiversitätskonferenz zusammen. Es ist wie der Klimagipfel zur Rettung der Vielfalt in der Schöpfung. Mächtige Staats- und Regierungschefs haben sich nicht angesagt. Das zeigt, welchen Stellenwert das drückende Problem hat. Wie beim Klimaschutz geht es auch darum, wer mehr für den Schutz der Natur tun muss und wer das bezahlt. 

    Die reichen Staaten der Nordhalbkugel, mithin auch Deutschland, haben eine besondere Verantwortung. Sie stehen in der Pflicht, dass trotz ihres Hungers nach Rohstoffen Regenwälder, Gebirge und die Meere nicht restlos ausgebeutet werden. Die ärmeren Länder sollten Geld bekommen, wenn sie zum Beispiel Öl unter dem Amazonas in der Erde belassen und dafür auf Einnahmen verzichten. Wie beim Klimaschutz reicht es nicht aus, das eine zu tun und das andere zu lassen. Auch zu Hause stehen die Populationen unter extremem Druck. 

    Die Natur regeneriert sich schnell

    Es wird nicht dazu kommen, dass weite Teile Deutschlands zum Nationalpark erklärt werden. Dennoch können wir nicht so weiterwirtschaften wie bisher. Der Flächenfraß für Straßen, Wohn- und Gewerbegebiete muss gebremst werden. Die Landwirtschaft muss ein wenig wie früher werden – kleinteiliger, ohne viel Gift und weg von den Monokulturen. Das wird nicht gehen, wenn die Bauern dafür nicht staatlich entschädigt werden. Gleiches gilt für die Wälder und deren Besitzer. Die Zeit für neue Skigebiete in den Alpen ist abgelaufen. Die Flüsse müssen zumindest auf einem Teil ihrer Länge aus ihren begradigten Korsetten befreit und alte Nebenarme wieder geflutet werden. Das Beispiel der Havel zeigt, dass es möglich ist. 

    Beeindruckend und hoffnungsspendend ist, wie schnell, sich die Natur regeneriert und bedrohte Arten zurückkehren, wenn man sie lässt. Deutschland wird sich nicht zum Agrarland des Jahres 1800 zurückverwandeln. Es geht darum, Tieren und Pflanzen bewusst Gebiete zu schaffen, in denen sie sich halten können. 

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