Armin Papperger ist ein gefragter Mann in diesen Zeiten. Seit Russland seine Großoffensive in der Ukraine gestartet hat, nimmt Deutschland das Thema Rüstung wieder ernst. Die Zeitenwende hat auch einen Industriezweig erfasst, der lange ein Schattendasein geführt hat. Papperger ist Chef von Rheinmetall, manche sagen, er mache ein Bombengeschäft. Doch tatsächlich ist es dem Niederbayern nicht nur gelungen, seinem Unternehmen volle Auftragsbücher zu bescheren, sondern auch vielen Menschen klarzumachen, dass Rüstung im Ernstfall Sicherheit bedeutet. Ausgerechnet seine eigene Sicherheit ist allerdings in Gefahr: Der amerikanische Nachrichtenkanal CNN hat aufgedeckt, dass es offenbar Anschlagpläne gegen den 61-Jährigen gab – die Urheber sollen von der russischen Regierung angeheuert worden sein.
Papperger wäre für die Russen ein lohnendes Ziel: Rheinmetall ist nicht nur die größte deutsche Waffenschmiede, es ist auch einer der wichtigsten Hersteller von 155-mm-Artilleriegranaten, die im Krieg in der Ukraine von großer Bedeutung sind. Das Unternehmen wird zudem schon in wenigen Wochen ein Werk für gepanzerte Fahrzeuge in der Ukraine eröffnen. In einem Interview sagte der Manager: „Das größte Erfolgserlebnis für mich war, wie stark wir der Ukraine helfen konnten.“ Mit Sätzen wie diesen rückte er offenbar ins Visier des Kremls.
Faeser spricht von gestiegener Bedrohung
CNN beruft sich in seinem Bericht auf fünf mit der Situation vertraute Beamte aus den USA und anderen westlichen Staaten. Ein deutscher Regierungsbeamter bestätigte dem Sender demnach, dass man in Berlin entsprechende Warnungen aus den USA bekommen habe. Die Anschlagspläne sollen relativ weit fortgeschritten gewesen sein: Es hätten sich bereits mehrere Verdächtige auf deutschem Boden aufgehalten. Öffentlich hält sich die Bundesregierung bedeckt. „Wir äußern uns nicht zu einzelnen Bedrohungssachverhalten“, sagte Bundesinnenministerin Nancy Faeser. „Aber ganz klar ist: Wir nehmen die erheblich gestiegene Bedrohung durch die russische Aggression sehr ernst.“
„Russland führt einen hybriden Angriffskrieg“, betonte Außenministerin Annalena Baerbock am Rande des Nato-Gipfels in Washington. Sabotage-Akte, Cyber-Angriffe, die Lahmlegung von GPS-Signalen gehörten längst zum Repertoire des Kremls auf europäischem Boden. „Das unterstreicht erneut, dass wir nicht naiv sein dürfen“, sagte Baerbock. Die FDP fordert eine Sondersitzung des Bundessicherheitsrats. Die russische Regierung selbst weist die Berichte zurück.
Sicherheitsvorkehrungen bei Rheinmetall hochgefahren
Rheinmetall selbst will sich nicht öffentlich äußern. Die Sicherheitsvorkehrungen im Unternehmenssitz Düsseldorf wurden verschärft. Der Financial Times sagte Papperger, dass die Bundesregierung „ein hohes Maß an Sicherheit um seine Person herum aufgebaut“ habe. „Eine mit Pappergers Sicherheit vertraute Person sagte, die Maßnahmen um den Verteidigungschef seien, auf höchstem Niveau‘ - ähnlich wie der Schutz des deutschen Bundeskanzlers Olaf Scholz“, schreibt das Blatt. Wie der Spiegel berichtet, sollen sich Verdächtige in der Nähe der Konzernzentrale aufgehalten haben. Festnahmen habe es allerdings nicht gegeben, die Beweislage sei hierfür nicht ausreichend.
„Das Komplott war Teil einer Reihe russischer Pläne zur Ermordung von Führungskräften der Verteidigungsindustrie in ganz Europa, die die Kriegsanstrengungen der Ukraine unterstützten“, schreiben die CNN-Autoren. Tatsächlich wurden der russischen Führung in den vergangenen Jahren immer wieder Verbrechen in Europa angelastet. „Dem Kreml kritisch gegenüberstehende russische Staatsbürger leben seit Jahren auch im Ausland gefährlich und wurden Opfer von Giftanschlägen und Mord“, sagt Gwendolyn Sasse, Direktorin des Zentrums für Osteuropa- und internationale Studien. In London wurde der übergelaufene KGB-Agent Alexander Litwinenko im Jahr 2006 vergiftet, im Jahr 2018 scheiterte ein Anschlag mit dem Nervengift Nowitschok auf Sergej Skripal, auch er war ein Überläufer. Aufsehen erregte ein Auftragsmord im Berliner Tiergarten: Ein russischer Mann hatte dort einen Georgier erschossen. Nach Überzeugung der Richter handelte er im Auftrag offizieller Stellen.
Kreml zielt auf Verunsicherung der Bevölkerung
Mit Beginn des Krieges in der Ukraine und dem zunehmend angespannten Verhältnis zwischen Moskau und dem Westen nahm vor allem die Zahl der Sabotageakte zu – Ziel waren nicht mehr nur unliebsame russische Staatsbürger, sondern Verbündete von Kiew. Im April wurden in Bayern zwei Männer festgenommen, es soll sich um russische Spione gehandelt haben. Die beiden verdächtigen Russlanddeutschen sollen für Moskau mögliche Anschlagsziele ausgekundschaftet haben. Erst in der vergangenen Woche wurde zudem die Sicherheitsstufe für US-Militärstützpunkte auch in Deutschland erhöht, nachdem Gemeindienste von Akteuren erfahren hatten, die – unterstützt von Russland – Angriffe geplant hatten. Polen untersucht derweil, ob ein Brandanschlag, der im Mai das größte Einkaufszentrum Warschaus zerstörte, mit Russland in Verbindung stand. Bis heute unklar ist, wer hinter einem Brand Anfang Mai im Diehl-Werk in Berlin steckt, Diehl produziert unter anderem das Luftverteidigungssystem „Iris-T SLM“.
„Cyberattacken, Desinformationskampagnen und das Werben um Politiker aus dem rechten und linken Parteienspektrum in Europa seit Langem zu den außenpolitischen Maßnahmen Russlands“, sagt Russland-Expertin Sasse. „Mit möglichen Anschlagplänen gegen einen Chef der Rüstungsindustrie, die mit der westlichen Unterstützung für die Ukraine gleichgesetzt wird, erweitert sich der Kreis derer, die der Kreml als strategisches Ziel in der Konfrontation mit dem Westen sieht. Diese Art von Anschlägen sind personalisiert und somit schwieriger auszuschließen.“ Tatsächlich tut sich die Politik schwer mit einer Antwort. Viele der Verdächtigen reisen mit einem Touristenvisum nach Deutschland ein.
Russland führe zwei Kriege, sagte kürzlich Finnlands Präsident Alexander Stubb: einen konventionellen in der Ukraine und einen hybriden gegen Europa und den Westen. „Der Kreml will Stärke demonstrieren und zielt auf eine Verunsicherung der Bevölkerung in westlichen Demokratien“, sagt Sasse. „Diese spielt den politischen Stimmen in die Hände, die mit Rufen nach einem schnellen Frieden oder neuer Kooperation mit Russland die Arbeit des Kremls mit anderen Mitteln fortsetzen.“
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