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Antisemitismus: Im Fall Richard David Precht wächst die Kritik am ZDF

Antisemitismus

Im Fall Richard David Precht wächst die Kritik am ZDF

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    Der Publizist Richard David Precht steht wegen Antisemitismusvorwürfen in der Kritik.
    Der Publizist Richard David Precht steht wegen Antisemitismusvorwürfen in der Kritik. Foto: Rolf Vennenbernd, dpa

    Nach den von vielen Kritikern als antisemitisch aufgefassten Äußerungen des Schriftstellers Richard David Precht wächst der Druck auf das ZDF, Konsequenzen zu ziehen. Der nordrhein-westfälische Medienminister Nathanael Liminski legt dem Sender die Absetzung des ZDF-Podcasts „Lanz & Precht“ nahe. 

    „Ich halte es für zwingend, dass sich die redaktionell Verantwortlichen die Frage stellen, ob Formate dem eigenen Anspruch genügen, wenn Pseudojournalismus und persönliche Meinung – hier sogar gepaart mit falschen Tatsachenbehauptungen – vermischt werden“, sagte der CDU-Politiker unserer Redaktion. „Dieser öffentlich-rechtliche Anspruch ist hier ganz offenkundig nicht erfüllt worden“, sagte Liminski, der zugleich Mitglied des Aufsichtsorgans des Senders, des ZDF-Fernsehrats, ist. 

    Antisemitismusbeauftragte Ludwig Spaenle wirft Richard David Precht übelste Aussagen vor

    Der bayerische Antisemitismusbeauftragte Ludwig Spaenle forderte den Fernsehrat auf, sich mit dem Fall Precht zu beschäftigen: „Wer im Zusammenhang mit orthodoxen Juden übelste Falschaussagen verbreitet, die auch im dunkelsten Kapitel der deutschen Geschichte grassierten, fördert damit in übelster Weise Antisemitismus und trägt dazu bei, dass Vorurteile gegen Jüdinnen und Juden weiter verbreitet werden“, kritisierte der frühere bayerische CSU-Kultusminister. 

    Precht hatte sich sechs Tage nach dem brutalen Terrorangriff der Hamas auf Israel in einer Folge des ZDF-Podcasts „Lanz & Precht“ an Ursachenforschung versucht und dabei an einer Stelle gesagt, die Religion verbiete streng orthodoxen Juden zu arbeiten, „ein paar Sachen, wie Diamanthandel und ein paar Finanzgeschäfte ausgenommen“. Nach Meinung von Fachleuten verbreitete Precht mit seiner völlig falschen Behauptung eindeutig antisemitische Klischees. 

    ZDF nannte Stelle in Podcast "Lanz & Precht" lediglich missverständlich interpretierbar

    Das ZDF kürzte die Passage, die nach eigener Aussage „missverständlich interpretiert“ werden könne, aus dem Internet-Audiobeitrag und drückte sein Bedauern darüber aus, dass der Satz „Kritik ausgelöst“ habe. Precht kündigte zunächst eine Entschuldigung für die nächste Podcast-Folge an und erklärte darin diese Woche: „All die Menschen, deren religiöse Gefühle ich verletzt habe oder die sich verzerrt dargestellt gesehen haben oder die das an antisemitische Klischees erinnert hat, bei denen entschuldige ich mich ganz und gar, denn nichts liegt mir ferner, als irgendetwas in diese Richtung von mir zu geben.“ Sein Satz "war einfach salopp so daher geredet" und "Quatsch" gewesen, sagte Precht.

    Wartete Richard David Precht mit seiner Entschuldigung aus Quotengründen?

    Der Antisemitismusbeauftragte Spaenle warf Precht vor, mit der späten Entschuldigung auf hohe Quoten gesetzt zu haben. „Das ist unverzeihlich, zeigt aber, wie tief der Antisemitismus selbst im Bürgertum verankert ist“, betonte der CSU-Politiker. „Wenn jemand üble Nachrede gegenüber gläubigen Zeitgenossen welcher Religion auch immer betreibt und antisemitischen Hetzkampagnen damit neue Grundlagen liefert und mit der Entschuldigung und Aufklärung bewusst wartet, dann sind die Staatsanwaltschaft und das Justizwesen gefordert.“ Tatsächlich zählen die beiden Folgen mit über einer Million Abrufen allein auf You-Tube zu den mit Abstand meistgehörten Folgen des Podcasts.

    „In Deutschland gehört der Schutz jüdischen Lebens und des Existenzrechts Israels zur Staatsräson“, betonte Spaenle. „Diese besondere Verantwortung, die gerade aus der Geschichte und dem Holocaust resultiert, sollte auch das öffentlich-rechtliche Fernsehen ernstnehmen“, forderte der CSU-Politiker. „Deshalb gehört die Frage, wie man in Deutschland Jüdinnen und Juden sowie deren Einrichtungen schützen kann und wie man vor allem Fake News über Jüdinnen und Juden verhindern kann, wie sie Herr Precht verbreitet hat, auch in den Fernsehrat“, betonte er. 

    Wegen Antisemitismus bei Land & Precht: ZDF leitet formelles Verfahren ein

    Auch NRW-Medienminister Liminski kritisiert den Schriftsteller scharf: „Die Aussagen von Herrn Precht vereinen bemerkenswerte Überheblichkeit und frappierende Unkenntnis mit verantwortungsloser Unfähigkeit zur Folgenabschätzung.“ Die Öffentlich-Rechtlichen dürften keine „Bühne für solch eine Verpestung der gesellschaftlichen Debatte über die Schlussfolgerungen aus dem Hamas-Terror“ sein, sondern stattdessen ein Schutzschild gegen Desinformation und Verschwörungsmythen. „Wird er diesem Anspruch nicht gerecht, stellt er sich selbst infrage“, warnte Liminski. 

    Die ZDF-Fernsehratsvorsitzende Marlehn Thieme leitete in dem Fall eine Prüfung ein, wie sie unserer Redaktion erklärte. "In dem von mir eingeleiteten Verfahren für förmliche Programmbeschwerden habe ich zunächst dem Intendanten des ZDF Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben", sagte sie unserer Redaktion.

    Der Publizist Michel Friedman warf dem ZDF im Fall Precht redaktionelles Versagen vorgeworfen. „So ein Podcast geht auch durch einen Schnitt, wird von verantwortlichen Redakteuren gehört, aber niemand beim ZDF will bemerkt haben, was da für eine menschenverachtende Aussage gefallen ist“, sagte Friedman in einem Interview der Rheinischen Post. „Der Vorfall hätte sofort dazu führen müssen, dass der Sender erklärt, hier wurde eine rote Linie überschritten. Das ist bis heute nicht geschehen.“ 

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