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Arbeitsmarkt: Bald gibt es kaum noch Strafen bei Hartz-IV-Verstößen

Arbeitsmarkt

Bald gibt es kaum noch Strafen bei Hartz-IV-Verstößen

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    Für Hartz-IV-Empfänger sollen die Strafen für Verstöße gegen die Mitwirkungspflichten weitgehend entfallen.
    Für Hartz-IV-Empfänger sollen die Strafen für Verstöße gegen die Mitwirkungspflichten weitgehend entfallen. Foto: Jan Woitas, dpa

    Wer Arbeitslosengeld II bezieht, aber etwa seine Termine beim Jobcenter unentschuldigt versäumt, muss künftig kaum noch mit empfindlichen Strafen rechnen. Denn die Bundesregierung plant, die Sanktionen bei Verstößen gegen die sogenannten Mitwirkungspflichten weitgehend auszusetzen – und zwar deutlich länger, als bisher geplant. Statt, wie zunächst vorgesehen bis Ende dieses Jahres, soll die Regelung bis Mitte 2023 gelten.

    Vor der Abstimmung an diesem Donnerstag im Bundestag kritisieren CDU und CSU das Ampel-Vorhaben scharf. Stephan Stracke, Sprecher der Unionsfraktion für Arbeit und Soziales, sagte unserer Redaktion: „Solidarität ist keine Einbahnstraße. Wer Sozialleistungen bezieht, für den gibt es auch die Verpflichtung zur Mitwirkung." Der CSU-Politiker befürchtet: "Ohne Sanktionsmöglichkeiten machen Mitwirkungspflichten keinen Sinn, denn das Jobcenter hätte keine wirksame Handhabe mehr gegenüber Unwilligen." Die Union werde gegen die Pläne stimmen, kündigt Stracke an, denn: "Die Ampel verabschiedet sich mit ihrem weitgehenden Sanktionsverzicht ohne Not vom erfolgreichen Grundsatz des Förderns und Forderns." Das sei "nichts anderes als ein bedingungsloses Grundeinkommen". Für CDU und CSU stehe fest: "Das tragen wir auf keinen Fall mit."

    Stephan Stracke sieht Bürgerinnen und Bürger, die Sozialleistungen beziehen, in der Pflicht, mitzuwirken.
    Stephan Stracke sieht Bürgerinnen und Bürger, die Sozialleistungen beziehen, in der Pflicht, mitzuwirken. Foto: Tobias Koch

    Verfassungsgericht legte "Höchststrafen" fest

    Ende 2019 hatte das Bundesverfassungsgericht entschieden, dass Empfängern von Arbeitslosengeld II, besser bekannt als Hartz IV, höchstens 30 Prozent ihres Regelsatzes gestrichen werden kann. Zuvor waren bei wiederholten Pflichtverletzungen Kürzungen von 60 Prozent möglich, in schweren Fällen konnten die Zahlungen sogar komplett eingestellt werden, einschließlich der Miet- und Heizkosten. In ihrem Koalitionsvertrag einigten sich SPD, Grüne und FDP dann darauf, Hartz IV durch ein sogenanntes "Bürgergeld" zu ersetzen.

    Hartz IV, eingeführt unter SPD-Kanzler Gerhard Schröder, gilt dem linken SPD-Flügel bis heute als Teufelszeug. Mit dem Bürgergeld will die SPD ihr Trauma der sozialen Kälte überwinden. Bei den Grünen gilt das Bürgergeld als eine Art Zwischenschritt zu einem bedingungslosen Grundeinkommen, für das es in der Partei große Sympathien gibt. Das Bürgergeld bedeutet im Wesentlichen mehr Geld für Empfänger. Die FDP dagegen hält die Möglichkeit von Leistungskürzungen auch künftig für notwendig.

    Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD): Sein Ministerium fand einen Kompromiss, der die Vorstellungen der Grünen und der FDP über das Bürgergeld-Vorhaben versöhnt.
    Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD): Sein Ministerium fand einen Kompromiss, der die Vorstellungen der Grünen und der FDP über das Bürgergeld-Vorhaben versöhnt. Foto: Bernd von Jutrczenka, dpa

    Schwierige Verhandlungen in der Ampel

    So weit, wie die Vorstellungen innerhalb der Ampel auseinanderklafften, so schwierig gestalteten sich die Absprachen über das Bürgergeld-Vorhaben, das kommendes Jahr umgesetzt werden soll. Im von Hubertus Heil (SPD) geführten Arbeits- und Sozialministerium wurde schließlich folgende Kompromissformel gefunden: Die Grünen bekommen die gewünschte Aussetzung der Strafen für ein Jahr. Auf Drängen der FDP soll aber in den kommenden Monaten noch die Möglichkeit bestehen, zumindest zehn Prozent der Leistungen zu streichen, wenn etwa Termine beim Jobcenter versäumt werden. Beim künftigen Bürgergeld gehen die Kürzungsmöglichkeiten dann wieder bis zur Obergrenze, die das Verfassungsgericht festgelegt hatte.

    Pascal Kober, sozialpolitischer Sprecher der FDP-Fraktion im Bundestag, ist zufrieden: "Sanktionsfreiheit und bedingungsloses Grundeinkommen durch die Hintertür wird es nicht geben." Im Gespräch mit unserer Redaktion betonte er: "Auch während des einjährigen Moratoriums führen mehrfache Terminversäumnisse zu Kürzungen der Leistungen. Das Bürgergeld wird wiederum Leistungskürzungen für bis zu 30 Prozent beinhalten." Es gebe also auch künftig die Möglichkeit, mangelnde Mitwirkung zu sanktionieren, so Kober: "Denn der Grundsatz `Fördern und Fordern´ hat bisher zur Reduzierung der Langzeitarbeitslosigkeit und zur nachhaltigen Integration von Menschen in den Arbeitsmarkt beigetragen."

    Arbeitgeber: Schritt zum Vollkasko-Staat

    Bei der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände stoßen die Regierungspläne auf harsche Ablehnung. Hauptgeschäftsführer Steffen Kampeter sagte unserer Redaktion: "Ein Sanktionsmoratorium à la Ampel ist ein weiterer Schritt in den Vollkasko-Staat, der Menschen lieber versorgt und verwahrt als aktiviert – wie erklärt das die Politik den Steuer- und Beitragszahlern unseres Landes?" Eine Sanktionspause stelle die Legitimation einer erfolgreichen Arbeitsmarktpolitik infrage, Mitwirkung und Eigenverantwortung seien in einer sozialen Marktwirtschaft, in der diejenigen unterstützt werden, die Hilfe brauchen, unabdingbar. Kampeter weiter: "Deswegen ist es absolut wichtig, Sanktionen nicht – auch nicht nur vorübergehend – abzuschaffen.“

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