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Anschlag auf Donald Trump: Nach dem Attentat wirkt er unverwundbar.

Attentat auf Donald Trump

Der Wahnsinn wird zum Wahlkampfmotiv

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    Der ehemalige US-Präsident Donald Trump reckt nach einem Attentat auf einer Wahlkampfveranstaltung seine Faust in die Höhe.
    Der ehemalige US-Präsident Donald Trump reckt nach einem Attentat auf einer Wahlkampfveranstaltung seine Faust in die Höhe. Foto: Gene J. Puskar, dpa

    Zweieinhalb Stunden nach dem Moment, der das fiebernde Land endgültig an den Rand des kollektiven Durchdrehens bringt, meldet sich Donald Trump endlich auf seiner Plattform „Truth Social“ zu Wort. „Ich wurde von einer Kugel getroffen, die den oberen Teil meines rechten Ohrs durchschlug“, berichtet der Ex-Präsident. Es habe viel geblutet. Ansonsten aber scheint es dem 78-Jährigen gut zu gehen.

    Der mutmaßliche Attentäter hat sein Ziel nicht erreicht. Der Nominierungsparteitag der Republikaner, bei dem Trump am Donnerstag offiziell zum Präsidentschaftskandidaten gewählt werden dürfte, soll wie geplant am Montag starten. Aber ansonsten, das ahnt man, wird in dem ohnehin schon aberwitzigen Kampf um das Weiße Haus nach diesem Samstagabend nichts mehr so sein wie zuvor.

    Auf Fernsehaufnahmen hört man plötzlich Knallgeräusche

    Es war 18.15 Uhr in Butler County, einem Landstrich mit viel grünem Gras und roten Make-America-Great-Again-Kappen im Rostgürtel des politisch wichtigen Swing States Pennsylvania, als Amerikas ewiger Alptraum eines gewaltsamen Anschlags auf einen politischen Anführer plötzlich real wurde. Trump hatte gerade eine Wahlkundgebung unter freiem Himmel begonnen. Es sollte die letzte vor den Conventions sein, zu denen in dieser Woche in Milwaukee mehr als 50.000 Besucher - Delegierte, Gäste und Reporter aus aller Welt - erwartet werden. 

    Menschen gehen in Deckung, als Agenten vom US-Geheimdienstes Secret Service den republikanischen Präsidentschaftsbewerber und ehemaligen US-Präsidenten Donald Trump auf der Bühne einer Wahlkampfveranstaltung umringen und schützen.
    Menschen gehen in Deckung, als Agenten vom US-Geheimdienstes Secret Service den republikanischen Präsidentschaftsbewerber und ehemaligen US-Präsidenten Donald Trump auf der Bühne einer Wahlkampfveranstaltung umringen und schützen. Foto: dpa

    Auf Fernsehaufnahmen der Szene hört man plötzlich mehrere Knallgeräusche, die aus einer Waffe oder von einem Feuerwerk herrühren könnten. Auch Augenzeugen waren sich offenbar zunächst nicht sicher. Dann aber fasst sich der Ex-Präsident ans rechte Ohr und wirft sich blitzschnell hinter das kugelsichere Rednerpult. Derweil hört man eine Reihe weiterer Knallgeräusche, während bewaffnete Personenschützer Trump eilig abschirmen.

    Man sieht, wie Trump am Ohr blutet

    Kurz darauf ist klar: Es waren Schüsse. Man sieht, wie Trump am Ohr blutet. Nach Angaben des Secret Service, der amtierende und ehemalige Präsidenten rund um die Uhr begleitet, stammte die erste Salve aus dem halbautomatischen AR-15-Gewehr eines Schützen, der offenbar auf einem Dach außerhalb des abgesperrten Kundgebungsgeländes gelegen hatte. Ein Zuschauer wurde getötet, zwei weitere schwer verletzt. Der mutmaßliche Attentäter wurde erschossen. 

    Trump wirkt zunächst mitgenommen, als ihn vier Personenschützer aufrichten. „Lasst mich meine Schuhe anziehen“, hört man ihn in Fernsehaufnahmen der Szene sagen. Doch sehr schnell findet der Politiker, der seine Karriere als langjähriger Gastgeber einer Reality-TV-Show begann, seine Fassung zurück und begreift instinktsicher die politische Bedeutung des Moments. „Wartet, wartet!“ ermahnt er die Secret-Service-Agenten, die ihn schleunigst von der Bühne schieben wollen. Kämpferisch reckt er mehrfach die geballte rechte Faust in die Kameras. Seinen Anhängern ruft er zu: „Kämpft! Kämpft!“

    Millionen Menschen sahen die schockierenden Bilder

    Millionen US-Bürger und -Bürgerinnen verfolgen die schockierenden Bilder live im Fernsehen. In normalen Zeiten wären sie für eine Nation, die den Horror der politischen Gewalt seit der Ermordung von Abraham Lincoln kennt und spätestens seit den tödlichen Schüssen auf John F. Kennedy 1963 verinnerlicht hat, mutmaßlich Anlass, erschrocken innezuhalten, politische Streitereien beiseitezuschieben und zusammenzukommen. Doch in dem vergifteten Klima der turbopolarisierten amerikanischen Gesellschaft treiben sie die wahnwitzige Spirale des Hasses nur weiter an.

    Der republikanische Präsidentschaftsbewerber und frühere US-Präsident Donald Trump wird von Agenten des US-Geheimdienstes Secret Service umringt, als ihm bei einer Wahlkampfveranstaltung von der Bühne geholfen wird. Trump wurde während des Wahlkampfes attackiert. Sicherheitsleute umringen den Politiker Donald Trump, nachdem er verletzt worden war
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    Auf US-Politiker und Präsidenten gab es schon viele Anschläge. Vier Präsidenten wurden während ihrer Amtszeit erschossen.

    Keine halbe Stunde nach dem dramatischen Vorfall postet der republikanische Kongressabgeordnete Mike Collins bei X: „Joe Biden hat den Auftrag gegeben!“ Der Hinterbänkler aus Georgia bekommt bald Gesellschaft. „Die Demokraten wollten, dass das passiert“, behauptet die rechtsradikale Abgeordnete Marjorie Taylor Greene. Und Ex-Botschafter Richard Grenell, der immer die demagogischsten Kommentare absondert, macht Joe Biden direkt für die Tat verantwortlich. Am vorigen Montag hatte der Präsident seine Partei aufgefordert, ihre internen Personaldebatten zu beenden und stattdessen seinen Herausforderer Trump „ins Visier“ zu nehmen. Eine metaphorische Aufforderung. Doch Grenell ätzt nun: „Fünf Tage später ist jemand Bidens Rat gefolgt.“

    Am Morgen nach der Tat sind viele Fragen völlig ungeklärt

    Zu diesem Zeitpunkt ist noch nichts über die Identität des Schützens, geschweige denn über sein Motiv bekannt. Stunden später wird das FBI mitteilen, dass es sich um einen 20-jährigen Weißen namens Thomas Mathew Crooks handelte. Er soll laut amerikanischen Medienberichten vor zwei Jahren die High School beendet und zuletzt einen naturwissenschaftlichen Förderpreis erhalten haben. Registriert ist er als Republikaner, doch hat er im Januar 2021 einmal 15 Dollar an ein progressives Aktionskomitee gespendet.

    Das sind die mehr als dürftigen Fakten. Auch am Morgen nach der Tat sind viele Fragen völlig ungeklärt: Aus welchem Motiv handelte der Schütze? Hatte er sich - allein oder mit anderen - politisch radikalisiert? Oder war er vielleicht geistig gestört wie der Mann, der 1981 vor einem Washingtoner Hotel den damaligen Präsidenten Ronald Reagan schwer verletzte? Wie konnte er überhaupt so unfassbar nah an die hermetisch abgeriegelte Kundgebung herankommen?

    Rechte Schwurbler geben Joe Biden die Schuld

    Es hilft nichts, dass führende Demokraten früh unmissverständlich den Angriff verurteilen - ganz anders übrigens als Trump, der sich seinerzeit nach der Hammerattacke auf den Ehemann der Ober-Demokratin Nancy Pelosi über das Opfer lustig machte und bei seinen Kundgebungen regelmäßig den rechten Mob der Kapitolstürmer, die immerhin seinen damaligen Stellvertreter Mike Pence aufhängen wollte, als „politische Gefangene“ verklärt. In kürzester Zeit wird der Vorfall in allen Ecken des Internets auf übelste Weise politisch instrumentalisiert. Und für die rechten Schwurbler ist klar: Dahinter muss Joe Biden stecken.

    Der republikanische Präsidentschaftsbewerber und ehemalige US-Präsident Donald Trump wird bei einer Wahlkampfveranstaltung in Butler, Pennsylvania, von Agenten des US-Geheimdienstes Secret Service von der Bühne gebracht. Trump meldete sich nach der Attacke selbst zu Wort und erklärte, ein Schuss habe ihn am Ohr verletzt.
    Der republikanische Präsidentschaftsbewerber und ehemalige US-Präsident Donald Trump wird bei einer Wahlkampfveranstaltung in Butler, Pennsylvania, von Agenten des US-Geheimdienstes Secret Service von der Bühne gebracht. Trump meldete sich nach der Attacke selbst zu Wort und erklärte, ein Schuss habe ihn am Ohr verletzt. Foto: dpa

    Tatsächlich ist der Präsident nach der wohl anstrengendsten Woche seiner Amtszeit über das Wochenende nach Rehoboth Beach an der Atlantikküste gefahren, wo er ein Ferienhaus besitzt. Zum Zeitpunkt der Bluttat sitzt er gerade beim Gottesdienst in der Kirche. Im blauen Sakko tritt der 81-Jährige um kurz nach 20 Uhr vor die Kameras. Er habe versucht, Trump telefonisch zu erreichen und werde das weiter tun, berichtet er. Entschieden verurteilt er das Geschehene: „Es gibt keinen Platz in Amerika für diese Art von Gewalt. Das ist krank. Das ist krank“, empört sich der 81-Jährige: „Jeder muss das verurteilen.“ Wenig später gelingt ihm die Kontaktaufnahme mit seinem politischen Gegner. Nachdem er mit dem Verletzten gesprochen hat, kehrt er noch in der Nacht ins Weiße Haus zurück. 

    Trumpf schafft es immer wieder, allen Gefahren zu entkommen

    Auch der sonst dauerpolternde Trump gibt sich am Sonntagmorgen bemerkenswert staatsmännisch: „In diesem Moment ist es wichtiger denn ja, dass wir zusammenstehen und unseren wahren Charakter als Amerikaner zeigen“, fordert er. Doch das alles stoppt den Wahnsinn nicht. Allzu oft hat Trump den Präsidenten als „krank“ und „korrupt“ bezeichnet und ihm vorgeworfen, ihn persönlich zu verfolgen. In den Köpfen der rechten Verschwörungsfreunde mutiert der Straftäter Trump nun endgültig zum Opfer und übermenschlichen Helden. „Sie versuchen ihn ins Gefängnis zu werfen. Sie versuchen ihn zu töten. Es wird nicht funktionieren. Er ist unbezwingbar“, jubelt der texanische Gouverneur Greg Abbott.

    Tatsächlich scheint es bemerkenswert, wie Trump allen Gefahren immer wieder entkommt: Erst die beiden Amtsenthebungsverfahren, die scheitern. Dann vier Strafverfahren, die mehr oder weniger versanden. Dann ein Immunitätsurteil des Supreme Courts, das dem Gesetzesverächter für den Fall seiner Wahl quasi einen Blankoscheck für jedes Verbrechen ausstellt, solange er es als offiziellen Amtsakt deklariert. Und nun die Kugel, die millimeternah an seinem Schädel vorbeigesaust sein muss.

    Noch in der Nacht werden T-Shirts mit Attentat-Motiv zum Kauf angeboten

    Jene Anhänger, die sich längst in einen sektenhaften Personenkult gesteigert haben und in dem Ex-Präsidenten eine Art Messias sehen, fühlen sich nun bestätigt. Kurz nach dem Anschlag rufen sie zum rituellen Massenbeten auf. Lara Trump, die Co-Vorsitzende der Republikaner, postet eine Bildmontage, in der der auferstandene Christus ihrem Schwiegervater die Hand auf die Schulter legt. „Fürchte Dich nicht. Ich bin bei Dir“, soll er sagen. 

    Wenn sich pseudoreligiöser Wahn mit knallharten kommerziellen und politischen Interessen verbündet, wird es gefährlich. Noch in der Nacht werden erste T-Shirts mit dem Attentat-Motiv zum Kauf angeboten. Man braucht keine Phantasie, um sich vorzustellen, wie das Bild des blutenden Präsidentschaftskandidaten mit der hochgereckten Faust und einer US-Flagge im Hintergrund zum ikonographischen Werbemotiv im Wahlkampf wird. „Er wird niemals aufhören, für die Rettung Amerikas zu kämpfen“, verkündet Trumps Sohn Donald Junior.

    Derweil haben die Demokraten, wie man das bei nationalen Tragödien in früheren Zeiten einmal tat, ihre Werbekampagne sofort gestoppt. Eigentlich wollten sie nach Wochen der Selbstbeschäftigung nun massiv auf die Gefahr hinweisen, die von Trump für die Demokratie ausgeht. Das können sie vorerst vergessen. In seiner kurzen Fernseh-Ansprache am Abend nennt Joe Biden seinen Herausforderer zweimal beim Vornamen: Donald. Es klingt fast freundschaftlich.

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    4 Kommentare
    Rainer Kraus

    Mit dem Attentatsversuch und dem senilen Biden hat Trump nun die besten Voraussetzungen Präsident zu werden. Mal schauen wie sich seine Lebenserwartung entwickelt?

    Raimund Kamm

    Die USA sind beängstigend krank. Täglich werden dort rund 50 Menschen durch Schusswaffen von anderen getötet. Ähnlich viele töten sich mit Schusswaffen selbst. Es fehlen mir hierfür treffende Worte. Waffensucht ist viel zu schwach. https://www.n-tv.de/wissen/So-viele-Menschen-sterben-in-den-USA-durch-Schusswaffen-article23866907.html Krank ist auch die Demokratie in den USA. Wenig politische Bildung, keine guten öffentlich rechtlichen Medien, dafür Krawallmedien und seit Jahren wird die Partei der Republikaner von Undemokraten dominiert, die nicht die gemeinsamen Werte wie Menschenrechte, Nächstenliebe und Demokratie leben. Das macht mich fassungslos und extrem besorgt. Eine kleine Reaktion: Lasst uns unermüdlich unser vielfältiges Europa weiter stärken. Wir müssen uns die Grundlage erarbeiten, ohne die USA als Führungsmacht politisch und wirtschaftlich klarzukommen.

    Thomas Keller

    Der Präsident dort scheint eh nur die Marionette der Konzerne, Banken und Waffenhersteller zu sein. Hauptsache Einer unterschreibt da alles, die Politik macht der Rest im Hinterzimmer. Warten wir auch ab wann und ob sich die vollmundigen Wahlversprechen bewahrheiten...

    Marianne Böhm

    Habe mir gestern die Nachrichten mit Ingo Zamperoni angehört und heute Morgen weitere.. Jetzt wird weiter gemacht genauso wie vorher.. man bewertet Trump, macht ihn lächerlich, schau wie er guckt, wie er sich verhält und wie er jetzt das ganze für sich vermarktet. Er ist nicht anders als andere Politiker.. und dass er Präsident von Amerika wird ist sicher. Und wollen wir wirklich dass Scholz und seine Ampel Freunde in Europa das sagen haben, damit sich das deutsche Chaos noch weiter verbreiten kann, ich will es nicht erleben müssen.. Werdet endlich Erwachsen und handelt wie Erwachsene und nicht wie Kindergarten Kinder.. und die dummen Ausdrücke kann man sich auch sparen..

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