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Armut: Keine Wohnung, keine Teilhabe: Was sich Betroffene wünschen

Armut

Keine Wohnung, keine Teilhabe: Was sich Betroffene wünschen

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    Etwa 50.000 Menschen leben in Deutschland auf der Straße.
    Etwa 50.000 Menschen leben in Deutschland auf der Straße. Foto: Marijan Murat, dpa (Archivbild)

    Manja hat zwei Kinder. Nur ihr Sohn ist bei ihr aufgewachsen, ihre Tochter nicht. „Ich musste sie schweren Herzens zur Adoption freigeben“, sagt sie und hält dabei ihre Emotionen zurück. ist Anfang 50, acht Jahre ihres Lebens war sie wohnungslos, drei Jahre davon verbrachte sie auf der Straße.

    „Ich wollte keine Wohnung“, sagt sie heute rückblickend auf die Anfangszeit. Nach dem Fall der Berliner Mauer wollte die Ostdeutsche reisen, sagt sie: „Ich bin ein freiheitsliebender Mensch.“ Sie kam bei Freunden unter, lebte mal dort, wenig später woanders. Man merkt, in Manja steckt noch viel mehr, was sie nicht erzählen will. Sie wirkt abgeklärt, nur wenn sie über ihre Kinder spricht, wird sie emotional.

    Etwa 600.000 Menschen von Wohnungslosigkeit betroffen

    Ihren Sohn brachte sie in Baden-Baden auf die Welt. Als der Junge elf Jahre alt war, landete die alleinerziehende Mutter wieder auf der Straße. Es dauerte fünf Jahre, um wieder eine feste Bleibe zu finden und ihren Sohn aus der Pflegefamilie zu holen. All das berichtet Manja bei einer Pressekonferenz der Wohnungslosen Stiftung in Berlin. Neben Manja sitzen unter anderem Chriss und Nadine aus Leipzig, Monja aus Baden-Württemberg und Janet aus Berlin. Hier duzen sich alle. Unter dem Motto „Jetzt sprechen wir“, wollen sie sich Gehör verschaffen. Alle Anwesenden vereint der Wunsch nach politischer Teilhabe. Manch einer bezeichnet sich als Aktivist, der andere als Sprecher für das Thema Obdachlosigkeit.

    In Deutschland gibt es schätzungsweise 600.000 Menschen, die keine eigene Wohnung haben. Darunter sind 50.000 auf der Straße lebende Obdachlose. Die größte Gruppe bilden alleinstehende Männer zwischen 30 und 39 Jahren. Das geht aus dem neu erschienenen Jahresbericht der Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe hervor. Die Auswertung der Zahlen aus dem Jahr 2022 zeigt, dass immer mehr junge Menschen und Familien von Wohnungslosigkeit betroffen sind. Bei jungen Menschen wird das nicht sofort sichtbar, da sie häufig bei Bekannten oder Freunden unterkommen. Bevor sie sich Hilfe suchen, schlafen rund 13 Prozent der 18- bis 25-Jährigen mindestens eine Nacht auf der Straße. Unter den jüngeren Hilfesuchenden befinden sich zudem überdurchschnittlich viele Frauen.

    Während die meisten Wohnungslosen über 25 Jahre oft wegen Miet- und Energieschulden ihr Zuhause verlieren, ziehen junge Leute häufig nach einem Konflikt aus dem Elternhaus aus.

    Betroffene finden Hilfe bei Initiative, Kirchen und Einzelpersonen

    Die Gründe für Wohnungslosigkeit sind vielfältig: Monja verlor ihre Wohnung nach einer Eigenbedarfsanmeldung ihres Vermieters, Chriss steckt 30 Jahre in einer Sucht fest. Jeder Einzelne könnte einen Roman schreiben über seine Erfahrungen in Notunterkünften, auf der Straße oder mit der Bürokratie.

    Viele erfuhren Hilfe von Einzelpersonen und durch ehrenamtliche Initiativen. Monja lief eines Tages in eine evangelische Kirche und sprach den Pfarrer an; Chriss fand Nadine, die ihn bei sich aufnahm: „Sie hat etwas in mir gesehen.“ Die Leipzigerin steckte zuvor in einer ähnlichen Situation. Heute sind sie ein Paar und engagieren sich beide bei der „Peer-Gruppe Leipzig“. Die Helfer von heute wissen, wie sie mit Obdachlosen oder von Wohnungslosigkeit bedrohte Menschen reden müssen, welche Unterstützung etwas bringt. Hilfe zur Selbsthilfe sei der Schlüssel, sagt Chriss und Nadine führt weiter aus: „Wir stärken den Rücken und hören zu.“

    Bundesregierung will Wohnungslosigkeit bis 2030 überwinden

    Die Bundesregierung hat im April einen nationalen Aktionsplan zur Wohnungslosigkeit verabschiedet. Der sieht vor, dass bis 2030 keine Menschen mehr von Wohnungslosigkeit betroffen sein sollen. Bauministerin Klara Geywitz verwies dabei auf Notunterkünfte. „Hier wollen wir Empfehlungen für bundesweite Standards erarbeiten, um insbesondere Familien und Frauen besser zu schützen“, sagte die SPD-Politikerin. Wohnungs- und Obdachlosigkeit gehe alle an.

    Chriss aus Leipzig kann sich allerdings nicht vorstellen, wie das funktionieren soll. Manche Leute suchen sich dieses Leben aus, wie beispielsweise Manja nach der Wende. Die Diakonie Deutschland fordert die Bundesregierung dazu auf, ihre Ziele in konkrete Maßnahmen umzusetzen. Dazu gehöre der Ausbau von zentralen Fachstellen zur Vermeidung von Wohnungslosigkeit sowie die Schaffung von Wohnraum speziell für wohnungslose Menschen. „Das Recht auf Wohnen muss für alle Menschen in unserer Gesellschaft Wirklichkeit werden“, erklärte Maria Loheide, Vorständin Sozialpolitik der Diakonie Deutschland.

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