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Goldener Stern: Angela Merkel bekommt einen der höchsten Orden Deutschlands

Goldener Stern

Angela Merkel bekommt einen der höchsten Orden Deutschlands

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    Altkanzlerin Angela Merkel erhält von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier das Großkreuz des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland in besonderer Ausführung verliehen.
    Altkanzlerin Angela Merkel erhält von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier das Großkreuz des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland in besonderer Ausführung verliehen. Foto: Michael Kappeler, dpa

    Die Verleihung von Orden in einem Schloss gehört zu den alten Insignien der königlichen Macht. Ihr Erbe ist Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier. Angela Merkel hat sich aus Glanz und Pomp eigentlich nie viel gemacht, als sie Deutschland regierte. Sie lächelt ein zartes, schüchternes Lächeln, als sie aus den Händen des goldenen, sternförmigen Orden verliehen bekommt. "Danke schön, Herr Bundespräsident", sagt Merkel in ihrer kurzen Ansprache. Sie trägt wieder einen ihrer vertrauten Blazer, dieses Mal in dunklem Violett.

    Eine eigene Bilanz zieht sie nicht. Sie dankt humorvoll ihrer Familie und den Vertrauten, die vor ihr in den Stuhlreihen Platz genommen haben, wie gewohnt holpert der Satzbau ein wenig. Ihre vier Kanzleramtsminister hätten es nie länger als vier Jahre bei ihr ausgehalten. Ex-Bundestrainer Jürgen Klinsmann passe nicht ins Konzept der Gäste, habe ihr aber gezeigt, "was man alles bewegen kann". Und der Schauspieler Ulrich Matthes habe ihr "die Kunst des Sprechens ein bisschen beigebracht".

    Steinmeier über Merkel: "Für Freiheit und Demokratie gearbeitet"

    Während Merkel keine zehn Minuten braucht, um ihre 16 Jahre an der Macht Revue passieren zu lassen, nimmt sich Steinmeier eine halbe Stunde Zeit. "16 Jahre lang haben Sie Deutschland gedient – mit Ehrgeiz, mit Klugheit, mit Leidenschaft", sagt er in Schloss Bellevue in der Mitte Berlins. "16 lange Jahre haben Sie für Freiheit und Demokratie, für unser Land und das Wohlergehen seiner Menschen gearbeitet." 

    Angela Merkel besucht als Umweltministerin zu Beginn ihrer politischen Karriere das Atomendlager Gorleben.
    Angela Merkel besucht als Umweltministerin zu Beginn ihrer politischen Karriere das Atomendlager Gorleben. Foto: dpa (Archivbild)

    Bis zu diesem Moment trägt Merkel den inoffiziellen Titel Altkanzlerin, jetzt ist die 68-Jährige außerdem Trägerin des Großen Verdienstkreuzes in besonderer Ausführung des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland. Es gibt noch eine Sonderstufe darüber, die aber Staatsoberhäuptern vorbehalten ist. Der britische König Charles III. und Königin Camilla sind jüngst Ende März bei ihrem Deutschlandbesuch damit geehrt worden. 

    Für die Monarchen gehören Orden zum Tagesgeschäft. Sie stehen auf dem starken historischen Fundament des englischen Königtums, das über 1000 Jahre alt ist. Das historische Fundament des deutschen Bundespräsidenten ist deutlich schmaler und bei der Verleihung des Ordens an Merkel kam noch ein Missverhältnis hinzu, das sich aus ihrer früheren Arbeitsbeziehung ergibt. 

    Angela Merkel will noch keine Fehler zugeben

    Denn Merkel war Steinmeiers Chefin, als er unter ihr als Außenminister diente. Von einem Missverhältnis ist es nicht weit zum zweiten Missverhältnis, das sich störend über die ganze Zeremonie legte. Denn die beiden Politiker stehen für die falsche Russlandpolitik, die in Putin noch einen Partner sehen wollte, als dieser sich schon dran machte, die Ukraine zu zerlegen. Steinmeier pflegte ein fast zärtliches Verhältnis zu Putins treuem Außenminister Sergej Lawrow, Merkel hat wohl die wachsende Bedrohlichkeit des Regimes erkannt, setzte aber unbeirrt auf Kohle, Gas und Öl des Kremls. Steinmeier hat sich dafür entschuldigt, Merkel will noch keine Fehler zugeben. Sie hat sich Zeit zum Nachdenken erbeten, schreibt an einem Buch und macht sich rar. 

    Ihr schwerster Fehler: Merkel traute dem russischen Präsidenten seit vielen Jahren nicht mehr über den Weg, doch die Abhängigkeit von seinem Öl und Gas erhöhte sie dennoch.
    Ihr schwerster Fehler: Merkel traute dem russischen Präsidenten seit vielen Jahren nicht mehr über den Weg, doch die Abhängigkeit von seinem Öl und Gas erhöhte sie dennoch. Foto: Steffen Kugler/Bundesregierung, dpa

    Der Bundespräsident erspart ihr nicht, sie mit ihrem gemeinsamen Scheitern in der Russlandpolitik zu behelligen. Doch er bleibt bei milder Kritik, spricht über das Fiasko wieder in der Wir-Form. "Dieser Epochenbruch fordert von uns allen neues Nachdenken, ja er zwingt uns, Positionen zu überprüfen, das scheinbar Undenkbare mitzudenken und vor allem die Demokratie nach innen wie nach außen stärker zu machen." 

    Steinmeier: "Jedes Getue um sie selbst war ihr zuwider“

    Dagegen stellt er in seiner feierlichen Ansprache Merkels Verdienste heraus, für die sie die Deutschen so schätzen. Die erste Frau an der Spitze der Macht, eine Regierungschefin von tadellosem persönlichen Ruf, eine überlegte Kapitänin in den schweren Stürmen der Zeit – durchgerüttelt durch Finanz-, Euro-, Flüchtlings- und Corona-Krise. Eine unprätentiöse, bescheidene Dienerin des Volkes, die sich auch Franzosen, Italiener und Briten gewünscht hätten. "Die Kanzlerin stellte sich selbst als Person nie in den Mittelpunkt. Jede Eitelkeit, jede Schmeichelei, jedes Getue um sie selbst waren ihr zuwider", sagt Steinmeier. 

    Der Bundespräsident tut Merkel den Gefallen, die anderen Versäumnisse ihrer über anderthalb Jahrzehnte währenden Regierung zu verschweigen. Die verschlafene Digitalisierung trotz zahlloser Gipfel zum Thema, die lähmende Bürokratie trotz zahlloser Bekenntnisse zum Abbau derselben, die vermurkste Energiepolitik trotz enormer Ziele. 

    Unmittelbar nachdem Angela Merkel die Schlüssel zum Kanzleramt abgegeben hat, wäre die Auszeichnung mit diesem hohen Orden – den vor ihr nur Adenauer und Kohl erhielten – unter breiter, nickender Anerkennung erfolgt. Heute ist sie umstritten. Es fühlt sich an, als käme sie zur unrechten Zeit.

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