Startseite
Icon Pfeil nach unten
Politik
Icon Pfeil nach unten

Arbeitsmarkt: Wie der Mindestlohn den Arbeitsmarkt stützen soll

Arbeitsmarkt

Wie der Mindestlohn den Arbeitsmarkt stützen soll

    • |
    Die Kosten der Arbeitslosigkeit waren zuletzt in der Corona-Pandemie wieder deutlich gestiegen.
    Die Kosten der Arbeitslosigkeit waren zuletzt in der Corona-Pandemie wieder deutlich gestiegen. Foto: Hendrik Schmidt, dpa

    Durchschnittswerte blenden oft das Schicksal Einzelner aus. So haben im vergangenen Jahr zwar nicht wie befürchtet massenhaft Menschen ihre Arbeit verloren. Die Arbeitslosenzahl lag im Mittel bei 2,6 Millionen, das entspricht einer Quote von 5,7 Prozent. Trotz der vierten Welle fanden wieder mehr Stellensucher zurück ins Berufsleben. Im Dezember wurden 2,3 Millionen Arbeitslose gezählt, die Quote lag bei 5,1 Prozent. Deutschland nähere sich damit dem Vorkrisenniveau an, betonte Arbeitsminister Hubertus Heil am Dienstag in Berlin.

    Gleichzeitig können viele Menschen wegen der Pandemie ihrer Arbeit gar nicht oder nur phasenweise nachgehen. Die Kurzarbeit stieg zuletzt wieder an, im Dezember lag sie bei 710.000. Das ist ein deutlicher Anstieg im Vergleich zum November mit 537.000 Personen, aber immer noch weit entfernt von den sechs Millionen Menschen, die zum Ausbruch der

    Hubertus Heil (SPD) ist auch in der neuen Bundesregierung von SPD, Grüne und FDP Bundesarbeitsminister.
    Hubertus Heil (SPD) ist auch in der neuen Bundesregierung von SPD, Grüne und FDP Bundesarbeitsminister. Foto: Michael Kappeler, dpa

    Die guten Zahlen sind teuer erkauft. Allein für die Finanzierung der Kurzarbeit wurden bislang 42 Milliarden Euro aufgewendet. Nach Einschätzung von Heil gut angelegtes Geld, denn „die Alternative, Massenarbeitslosigkeit zuzulassen, wäre viel teurer geworden“, bekräftigte der SPD-Politiker. Klar ist aber auch, dass es nicht ewig Milliardenhilfen geben kann: Das Corona-Kurzarbeitergeld wurde zwar verlängert, aber vorerst nur bis Ende März.

    Wann erholt sich die Wirtschaft von Corona? Omikron dämpft den Optimismus

    Die Bundesregierung hofft, dass die Wirtschaft bald wieder anzieht und die Corona-Folgen heilt. Omikron allerdings dämpft den Optimismus. So wird die kräftige Erholung wohl noch ein paar Monate auf sich warten lassen. Außerdem gab es schon vor der Pandemie Probleme auf dem Beschäftigungsmarkt. Heil geht deshalb mit einer „arbeitsmarktpolitischen Doppelstrategie“ ins neue Jahr. Er will einerseits den Arbeitsmarkt stabil durch die Pandemie bringen und zweitens „Antworten auf strukturelle Fragen“ geben. Dazu gehört die Sicherung der Fachkräftebasis etwa in Krankenhäusern, bei Speditionen und der Gastronomie, ebenso wie eine höhere Erwerbsbeteiligung von Frauen.

    Am größten Brocken arbeitet Heil gerade – am Gesetzentwurf zum Mindestlohn von zwölf Euro. Er will einen konkreten Zeitplan vorlegen, kündigte der Minister an. Der SPD-Politiker kann in seiner zweiten Amtszeit als Einziger im Kabinett von Kanzler Olaf Scholz auf langjährige Erfahrungswerte zurückgreifen, er weiß, dass die Anhebung der Lohnuntergrenze ein Kampf mit den Arbeitgebern werden wird. Die sind gewarnt, seit Scholz im Wahlkampf mit den zwölf Euro Mindestlohn warb. Klagen sind möglich, Streit ist garantiert.

    Gebäudereiniger auf dem Weg zur Arbeit. Viele von ihnen bekommen den Mindestlohn.
    Gebäudereiniger auf dem Weg zur Arbeit. Viele von ihnen bekommen den Mindestlohn. Foto: Ralph Hirschberger, dpa

    Im Gebäudereiniger-Handwerk beispielsweise – mit knapp 700.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern eigenen Angaben zufolge die beschäftigungsstärkste Handwerksbranche Deutschlands – wurde der Mindestlohn gerade um rund vier Prozent auf 11,55 Euro angehoben. Obwohl das vom angestrebten Ziel nicht mehr so weit weg ist, kritisierte Bundesinnungsmeister Thomas Dietrich am Dienstag die Pläne der Ampel: Diese bedeuteten „das Aussetzen der Tarifautonomie, sowie eine Sabotage der Mindestlohnkommission“. Bisher legt eine Kommission aus Arbeitgebern, den Gewerkschaften und Wissenschaftlern die Höhe der Mindestbezahlung fest. Diese will die Ampel-Koalition nicht abschaffen. Sie soll jedoch einmalig ignoriert und die neue Lohnuntergrenze von 12 Euro brutto in einem Schritt festgesetzt werden. Dietrich plädierte für ein Inkrafttreten des neuen gesetzlichen Mindestlohns nicht vor 2023.

    Ein Mindestlohn von 12 Euro stärkt die Kaufkraft

    Heil blickt der Auseinandersetzung gelassen entgegen. „Ich weiß, dass es die üblichen Bedenkenträger gibt. Die hat es bei der Einführung des Mindestlohns auch schon gegeben“, sagte er. Die Sozialpartner hätten die Möglichkeit, sich im Rahmen von Anhörungen zum Thema zu äußern. „Ich setze darauf, dass sich die Debatte da versachlichen wird“, ergänzte der Minister und verwies auf Untersuchungen, denen zufolge viele der üblichen Argumente gegen einen Mindestlohn falsch seien. „Es wird keine massiven Verluste von Arbeitsplätzen durch die Erhöhung des Mindestlohns geben“, erklärte Heil. Es sei vielmehr von einer Produktivitätssteigerung und einem Plus bei der Kaufkraft auszugehen.

    Der gesetzliche Mindestlohn in Deutschland ist zu Jahresbeginn auf 9,82 Euro je Stunde gestiegen.
    Der gesetzliche Mindestlohn in Deutschland ist zu Jahresbeginn auf 9,82 Euro je Stunde gestiegen. Foto: Jens Wolf, dpa

    Nach Einschätzung der IG Bau wird der Kaufkraftzuwachs rund 9,8 Milliarden Euro im Jahr betragen. „Wer lediglich den gesetzlichen Mindestlohn bekommt, der hat mit dem Tag, an dem dieser auf 12 Euro hochklettert, 2,18 Euro pro Stunde mehr in der Lohntüte als heute“, rechnete Gewerkschaftsboss Robert Feiger vor. Das zusätzliche Geld gehe nahezu eins zu eins in den Konsum.

    „Die Menschen werden damit notwendige Anschaffungen für den Haushalt machen und sich Dinge leisten, auf die sie bislang verzichten mussten“, erklärte er mit Blick auf eine volkswirtschaftliche Mindestlohn-Untersuchung, die seine Gewerkschaft beim Pestel-Institut (Hannover) in Auftrag gegeben hat. Von der Erhöhung des Mindestlohns würden demnach sieben Millionen Beschäftigte in Deutschland profitieren.

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden