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Antisemitismus: So will die Regierung den Judenhass in Deutschland zurückdrängen

Antisemitismus

So will die Regierung den Judenhass in Deutschland zurückdrängen

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    "Ich kann Juden nicht empfehlen, jederzeit überall in Deutschland die Kippa zu tragen. Das muss ich leider so sagen", sagte der Antisemitismusbeauftragte Felix Klein bereits 2019.
    "Ich kann Juden nicht empfehlen, jederzeit überall in Deutschland die Kippa zu tragen. Das muss ich leider so sagen", sagte der Antisemitismusbeauftragte Felix Klein bereits 2019. Foto: Fredrik von Erichsen (dpa)

    In Essen schießen unbekannte Täter Mitte November auf das Rabbinerhaus der alten Synagoge, in dem ein Institut für deutsch-jüdische Geschichte untergebracht ist. Kurz darauf wird in Berlin-Schöneberg der Eingangsbereich einer Synagoge beschädigt. 

    Nur zwei aktuelle Beispiele für Straftaten mit judenfeindlichem Hintergrund, deren Zahl stetig steigt. Mehr als 3000 Delikte waren es 2021 laut Innenministerium, fast ein Drittel mehr als im Jahr zuvor. Jetzt will die Bundesregierung den Kampf gegen den Antisemitismus verstärken, vereinheitlichen und in alle gesellschaftlichen Ebenen tragen. Gleichzeitig soll jüdisches Leben in Deutschland sichtbarer werden. 

    Strategie gegen Antisemitismus: "Meilenstein in herausfordernden Zeiten"

    Am Mittwoch hat das Kabinett die erste "Nationale Strategie gegen Antisemitismus und für jüdisches Leben" beschlossen. Für Felix Klein, den Antisemitismusbeauftragten der Bundesregierung, ist der Plan ein "Meilenstein in herausfordernden Zeiten". 

    Die Energie- und Lebensmittelkrise, Putins Krieg gegen die Ukraine, die Pandemie und die Klimakrise stellten eine "Bewährungsprobe für den Zusammenhalt der Gesellschaft" dar. Denn in schwierigen Zeiten neigten Menschen zu einfachen Antworten. Antisemitische Hetze und Verschwörungserzählungen fielen da als vermeintlich einfache Antworten leicht auf fruchtbaren Boden. Von Hassbotschaften im Internet bis zu physischer Gewalt wie in Essen oder Berlin sei der Weg nicht weit.

    Der Antisemitismus-Beauftragte Felix Klein kritisiert die documenta-Leitung scharf.
    Der Antisemitismus-Beauftragte Felix Klein kritisiert die documenta-Leitung scharf. Foto: Soeren Stache, dpa

    Die größte Bedrohung kommt laut Klein aus dem Rechtsextremismus, doch auch das Vordringen des israelbezogenen Antisemitismus, der sich als Kritik am demokratischen Staat Israel tarne, bereite zunehmend Sorge. "Wenn Synagogen angegriffen werden, ist das keine legitime Kritik an

    Besorgniserregend seien auch die Sympathien, die die gegen Israel gerichtete Boykott-Bewegung BDS in Teilen des Kulturbetriebs genieße, oder die Zurschaustellung von Werken mit antisemitischer Bildsprache bei der Kunstmesse Documenta. Die neue Strategie solle nun als Kompass dienen, um den Antisemitismus in all seinen Facetten entschieden zu bekämpfen. Nicht nur staatliche Stellen sollen sie umsetzen, auch zivilgesellschaftlichen Akteuren wie Jugendclubs oder Sportvereinen könne sie als Leitfaden dienen.

    Am 09. Oktober 2019 erschoss ein rechter Attentäter in Halle zwei Menschen – sein Versuch, mit Waffengewalt eine Synagoge zu stürmen, misslang.
    Am 09. Oktober 2019 erschoss ein rechter Attentäter in Halle zwei Menschen – sein Versuch, mit Waffengewalt eine Synagoge zu stürmen, misslang. Foto: Hendrik Schmidt/dpa-Zentralbild/dpa

    Aktionsplan gegen die vielen Facetten von Gewalt und Hetze

    Gestärkt werden sollen laut Klein Forschung und Datenerhebung zum Antisemitismus. Ein präzises Lagebild sei unerlässlich, um gegen den Judenhass in all seinen unterschiedlichen Ausprägungen vorgehen zu können. Mehr als bisher müsse die Antisemitismusprävention in der Bildung verankert werden. Das gelte auch für die Erwachsenenbildung und die Berufswelt. Aufklärung sei nicht nur über den millionenfachen Judenmord im Nationalsozialismus notwendig, sondern auch über Israel und modernes jüdisches Leben. 

    Angesichts der wachsenden Zahl antisemitischer Straftaten setzt der Aktionsplan auf eine konsequentere und einheitlichere Bekämpfung durch die Sicherheitsorgane. Polizei und Justiz müssten gezielt gegen die verschiedenen Formen der Hasskriminalität vorgehen, damit Jüdinnen und Juden sicher in Deutschland leben können. Das umfasse eine klare Gesetzgebung ebenso wie Stadionverbote für Fans, die Judenhass in die Sportarenen tragen. Bei allen Maßnahmen solle, so Klein, die Perspektive der Jüdinnen und Juden im Mittelpunkt stehen. 

    Gesamteuropäische Strategie gegen den Hass auf Juden

    Der Aktionsplan ist Teil einer gesamteuropäischen Strategie. Katharina von Schnurbein, Antisemitismusbeauftragte der Europäischen Kommission, sagte: "Es darf keine Rückzugsorte für Antisemitismus geben." Doch gerade das Internet werde immer mehr zum "Einfallstor für Judenhass in unsere Wohnzimmer". Für die europäische Idee sei es maßgeblich, dass Jüdinnen und Juden in den Ländern der EU eine sichere Zukunft sähen. "Europa kann nur dann florieren, wenn auch seine jüdischen Gemeinden florieren", sagte sie. 

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